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Bergisch GladbachKlempner zockt Akademiker und Polizistin ab – Opfer ermittelt selbst

Lesezeit 3 Minuten
Ein Handwerker steht gebückt an seinem Auto.

Ein Handwerker steht gebückt an seinem Auto (Symbolfoto)

Ein Klempner zockt im Notdienst Opfer in Bergisch Gladbach, Köln und Rösrath ab. Doch der deswegen Angeklagte war's wohl nicht - Freispruch.

Was haben ein wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag, eine Kölner Uni-Dozentin und eine Kriminalbeamtin gemeinsam – außer, dass sie alle drei Mitte 30 sind, in und um Bergisch Gladbach wohnen und alle drei fast graue Haare bekommen hätten vor Ärger darüber, dass sie nach Strich und Faden von einem unseriösen Klempner abgezockt wurden?

Jetzt mussten alle drei und zudem auch noch der Ehemann der Kripo-Frau als Zeugen gegen den in Bensberg als Angeklagter vor Gericht stehenden 31-Jährigen aussagen – doch am Ende reichte es nicht für eine Verurteilung. Denn die Zweifel, ob Ahmed Y. (Namen geändert) wirklich der Täter war, waren viel zu groß. Richterin Miriam Kuschel sprach ihn frei.

Betrugstat in der Nacht vor der Gesellenprüfung?

„Im Zweifel für den Angeklagten“: Den alten Rechtsgrundsatz hatte bereits die junge Staatsanwältin angeführt. Verteidiger Volker Schröder, aktuell bundesweit bekannt geworden, weil er auch den mutmaßlichen Doppel-Brandstifter von Essen vertritt, schloss sich an – und verwies überdies darauf, dass Ahmed Y. am Tag nach dem Betrug an der Kripo-Beamtin seine Gesellenprüfung gehabt habe und die Ehefrau bestätigen könne, dass er nervös bei ihr zu Hause gesessen habe, statt in Rösrath zu werkeln.

Es wäre besser gewesen, wenn die Zeugin als Polizeibeamtin nicht selbst ermittelt hätte, sondern das ihren Kollegen überlassen hätte.
Strafverteidiger Volker Schröder

Auch seien an Einmalhandschuhen, die die Kripofrau bei sich um die Ecke im Gebüsch gefunden habe, keine DNA-Spuren gefunden worden, so der Strafverteidiger weiter. Die Polizistin hatte als Zeugin danach gefragt. „Es wäre besser gewesen, wenn die Zeugin als Polizeibeamtin nicht selbst ermittelt hätte, sondern das ihren Kollegen überlassen hätte“, so Jurist Schröder.

Mit dem Freispruch blieben die Betrügereien ungesühnt und die drei Geschädigten auf ihren Kosten sitzen. Für den mutmaßlichen Drahtzieher im Hintergrund interessieren sich neun Staatsanwaltschaften im Bundesgebiet, wie es im Prozess hieß.

Täter zockt in Bensberg frisch gebackenen Vater ab

Fall 1 liegt fünf Jahre zurück: Beim Bundestagsmitarbeiter in Bensberg war ein Küchenrohr defekt. Der junge Mann, der einen Tag zuvor Vater geworden war, orderte nach einer Internet-Suche einen Klempner-Notdienst. Zwei oder drei Monteure kamen, werkelten und forderten dann sofortige Bezahlung – bar oder per EC-Karte: „Die Warnsignale, die es gegeben hat, habe ich damals nicht gesehen. Da hatte ich keinen Kopf für“, sagt der Geschädigte heute. So überwies er widerstrebend die geforderten 1017,19 Euro. Als sich die Reparatur schnell als untauglich herausstellte, war die Schein-Firma längst nicht mehr zu erreichen.

Ähnlich war es im Corona-Jahr 2020 bei der Kölner Uni-Dozentin. In ihrer Wohnung kam nachts das Wasser aus der Dusche hoch. Internet, Notdienst, unfachmännische Arbeit, aber sofortige Bezahlung der viel zu hohen Rechnung von 1470 Euro.

Im Haus der Polizistin schließlich kamen im Mai 2021 nachts die Fäkalien im Keller hoch. Berufsbedingt vorsichtig, suchte sie extra nach einer Rösrather Telefonnummer, dieses Mal kam nur ein Monteur, der schlechte Arbeit leistete, aber sofort 1420 Euro wollte.

Ich bin mir zu hundert Prozent sicher. Wenn er keinen Zwillingsbruder hat, der ganz genauso aussieht wie er, dann ist er das.
Die betrogene Kripo-Beamtin als Zeugin vor Gericht

Die Beamtin begann selbst zu ermitteln, vertat sich dann, als die eigentlich zuständigen Ermittler ihr eine Wahllichtbildvorlage präsentierten, korrigierte den Fehler aber wieder. Im Gerichtssaal gefragt, ob sie den Angeklagten jetzt wiedererkenne, sagte sie: „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher. Wenn er keinen Zwillingsbruder hat, der ganz genauso aussieht wie er, dann ist er das.“

Hundert Prozent hatten weder der Bundestagsmann („Vom Typ her kann er das gewesen sein“) noch die Uni-Frau („Ich kann das nicht mehr sagen“) bieten können, und beim Ehemann der Beamtin blieb offen, wie zuverlässig und ungetrübt seine Erinnerung angesichts der Nähe zur Ehefrau sein könne. Und so gab es den Freispruch für den bis dahin nicht vorbestraften dreifachen Familienvater Ahmed Y.