Die Präsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Köln, Dr. Nicole Grünewald, und Bernhard Graner-Sommer als Vizepräsident der Kammer, ziehen nach zweieinhalb Jahren Bilanz und sprechen über die Energiekrise, den Ausbildungsmarkt und Gewerbeflächen im Rheinisch-Bergischen Kreis.
Frau Grünewald, Herr Graner-Sommer, eines Ihrer Ziele ist es, die Region um Köln stärker in den Fokus der IHK zu rücken. Ist das gelungen?
Grünewald: Vier von zehn Mitgliedern unseres Präsidiums sind aus der Region. Das gab es noch nie, und hat ein starkes Zeichen gesetzt.
Graner-Sommer: Ihren ersten Termin nach ihrer Wahl hat Nicole Grünewald in Gummersbach im Oberbergischen wahrgenommen.
Grünewald: Seit ich in der IHK aktiv bin, höre ich immer: Ach, das ist die IHK für Köln und nicht für die Region. Diese Wahrnehmung möchte ich schon seit Jahren ändern. Mittlerweile habe ich die meisten unserer Wirtschaftsgremien in den Regionen besucht – anfangs leider nur virtuell wegen der Pandemie. Dort werbe ich bei den Unternehmerinnen und Unternehmern, sich noch stärker in unseren Ausschüssen zu engagieren.
Ist Ihre Werbung zur Mitwirkung erfolgreich?
Graner-Sommer: Das klappt immer besser. Denn die Ausschusssitzungen finden hybrid statt. Lange Fahrten fallen weg und es ist familienfreundlicher. Wer reinschnuppert, hat meistens schnell Blut geleckt. Auch mit der Erfahrung, man wird gehört, kann etwas anstoßen und bewirken, wird das Engagement der Unternehmerinnen und Unternehmer immer größer.
Grünewald: Die Mitglieder haben in den Ausschüssen einen direkten Einfluss auf die Arbeit in der IHK. Deshalb ist es uns so wichtig, dass auch Geschäftsleute aus der Region mit am Tisch sitzen. Mit diesem Fundament haben wir relevanten Einfluss auf die Politik.
Welche Strategien bieten Sie ihren Mitgliedern im Umgang mit der Energiekrise an?
Grünewald: Wir sind mit dem Dachverband DIHK und IHK NRW gut vernetzt und haben kurze Wege zu aktuellen Informationen in Land und Bund. Wir stehen in engem Kontakt mit den regionalen Versorgern wie der Rhein-Energie AG und der Belkaw, und wir tauschen uns mit dem maßgeblich für uns zuständigen Betreiber der Gas- und Stromnetze, der Rheinischen Netz-Gesellschaft, aus. Ich halte nichts von Panikmache. Wir haben eine starke Wirtschaft in Deutschland, unsere Unternehmen sind innovativ und krisenfest.
Graner-Sommer: Alle werden Energie einsparen müssen. In Gesprächen höre ich von vielen Geschäftsleuten die Sorge vor höheren Kosten. Es wird vom Staat finanzielle Unterstützung für ganz besonders Betroffene geben müssen. Allerdings werden diese Gelder irgendwann zurückgefordert. Dann ist es unsere Aufgabe als Interessenvertretung von Industrie und Handel, gute Lösungen zu verhandeln. Schon jetzt beraten wir betroffene Unternehmen, die zum Beispiel auf eine andere Energieform umstellen wollen.
Die Wirtschaft im Blick
Zur Person
Dr. Nicole Grünewald ist in zahlreichen Gremien der IHK und weiteren Wirtschaftsorganisationen aktiv. Sie ist Mitbegründerin und Geschäftsführerin der Kölner Werbeagentur The Vision Company.Bernhard Graner-Sommer ist Mitglieder im Wirtschaftsgremium Bergisch Gladbach und im IHK-Ausschuss Umwelt und Energie. Im Hauptberuf ist er Geschäftsführer von Graner + Partner Ingenieure in Bergisch Gladbach. (dr)
Wie ist die Situation im Rheinisch-Bergischen Kreis?
Graner-Sommer: Wir müssen auf die Energieträger achten. Im Rheinisch-Bergischen Kreis gibt es keine ideale Lösung, und wir können nicht so einfach auf einen anderen Energieträger ausweichen. Ich bin sicher, es werden sich Wege finden, um weiterhin an Energie zu kommen. Und das zu einem vernünftigen Preis. Momentan drehen so viele an der Preisschraube, das kann man sicherlich mal durchforsten.
Sie haben schon einen Gedanken dazu?
Graner-Sommer: Ich setze stark auf unsere Fähigkeit, Neues zu entwickeln. Zum Beispiel das Thema Wasserstoff. Das ist ein so großer Bereich, der noch längst nicht ausgeschöpft ist.
Die Stadt Köln ist umgeben von wirtschaftsstarken Kreisen. Braucht die IHK diese Grenzen noch?
Grünewald: Nein, wir sehen uns als Ganzes. Zum Beispiel beim Thema Zukunft der Innenstädte geht es bei uns nicht nur um Köln, sondern wir orientieren uns auch an gelungenen Beispielen aus der Region.
Graner-Sommer: Es gibt keine Schere mehr in unseren Köpfen wie noch vor 15 Jahren. Damals haben wir uns aus der Region als „der Speckgürtel von Köln“ präsentiert. Darüber sind wir hinweg, es gibt keine zwei Seiten mehr.
Die IHK Köln hat rund 150 000 Mitgliedsunternehmen. Sollten nicht für sie die Beiträge sinken?
Grünewald: Wir werden die Beiträge dann senken, wenn wir es verantwortlich tun können. Das war in den vergangenen zweieinhalb Jahren im Dauerkrisenmodus mit Corona, Flut und jetzt dem Ukrainekrieg nicht möglich, weil wir für unsere Unternehmen handlungsfähig bleiben müssen. Wir haben allerdings von Seiten des Präsidiums von Anfang an sehr auf die Kosten geachtet und unnötige Ausgaben, wie zum Beispiel interne Beraterkosten, signifikant gesenkt. Auch die von uns nach vorne getriebene Digitalisierung birgt viele Einsparpotenziale. In der Pandemie sind andere Kammern durch Rückzahlungen und geringere Einnahmen in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Das wollen wir vermeiden.
Graner-Sommer: Besonders auf unsere fachkundige Beratung in der Pandemie gab es ein gutes Echo. Im Moment ist Hilfe gefragt, um Auszubildende zu finden. Dafür und für andere ureigene Aufgaben der IHK werden die Beiträge eingesetzt.
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Es fehlen Auszubildende in den Betrieben. Hat die Pandemie die Lage weiter verschlechtert?
Grünewald: Ja. Denn wir haben zwei Abschlussjahrgänge verloren. Viele Jugendlichen sind weder im Studium, noch bei uns in den Ausbildungsgängen angekommen. Wir suchen sie und wollen sie für eine Berufsausbildung begeistern. Die duale Ausbildung ist ein Garant, auf dem Arbeitsmarkt eine anständig bezahlte Anstellung zu bekommen. Wir arbeiten intensiv daran, den Wert dieses Ausbildungsweges Jugendlichen, Eltern und Großeltern noch besser darzustellen.
Sind Sie mit dem Ausbau von Gewerbeflächen in der Region zufrieden?
Grünewald: Ich habe oft das Gefühl, dass wir als einzige die Fahne dafür hochhalten, neue Flächen zu entwickeln, natürlich auch für unsere Industrie. Unternehmen brauchen Platz, um wirtschaften und produzieren zu können. Das ist in vielen Stadtparlamenten leider nicht mehr auf der Agenda.
Graner-Sommer: Verbunden damit ist auch das Angebot von Arbeitsplätzen vor Ort. Wir klären auf, was für die Betriebe wichtig ist, wollen überzeugen und denken langfristig – nicht nur in Wahlperioden.