Der Prozess des Erzbistums Köln unter dem Namen #ZusammenFinden ruft ein Beben unter den Katholiken in Bergisch Gladbach hervor.
Das Beste aus 2023Erzbistum Köln setzt zwei Bergisch Gladbacher Pfarrer vor die Tür
Pfarrer Winfried Kissel sitzt am Sonntagvormittag beim Neujahrsempfang seiner Gemeinde im Pfarrzentrum von St. Johann Baptist in Refrath. Eine Hand am Kinn. Sein Blick geht ins Leere, der Kopf ist rot.
Kissel, seit 18 Jahren leitender Pfarrer in Refrath und Frankenforst, hatte kurz zuvor in der Messe seiner Gemeinde mitgeteilt, dass das Erzbistum Köln ihn sozusagen vorerst vor die Tür setzt. Ebenso Pfarrer Wilhelm Darscheid, Pfarrer der Pfarreiengemeinschaft Bergisch Gladbach-West.
Dieser Text gehört zu unseren beliebtesten Inhalten des Jahres 2023 und wurde zuerst am 15. Januar veröffentlicht. Mehr der meistgelesenen Artikel des Jahres finden Sie hier.
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Hintergrund ist der Zuschnitt 65 neuer pastoraler Einheiten im Bistum unter dem Schlagwort #ZusammenFinden. „Für Bergisch Gladbach bedeutet dies, dass die heutigen fünf Seelsorgebereiche auf dem Stadtgebiet künftig eine gemeinsame Pastorale Einheit bilden“, wiederholt Monsignore Markus Bosbach, Leiter der Hauptabteilung Pastorale Einheiten im Erzbischöflichen Gerenalvikariat, in einem Proklamandum, das in der Sonntagmorgenmesse in St. Johann Baptist vorgetragen wurde.
Bergisch Gladbach: Pfarrer nicht mehr Teil der Pläne des Erzbistums
Kissel und Darscheid sind demnach nicht mehr Teil der Pläne des Erzbistums. „Die Art und Weise, wie diese Veränderung durchgesetzt und kommuniziert wird, hat mich verletzt und enttäuscht“, hatte Kissel in einem persönlichen Statement in der Kirche vorgelesen. „Gerade im Hinblick auf den großen Vertrauensverlust, der aufgrund des Umgang unserer Bistumsleitung mit Missbrauch entstanden ist, aber auch hinsichtlich des Versprechens von Transparenz und Einbeziehung der Gemeinde im Projekt #ZusammenFinden, fühle ich mich bewusst getäuscht und belogen.“
Ab dem 1. März wird es für alle Seelsorgebereiche in Bergisch Gladbach einen leitenden Pfarrer geben: Kreisdechant Norbert Hörter. Der wird das „Modellprojekt Bergisch Gladbach“ mit einem Kernteam, bestehend aus dem zukünftigen Pfarrvikar Christoph Bernards (bisher St. Joseph/St. Antonius), Pastoralreferentin Christiane Kurth (Seelsorgebereich West) und Gemeindereferent Armin Wirth (Johann Baptist, Refrath/Frankenforst) , leiten.
Laut Kissel hat der Personalchef des Bistums, Mike Kolb, ihm am 9. Dezember die Entscheidung mitgeteilt. „Das hat zur Folge, dass ich als kanonischer Pfarrer dem Erzbischof meinen Rücktritt zum 1. März 2023 anbieten muss. Er verlangt von mir diesen Schritt unter Verweis auf das Gehorsamsversprechen, das ich ihm bei der Weihe gegeben habe. Ich gehe diesen Schritt nicht freiwillig“, formulierte Winfried Kissel.
Der Pfarrer hatte zwar im Rahmen von #ZusammenFinden betont, nicht leitender Pfarrer der neuen pastoralen Einheit werden zu wollen, allerdings hätte er als Pfarrvikar weitergemacht. „Dies ist nun aber nicht gewollt“, sagt er. Im Frühjahr und im Sommer 2022 hab er sich auf Pfarrversammlungen und dem Runden Tisch dafür geworben, sich auf #ZusammenFinden einzulassen. „Dafür möchte ich mich heute entschuldigen.“
„Ich werde diese Auszeit zur Wiederherstellung meiner Gesundheit und zur Stärkung des persönlichen Glaubens nutzen“, erklärt er. Im Herbst soll er dann eine neue Aufgabe bekommen. Am vergangenen Freitag durfte Kissel den Kirchenvorstand und das Orgateam Runder Tisch informieren. Seine Mitarbeiter erst am Montag.
In der Gemeinde löst die Nachricht und die Kommunikation darüber einen Sturm der Entrüstung aus. „Wir werden alle übergangen. So ist Kirche nicht mehr glaubwürdig“, sagt Martina Gensrich. „Erschüttert und betroffen macht uns Ihre völlig unverständliche Entscheidung, Pfarrer Kissel als Pfarrer unserer Kirchengemeinde abzuberufen. Dies steht im völligen Gegensatz zu Ihren bisher kommunizierten Plänen“, formulieren der Kirchenvorstand und das Orgateam des Runden Tisches in einem offenen Brief, den sie an Monsignore Markus Bosbach und Kardinal Woelki geschickt haben und den Alexander Nix vom Kirchenvorstand auf dem Neujahrsempfang vortrug.
Bergisch Gladbach: Kirchenvorstand wirft Erzbistum Köln Lüge vor
Denn: Noch am 28. November 2022 hatte Bosbach der Gemeinde in einem Schreiben mitgeteilt: „Mit dem Ergebnis von #ZusammenFinden ist keinerlei strukturelle Veränderung im Blick auf die Kirchengemeinden und Seelsorgebereiche verbunden, ebenso wenig Personalentscheidungen.“ Und weiter: „Mit der Entscheidung zu #ZusammenFinden ist noch keine formale Errichtung der Pastoralen Einheiten verbunden. Diese Errichtung wird erst zum 1. September 2023 erfolgen.“ Die Unterzeichner des Briefs werden deutlich: „Wir wurden wissentlich von Ihnen belogen und betrogen.“
Auch den Kreisdechanten und künftigen leitenden Pfarrer von ganz Bergisch Gladbach Norbert Hörter greifen die Unterzeichner an: Dass man Kissel untersage, Pfarrvikar zu werden, „weil der neue Pfarrer offensichtlich nicht mit ihm zusammenarbeiten will“, spreche Bände. „Vor diesem Hintergrund darf die Frage gestellt werden, ob die Integrationsfähigkeit des designierten Pfarrers für den neuen Seelsorgebereich ausreicht, um die unterschiedlichen Strukturen und Mentalitäten zu einer großen harmonischen Einheit zusammenzuführen.“ Die Personalentscheidung trifft unterdessen nicht Hörter, sondern das Bistum.
Norbert Hörter stand auf Anfrage für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Auch das Erzbistum war bislang nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Bergisch Gladbacher Gemeinde will zusammenhalten
Kirchenvorstand und Orgateam Runder Tisch haben in Refrath/Frankenforst eine Unterschriftenaktion zu ihrem offenen Brief gegen die Pläne des Erzbistums initiiert. „Wir müssen jetzt als Gemeinde zusammenhalten und ein Zeichen setzen“, sagte Kerstin Meyer-Bialk vom Orgateam des Runden Tisches der Gemeinde. Die Gemeindemitglieder sollen Mails an das Erzbistum schicken: „Das Postfach von Herrn Bosbach muss überquellen.“ Für Dienstag, 24. Januar,19.30 Uhr, ist im Gemeindezentrum eine Pfarrversammlung geplant.