Bergisch Gladbach – Nanu, was ist denn das? Ein Kinderkarussell inmitten der Marktstände auf dem Gladbacher Wochenmarkt. So mancher rieb sich die Augen, als er am Mittwochmorgen den Wochenmarkt auf dem Konrad-Adenauer-Platz in der Bergisch Gladbacher Stadtmitte besuchte. Vor dem über Nacht aufgebauten Karussell der Schaustellerfamilie Timm aus Herkenrath stehen Schilder mit Sätzen wie „Das Karussell muss sich wieder drehen“ und „Die Kirmes darf nicht sterben“.
„Wir wollen damit auf die Laurentiuskirmes aufmerksam machen, die eigentlich am nächsten Wochenende stattgefunden hätte, wegen Corona aber ja leider ausfallen muss“, sagt Burkhardt Unrau vom Schaustellerverein Bergisch Gladbach auf Anfrage. Ein Drama nicht nur für die Schausteller, von denen viele aufgrund des anhaltenden Veranstaltungsverbots in der Existenz bedroht sind, sondern auch für das Kulturgut Kirmes.
Prominent besetzte Informationsaktion
„1200 Jahre Kirmesgeschichte drohen vor die Hunde zu gehen“, sagt Unrau und verweist darauf, dass die Lücke, die ein Aus für rund 5000 Schaustellerfamilien in Deutschland bedeuten würde, nicht mehr gefüllt werden könne. „Schausteller ist kein Lehrberuf, Schausteller ist man von Geburt an, wenn die Familien nicht mehr können, dann ist die Kirmes tot“, sagt der Gladbacher Kirmesmacher und Ehrenschausteller.
Tradition in Bergisch Gladbach
178 Jahre gibt es die Kirmes in Bergisch Gladbach zum Kirchweihfest von St. Laurentius, später kam die Pfingstkirmes hinzu. Veranstalter ist die Stadt Bergisch Gladbach.
40 Jahre bereits organisiert Burkhardt Unrau die Kirmes, für deren Sicherung er vor Jahren bereits einen Verein mit den Schaustellern aus der Taufe gehoben hat. 40 Jahre hat Unraus Vater als Platzmeister für die Stadt Bergisch Gladbach im Ordnungsamt die Kirmes organisiert, 20 Jahre ist Gladbachs Ordnungsamtsleiterin Ute Unrau, seit 2011 mit Burkhardt Unrau verheiratet, mit der Kirmes befasst.
Am kommenden Samstag, 8. August, 11 Uhr, hat er daher anstelle der sonst an diesem Tag stattfindenden Kirmeseröffnung eine prominent besetzte Informationsaktion auf dem Gladbacher Konrad-Adenauer-Platz organisiert. Neben NRW-Innenminister Herbert Reul und dem langjährigen Bundestagsabgeordneten Wolfgang Bosbach haben sich auch Rhein-Bergs aktueller Bundestagsabgeordneter Dr. Hermann-Josef Tebroke, der Landtagsabgeordnete Rainer Deppe, Landrat Stephan Santelmann sowie Bürgermeister Lutz Urbach angesagt.
Sondernutzungserlaubnis
„Ein Hilferuf zur Rettung aller Schausteller“, sagt Unrau. Auch der Vorsitzende des Deutschen Schaustellerbundes, Albert Ritter, werde bei der Aktion dabei sein. Bis zum Laurentiustag am Montag, 10. August, soll auch das Karussell auf dem Gladbacher Marktplatz stehen bleiben. Und: Kinder dürfen auch eine Runde darauf drehen, täglich von 12 bis 18 Uhr.
Mahnendes Karussell
Für ein paar Tage ist für Schausteller Dirk Timm aus Bergisch Gladbach-Herkenrath ein kleines Stück Normalität zurückgekehrt. Bis Montag, 10. August, darf er mit Sondergenehmigung täglich von 12 bis 18 Uhr das Kinderkarussell seiner Familie im Rahmen der Hilfsaktion für die Schausteller auf dem Konrad-Adenauer-Platz betreiben.
Die ganze Nacht hindurch hat er das wegen des Kirmesverbots in diesem Jahr noch gar nicht betriebene Karussell aufgebaut und dabei in standsetzen müssen. Der Familienbetrieb steht vor dem Nichts: „Mein Bruder geht schon in einem Supermarkt Regale einräumen, um über die Runden zu kommen“, erzählt er. (wg)
„Wir haben eine Sondernutzungserlaubnis und freuen uns, dass uns auch die Marktbeschicker das hier ermöglicht haben“, sagt Unrau und lächelt. Zum einzigen Mal an diesem Morgen. Mit dem Hilferuf für die Schausteller ist es dem 67-Jährigen bitterernst. „Wir brauchen dringend einen Rettungsschirm für die Schausteller“, sagt Unrau, der wie berichtet bereits zur wegen Corona abgesagten Gladbacher Pfingstkirmes einen Hilferuf gestartet hatte. Lokal war dies auch ein Erfolg, bundesweit allerdings – so moniert Unrau – verhalle der Hilferuf der Schausteller noch. „Aber genau da brauchen wir die Unterstützung mit dem Rettungsschirm.“
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Kleiner Trost vor Ort: Im nächsten Jahr soll die Kirmes, so die erklärte Absicht der städtischen Veranstalter, in jedem Fall stattfinden. Die Stadt will dazu alle Verträge von beiden Gladbacher Kirmesveranstaltungen aus diesem Jahr aufrecht erhalten und zudem im nächsten Jahr auf die Standgebühren verzichten.
„Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, sondern die des Landes und des Bundes, Gelder für die Schausteller zu generieren, aber trotzdem bin ich unserem Bürgermeister Lutz Urbach da sehr dankbar“, sagt Unrau. „Aber jetzt müssen wir es schaffen, dass die Kirmes und ihre Kulturträger auch bis ins nächste Jahr wirtschaftlich überleben.“