Bergisch Gladbach/Overath/Köln – „Im Zweifel für den Angeklagten“: Vom Vorwurf des illegalen Kfz-Rennens quer durch Köln hat die Bergisch Gladbacher Jugendrichterin Britta Epbinder einen 21-jährigen Overather freigesprochen. Dagegen hatte sich die Staatsanwältin nach zwei Prozesstagen überzeugt gezeigt, dass Peter K. (Name geändert) und kein anderer am 25. Juli 2020 die Polizei bei einer Verfolgungsfahrt durch das rechtsrheinische Köln abgehängt hatte (wir berichteten).
Verurteilt wurde Peter K. trotzdem. Er muss 500 Euro an den „Weißen Ring“, eine Opferschutz-Organisation, zahlen, weil er einem Bekannten in Refrath unter den Augen der Polizei für 20 Euro Marihuana verkauft hatte und bei anderer Gelegenheit einen Kontrahenten beleidigt hatte. Rein rechnerisch nützt der Teil-Freispruch dem Azubi nichts: 500 Euro hatte die Staatsanwältin für alle drei Delikte, das illegale Kraftfahrzeugrennen inklusive, gefordert.
Anklägerin und Verteidiger ringen heftig um das Urteil
Um das Rennen hatte es ein heftiges Ringen zwischen der Staatsanwältin und den Verteidigern gegeben. Anwalt Udo Klemt wies auf die seines Erachtens begrenzte Glaubwürdigkeit von Polizeibeamten hin. Ein Beamter hatte vor Beginn der Höllenfahrt neben K. in Deutz an der Ampel gestanden und ihn mit „70- bis 80-prozentiger“ Sicherheit wiedererkannt. Das sei zu wenig, sagte Klemt.
Der Beamte selbst hatte in seiner Aussage am ersten Verhandlungstag das an hundert Prozent fehlende Maß an kompletter Sicherheit mit einer persönlichen Erfahrung begründet: „Ich sage nie hundert Prozent, seit ich einmal den Fall hatte, dass plötzlich ein Zwilling um die Ecke kam.“
Keine Erinnerung an Dom und Rhein
Keine gute Figur im Prozess machten die drei Kumpels des Angeklagten, die für ihn auszusagen versuchten und sich in Widersprüche verwickelten. Nummer 1 gab an, er habe den ganzen Abend mit dem Angeklagten auf der Playstation in der Wohnung von dessen Tante in Herkenrath gespielt, Nummer 2 sagte aus, Nummer 3 habe ihn mit dem 600-PS-Fahrzeug abgeholt und sei mit ihm auf Spritztour gegangen. An kleine Details der Fahrt – ob er den Dom gesehen oder den Rhein überquert habe – konnte sich Nummer 2 nicht erinnern.
Nummer 3 schließlich hatte den ersten Prozesstermin am 29. Juli geschwänzt und wurde jetzt von der Polizei vorgeführt. Er behauptete felsenfest: „Ich bin gefahren.“ Der Angeklagte habe ihm das geliehene Auto nur geliehen, damit er damit nach Hause nach Overath fahren könne.
Eine Spur führt ins Essener Clan-Milieu
Mehr wollte Nummer 3 nicht sagen, und auch zu den Umständen der Ausleihe und der Rückgabe von Fahrzeug und Fahrzeugschlüssel an den Eigentümer, womöglich jemand aus dem Essener Clan-Milieu, konnte er nichts Überzeugendes beitragen.
Wenigstens der Angeklagte selbst brach am Ende sein Schweigen: Nein, er sei wirklich nicht gefahren. Den AMG-Sportwagen habe er sich für 1000 Euro auf Instagram gemietet. Den Eigentümer kenne er nicht und dass der womöglich was mit einem Clan zu tun habe, das habe er nicht gewusst.
Im Zweifel für den Angeklagten
Nach all diesen Merkwürdigkeiten ein Teil-Freispruch? „Der Angeklagte könnte es gewesen sein“, begründete die Richterin die Entscheidung, die sie sich augenscheinlich nicht einfach gemacht hatte, „aber die letzte erforderliche Überzeugung fehlt mir“. Sie erinnerte ausdrücklich an den Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
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Sowohl das Rechtssystem als auch sie selbst müssten das aushalten. Neben der Buße erlegte sie dem Angeklagten drei Drogenscreenings auf, damit dieser nachweist, dass er wirklich wie behauptet weg vom Marihuana-Konsum ist.