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Festnahme im „Naturistenparadies“38-Jähriger soll Tochter missbraucht haben

Lesezeit 3 Minuten

Auf dem Camping-Gelände hinter der Einfriedung wurde der 38-Jährige festgenommen, der Tatort war hier aber laut Polizei nicht.

Rhein-Berg – „Urlaub vom Alltag“ steht auf dem massiven Tor in der hohen Umfriedung, die das Vereinsgelände der Familiensportgemeinschaft umgibt. Sie selbst beschreibt sich als „Naturistenparadies vor den Toren von Köln“. Auch der 38-jährige Solinger, der am Dienstagabend auf dem Gelände festgenommen wurde, soll hier Mitglied gewesen sein. Mittlerweile hat das Amtsgericht Solingen Haftbefehl gegen den 38-jährigen erlassen, der im Verdacht steht, seine heute zwölfjährige Tochter missbraucht und davon Bildmaterial angefertigt zu haben.

Mit ihr und dem neunjährigen Bruder hielt sich der 38-Jährige noch Anfang der Woche gemeinsam mit seiner Ehefrau auf dem Rösrather Naturistengelände auf – bis er von der Polizei dort überrascht und festgenommen wurde. Wie berichtet wurden die Kinder von der Polizei in die Obhut des Jugendamtes gegeben.

Rösrath nicht als Tatort

Die Mutter kam nach der Vernehmung wieder auf freien Fuß. Wie sie in den mutmaßlichen Missbrauch ihrer Tochter involviert gewesen sein soll, ist bisher unklar. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft gilt auch sie als Beschuldigte, dürfte demnach zumindest davon gewusst haben.

Alles zum Thema Herbert Reul

„Wir sind doch hier nicht Lügde, nur weil sie hier so einen Idioten verhaftet haben“, sagt ein Spaziergänger unweit des Kleineichener Camping-Geländes verärgert. Ob der 38-Jährige seine Tochter auf dem Campingplatz missbraucht haben soll, dazu hatten Polizei und Staatsanwaltschaft zunächst keine Angaben gemacht. „Rösrath würde ich nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht als Tatort bezeichnen“, sagte Wuppertals Polizeisprecherin Simone Mellin am Freitag auf Anfrage dieser Zeitung.

Internetseite des Vereins abgeschaltet

Gleichwohl hatten die Polizeibeamten das durch einen dichten Zaun und eine Mauer abgeschirmte Gelände nach der Festnahme akribisch durchsucht, dabei sogar Betonplatten auf dem Stellplatz der vierköpfigen Familie angehoben und schließlich den Wohnwagen samt Auto sichergestellt. Offenbar wollten sie sichergehen, dass ihnen keine möglichen Beweise entgehen.

Da es bereits dunkel war, half die örtliche Feuerwehr und leuchtete das Gelände aus. Von der Familiensportgemeinschaft, die das Gelände als eingetragener Verein betreibt, war gestern keine Stellungnahme zu erhalten. Eine Vorstandsvertreterin verwies an die Staatsanwaltschaft Wuppertal. Die Internetseite des Vereins ist seit Donnerstag abgeschaltet.

Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren

Das Polizeipräsidium Wuppertal hat eine eigene Ermittlungskommission gegründet, die „EK Morgen“. Dem Beschuldigen drohe für den Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und zehn Jahren, so Staatsanwaltschaft und Polizei in einer gemeinsamen Erklärung.

In seiner Anhörung vor dem Haftrichter des Amtsgerichts Solingen hat sich der Beschuldigte laut Staatsanwaltschaft nicht zu den Vorwürfen geäußert. Noch während der 38-Jährige und seine Frau in Rösrath von der Polizei festgesetzt wurden und die Nacht auf Mittwoch im Bergisch Gladbacher Polizeigewahrsam verbrachten, durchsuchten Ermittler in Solingen erneut die Wohnung und Kellerräume des Tatverdächtigen.

Missbrauch verstärkt im Visier der Polizei

„Wer aufklärt, der gräbt, und dann wird es auch immer wieder neue schlechte Nachrichten geben“, hat NRW-Innenminister Herbert Reul, (CDU) aus Leichlingen jüngst gesagt. Nach den Missbrauchsfällen auf einem Campingplatz in Lügde hatte er 2019 die Ermittlungskapazitäten bei Kinderpornografie und Missbrauch verdoppelt, die Ermittlungsarbeit teils neu organisiert und neue Kapazitäten geschaffen wie die neu In Polizeidienst gestellten Datenträgerspürhunde. Dass in den vergangenen Monaten nach den von Bergisch Gladbach ausgehenden Ermittlungen zu einem bundesweiten Pädophilen-Netz jetzt auch in Münster schwere Fälle von Kindesmissbrauch ans Licht kamen, wertete Reul auch als Erfolg der neuen Strategie.

Auch einer der Datenträgerspürhunde, die von der Polizei NRW nach den Missbrauchsfällen auf dem Campingplatz von Lügde in Dienst gestellt worden waren, kam bei der Hausdurchsuchung zum Einsatz. Dabei stellten die Ermittler erneut mehrere Datenträger wie Laptops, Tablets, Handys und Festplatten sicher.

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Wie bereits bei der Durchsuchung des Hauses des 42-jährigen Bergisch Gladbachers, bei dem die Polizei im vergangenen Oktober die ersten Hinweise auf ein bundesweites Chat- und Kindesmissbrauchsnetzwerk fand, dürfte auch die Auswertung des nun bei dem 38-jährigen Solingers sichergestellten Materials Wochen, wenn nicht gar Monate dauern.