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51-Jähriger vor GerichtKürtener soll Gemeinde um 130.000 Euro erleichtert haben

Lesezeit 3 Minuten
Prozess Symbolbild dpa

Im Gericht (Symbolbild)

Bergisch Gladbach/Kürten – Genau 129.434,32 Euro soll ein 51-jähriger Bürger einer früheren Sowjet-Republik dadurch von der Gemeinde Kürten ergaunert haben, dass er jede Menge falsche Angaben über seinen Asylbewerberstatus und den seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder machte. Jetzt stand der Mann wegen Betruges in Bensberg vor dem Strafrichter. Der vertagte das Verfahren erst einmal, ließ in der Verhandlung aber durchblicken, dass er die Anklagevorwürfe für sehr plausibel hält, die Einlassungen des Angeklagten dagegen nicht.

„Ich habe nicht zu urteilen, ob Sie in Ihrer Heimat verfolgt wurden, sondern ob Sie hier einen Betrug begangen haben“, klärte Strafrichter Ertan Güven den elegant, wie ein Geschäftsmann mit Anzug bekleideten Angeklagten Tigran K. (Name geändert) darüber auf, worum es in dem Strafverfahren in Bensberg geht. Nicht um Protest und Verfolgung in Vorderasien, wie der Angeklagte unter anderem anhand eines Zeitungsartikels, den er bei sich trug, belegen wollte.

Kinder sind Bürger Tschechiens

Sondern darum, dass Tigran K. für sich, die Ehefrau und die beiden Kinder Geld nach dem Asylberwerberleistungsgesetz beantragt hatte und zwischen Juli 2015 und Oktober 2020 monatlich auch Beträge von bis zu 2800 Euro von der Gemeinde ausgezahlt bekam.

Das Problem dabei: Die Frau, für die er das Geld bekam, war gar nicht seine Frau und die Kinder nicht seine Kinder. Überdies besitzen die beiden Kinder die tschechische Staatsbürgerschaft, weil sie in dem EU-Nachbarstaat geboren wurden, und ihre Mutter hat ein dauerhaftes Bleiberecht in der Tschechischen Republik.

In Tschechien sicher vor Verfolgung

Als tschechische Staatsbürger beziehungsweise mit Bleiberecht sind die drei aber vor einer Verfolgung im Land ihrer Ahnen in der früheren Sowjetunion sicher. Sie müssen dementsprechend zu ihrem Schutz in Deutschland keinen Asylantrag stellen und dürfen folglich auch kein Geld nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entgegennehmen.

Das Ganze flog auf, als die Ausländerbehörde des Rheinisch-Bergischen Kreises die Daten in anderer Sache überprüfte und die Sachbearbeiter der Kreisbehörde und der Gemeindeverwaltung im Anschluss über den Fall telefonierten, wie eine Beamtin aus dem Kürtener Rathaus am Dienstag im Verfahren als Zeugin berichtete.

Rathaus-Beamtin aus Urlaub zurückgeholt

Die Beamtin, die für den Strafprozess eigens aus dem Urlaub zurückgeholt worden war, was sie aber stoisch hinnahm („Ist schon in Ordnung“) gab zudem an, dass sich laut Ausländerbehörde auch im Pass von Tigran K., der die Anträge alle eingereicht hatte, ein Duldungsvermerk der tschechischen Behörden befinde. Zu keinem Zeitpunkt habe Tigran K. seine Angaben korrigiert, obwohl er dazu häufig Gelegenheit gehabt habe und auch immer wieder auf seine Mitwirkungspflichten hingewiesen worden sei.

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Dass es am ersten Verhandlungstag gleichwohl noch kein Urteil gab, lag im Wesentlichen daran, dass wegen der Geldzahlungen der Gemeinde an den Antragsteller noch ein Rechtsstreit vor dem Kölner Sozialgericht anhängig ist. Vor dem Fachgericht, so argumentierte der Verteidiger, könnte herauskommen, dass der Angeklagte die Leistungen doch zurecht erhalten habe.

Strafrichter Güven will nun zunächst das Urteil der Sozialrichterin abwarten und dann den Fall neu verhandeln. Zumindest für die drei falschen Familienangehörigen habe es aber eindeutig falsche Angaben gegeben.