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„Sonst wird es keine Kirmes mehr geben“Veranstalter der Laurentiuskirmes im Interview

Lesezeit 5 Minuten
Burkhardt Unrau 050821

Mit deutlichen Worten und Lebkuchenherzen will Burkhardt Unrau am Samstag an die Laurentiuskirmes erinnern, die eigentlich dieses Wochenende stattgefunden hätte.

Bergisch Gladbach – „Wir kommen wieder“ steht auf dem Lebkuchenherz. Von dem will Bergisch Gladbachs Kirmesmacher Burkhardt Unrau bei einer außergewöhnlichen Aktion am kommenden Samstag, 7. August, 12 Uhr, auf dem Konrad-Adenauer-Platz einige Dutzend verteilen – zur Erinnerung.

Die Aktion

Zur Erinnerung an die Laurentiuskirmes, die ohne Corona eigentlich dieses Wochenende stattgefunden hätte, findet am Samstag, 7. August um 12 Uhr eine Erinnerungsaktion vor der Laurentiuskirche am Wochenmarkt auf dem Konrad-Adenauer-Platz statt. Neben einer Kirmesorgel und einem historischen Kirmeswohnwagen haben zahlreiche prominente Fürsprecher der Kirmes ihr Kommen und ihre Unterstützung angesagt. (wg)

Ohne Corona hätte auf dem Platz und rund um den Bergischen Löwen im Herzen der Kreisstadt an diesem Wochenende bereits die zweite große Kirmes des Jahres stattgefunden. Über die Hintergründe der Aktion, Wut und die Bedeutung auch der Weihnachtsmärkte für ein Überleben eines Kulturguts hat Guido Wagner mit Unrau gesprochen.

Alles zum Thema Herbert Reul

Hätten wir keine Pandemie, wären am Mittwoch schon die Schaustellerfahrzeuge auf den Platz gefahren, stünde ein Großteil der Kirmes wahrscheinlich heute schon. Schmerzt das nicht sehr?

Und wie! Es ist todtraurig. Noch mehr als mir tut das aber den Schaustellern weh. Schon im zweiten Jahr dürfen sie nichts machen. Und jetzt sind viele auch noch von der Flut betroffen gewesen. Die stehen vor dem Aus, wenn sie nicht – wie ein Schausteller im Ahrtal – schon alles verloren haben. Auch davon sollen die Menschen am Samstag erfahren. Und wie...

Was haben Sie vor?

Mein Freund Hubert Markmann aus Bonn hat sich bereit erklärt, mit seiner historischen Wellershaus-Orgel von 1892 nach Gladbach zu kommen, Manfred Sistig aus Gladbach stellt einen historischen Holzwohnwagen daneben. Und dann sind eine Menge von den Menschen da, die sonst zur Kirmeseröffnung kommen: Bundestagsabgeordneter Dr. Hermann-Josef Tebroke, Landrat Stephan Santelmann, Bürgermeister Frank Stein und natürlich Kreisdechant Norbert Hörter. Und dann wird Tacheles geredet: Das Kulturgut Kirmes darf nicht vergessen werden.

Interview zur Laurentiuskirche

Plädoyer der Schausteller

Mit einem Hilferuf hat sich der Präsident des Deutschen Schaustellerbunds, Albert Ritter, der 2020 auch in Bergisch Gladbach gesprochen hat, an Bundesregierung und Öffentlichkeit gewendet: Seit März 2020 sei Schaustellern bundesweit faktisch ihr Arbeitsplatz genommen, während stationäre Freizeitparks längst wieder geöffnet hätten. Dabei, so Ritter, seien temporäre Freizeitparks mit Fahrgeschäften von Kirmessen keine Alternative. Denn: Aufgrund der starken Reglementierung könne nur ein kleiner Teil der etwa 5000 deutschen Schaustellerbetriebe dort gastieren. Zudem kämen Betriebe maximal auf 60 Spieltage pro Saison statt sonst üblicher 120 bis 140, von Zusatzkosten für Einzäunung und Co und der stark eingeschränkten Besucherzahl ganz zu schweigen. (wg)

Bereits im vergangenen Jahr haben Sie eine bundesweit beachtete Protestaktion, unter anderem mit NRW-Innenminister Herbert Reul, zum traditionellen Termin der Laurentiuskirmes organisiert. Gab es danach für die Schausteller Hilfe, die Sie damals gefordert haben?

Finanzielle Hilfe ist gekommen, und das hat auch mit Aktionen zu tun wie unsere in Bergisch Gladbach, die den Schaustellern eine Stimme gegeben hat. Kein wütendendes Gebrüll, sondern echte Hilferufe. Seitdem bin ich mit unserem Bundestagsabgeordneten Dr. Hermann-Josef Tebroke, unserem Landtagsabgeordneten Rainer Deppe auch in gutem Kontakt. Aber das allein hilft nicht.

Was würde den Schaustellern denn helfen, wenn nicht finanzielle Hilfe?

Eine Perspektive! Er muss ein Licht am Ende des Tunnels geben, eine Hoffnung. Sonst sind diese Familien, die seit Generationen im Schaustellergeschäft aktiv sind, am Ende. Die leben das. Sie brauchen eine Perspektive, um anderen wieder Freude bereiten zu können. Sonst geht das nicht. Ob Wirtschaftsnot oder sogar Krieg – immer hat es Kirmes gegeben. Nicht für die Schausteller, sondern vor allem auch für die Besucher ist das wichtig.

Inwiefern?

Gerade in Zeiten wie diesen, in denen die Menschen viele Entbehrungen und Einschränkungen hinnehmen mussten, ist es wichtig, dass sie auch einmal wieder nur Freude haben dürfen – und auch haben können. Ärzte und Psychologen schlagen ja schon vor, dass es „Kirmes auf Rezept“ geben müsste. Einfach weil sie so hilfreich sein kann wie Medizin für die Menschen, denen der Lockdown schwer zugesetzt hat.

Aber es gab doch hier und da auch in der Corona-Zeit einzelne Kirmesstände, ein Riesenrad in Köln, eine Mandelbude am Supermarkt...

Aber das ist doch nicht dasselbe! Es ist schön, sich die Stadt aus einem Riesenrad mal von oben anzusehen, aber das allein ist doch noch keine Kirmes.

Sondern?

Kirmes ist ein Erlebnis für alle Sinne, zum Sehen, Hören, Fühlen, Riechen – und Schmecken. Da brauche ich den Rundlauf über den Kirmesplatz mit Angeboten für Jung und Älter.

„Wir kommen wieder“ steht auf Ihrem Lebkuchenherz. Wann kommt die Kirmes denn wieder?

Pfingsten 2022 sind wir wieder da.

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Sicher? Im vergangenen Jahr haben Sie auch schon auf dieses Jahr gehofft...

Pfingsten 2022 wird es die Kirmes wieder geben. Muss es die Kirmes wieder geben, sonst wird es gar keine Kirmes mehr geben. Aber das werden wir auch schaffen, Pfingsten sind wir wieder da. Und die Stadt hat auch schon angekündigt, auch dann erstmal auf die Standgebühren von den Schaustellern zu verzichten. Da ziehen wirklich alle an einem Strang. Toll. Gerade an die Schausteller mit den kleinen Geschäften, die Soloselbstständigen mit Mandelbude und Co. aber müssen wir schon vorher denken. Wenn’s um die Weihnachtsmärkte geht

Was hat das mit Weihnachtsmärkten zu tun?

Ja, die brauchen dringend ihre Stände auf den Weihnachtsmärkten, haben teilweise schon vorab dafür bezahlt, um dabei zu sein. Wenn diese Märkte dieses Jahr auch wieder ausfallen, dann werden wir nächstes Jahr keine Kirmes mehr haben können. Wir müssen für alle kämpfen, und auch den Menschen in der Stadt zeigen, dass die Kirmes noch nicht tot ist, auch wenn sie nun schon wieder nicht stattfinden darf. Auch aus diesem Grund gibt es die Aktion am Samstag.