Rhein-Berg – Das Ergebnis war eindeutig, die Erleichterung hörbar: „Dass ich alter Kerl mich nochmal so saumäßig freue über so ein Ergebnis, hätte ich auch nicht gedacht“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul, nachdem er am späten Montagabend mit einer deutlichen Mehrheit von 71 Prozent der Stimmen der Wahlkreismitgliederversammlung zum Direktkandidaten für den Landtagswahlkreis 22 aufgestellt worden war.
Mit 161 der 227 Stimmen hatte sich Reul wie berichtet deutlich gegen seinen Herausforderer und Nach-Nachfolger im Amt des CDU-Kreisvorsitzenden, Uwe Pakendorf, durchgesetzt. Der 43-jährige Rösrather hatte am Abend der Bundestagswahl überraschend seinen Hut als Gegenkandidat in Reuls Heimatwahlkreis in den Ring geworfen und eine „Aufbruch-Mentalität“ in der Partei gefordert.
Stefan Knecht: „Gehen wir wieder in die Offensive“
Noch zu Beginn der Wahlkreismitgliederversammlung am Montagabend in der Burscheider Gesamtschulaula war der Ausgang des Kräftemessens, in dem auch der bis dahin in der Partei weithin unbekannte Stefan Knecht aus Kürten als ambitionierter Bewerber antrat, im Hinblick für viele ungewiss. Schon bei der Vorstellung der Aspiranten jedoch waren die Sympathien der Mehrheit im Saal deutlich auszumachen.
„Gehen wir wieder in die Offensive“, rief Bewerber Knecht den CDU-Mitgliedern angesichts des „desaströsen Ergebnisses der Bundestagswahl“ zu und verstand es, sich als unabhängigen Bewerber zu präsentieren und dabei zugleich die Arbeit Reuls als Innenminister als auch die des „umtriebigen Kreisvorsitzenden“ Pakendorf zu würdigen.
Das sagte Uwe Pakendorf in seiner Rede in Burscheid
Auch dieser versuchte den Spagat, Reul zu loben („Was unser Innenminister in unserem Bundesland leistet, ist großartig“) und zugleich für sich und sein Projekt der Neuaufstellung der CDU zu werben. Reul habe doch – wie vom neuen CDU-Landeschef und designierten Ministerpräsidenten Hendrik Wüst zugesichert – ohnehin einen Platz am Kabinettstisch. Sich über die Landesliste um ein Landtagsmandat zu bewerben, sei keine „Schlafwagennummer“, griff Pakendorf Reuls Kritik an Pakendorfs Vorschlag vom Bundestagswahlabend auf.
Er kämpfe für ein Wahlplakat der CDU Rhein-Berg, auf dem „unser Innenminister Herbert Reul in der Mitte stehe – flankiert von zwei neuen Gesichtern rechts und links“, kündigte Pakendorf an und ließ keinen Zweifel daran, dass er eins dieser „neuen Gesichter“ in „diesem starken Team“ sein wollte. Pakendorf sprach von „Aufbruch“, von Zukunftsthemen wie Wasserstoff als Energieträger und von dem, was die CDU im Kreis alles geschafft habe.
Kritik an Uwe Pakendorf aus den Mitgliederreihen der CDU
Noch vor Pakendorfs Vorstellung jedoch wurde Kritik an dem Kreisparteichef aus den Mitgliederreihen laut. Gisela Schürmann fragte ihn, warum er nicht im benachbarten Wahlkreis 21 (Bergisch Gladbach, Rösrath) antrete, in dem er selbst wohne. Pakendorf verwies auf seinen früheren Wohnort in Overath, die Herkunft seiner Frau, sein wahlkreisübergreifendes Kreistagsmandat und dass er „für alle Kommunen des Kreises brenne“.
Um Viertel nach acht ging Herbert Reul ans Rednerpult. Als alphabetisch letzter Bewerber. Langsam. Nachdenklich. Er habe mit einem grippalen Infekt zu kämpfen, wie er zuvor erklärt hatte. Verhalten war er deshalb jedoch nicht. Im Gegenteil. Hörbar angriffsbereit. Pakendorf ging er frontal an. „Da ist viel geredet worden. Ich werde einiges erklären müssen“, sagte er nicht ohne drohenden Unterton.
Herbert Reul wirft Uwe Pakendorf schlechten Stil vor
„Ich stelle mich nicht gegen den Kreisvorsitzenden.“ Eher sei es umgekehrt. Er habe seine Kandidatur weit vor Pakendorf angekündigt, dieser habe ihm noch am Vormittag der Bundestagswahl bei einem gemeinsamen Termin in Ratingen nichts von seiner Kandidatur gesagt, und dann am Abend seine Gegenkandidatur verkündet, warf Reul dem CDU-Kreisvorsitzenden schlechten Stil vor. „Er hat entschieden: Ich soll den Wahlkreis nicht machen“, so Reul.
„Ich bitte um Ihre Unterstützung, um ein politisches Projekt fortzuführen“, erklärte Reul, warum er das 2017 ursprünglich auf fünf Jahre angelegte Projekt „Innenminister“ in die Verlängerung bringen will. „Ich wollte beweisen, dass man Nordrhein-Westfalen wieder sicherer machen kann“, sagt Reul. „Ich habe gezeigt, dass ich ordentlich arbeiten kann.“ Das Publikum applaudiert. Und Reul hebt nicht ab: „Immer schön mit beiden Beinen auf dem Boden bleiben“, sagt er. Es sei gelungen zu zeigen, dass die sogenannten „alten Parteien“ sehr wohl in der Lage seien, die Probleme der Menschen zu lösen und Vertrauen zurückzugewinnen.
Herbert Reul will sich nach Wahldebakel „nicht vom Acker“ machen
„Wir haben einiges geschafft, aber da ist noch verdammt viel zu tun“, zählt Reul die Erfolge der vergangenen Jahre auf: von der niedrigsten Kriminalitätsrate in NRW bis zur Aufstockung und konzertierten Modernisierung der Polizei und ihrer Ausstattung unter anderem im Kampf gegen Kindesmissbrauch. „Der Neuanfang in der Innenpolitik ist auf einem gutem Weg, aber noch nicht beendet“, so Reul. Deshalb wolle er sich mit vollem Einsatz um ein Landtagsmandat bewerben, nicht halbherzig, nicht über die Reserveliste, sondern als Direktkandidat mit vollem Einsatz im Wahlkampf, „mit dem Beleg, dass ich es wirklich ernst meine“.
Nachdem die CDU die Bundestagswahl „krachend vergeigt“ habe, wolle er sich „jetzt nicht vom Acker“ machen, so Reul. Der Applaus, den Reul nach seiner Vorstellung erntete, war deutlich lauter, als der für Pakendorf. Von den 227 anwesenden Wahlberechtigten erhielt Reul schließlich 161 Stimmen, Pakendorf 59.
Nach der Schlappe bat Pakendorf als Kreisvorsitzender, „Herbert Reul nun mit aller Kraft“ zu unterstützen . Man starte „mit Vollgas“ in den Wahlkampf. Auch am Tag nach seiner Niederlage ließ er indes offen, ob er als Kreisvorsitzender nun zurücktritt. Der frisch nominierte Direktkandidat Reul hatte unterdessen noch bei der Nominierungsversammlung die Kontaktdaten mit dem dritten Kandidaten Stefan Knecht ausgetauscht: „Wir brauchen solche Leute.“