Dr. Erik Werdel über die Hintergründe seines Abschieds als Kreisdirektor, Höhen und Tiefen seiner Amtszeit und Wünsche für den Kreis.
Rhein-Bergs Ex-Kreisdirektor im Interview„Es tut weh, dass es so ein Ende gab“
An diesem Donnerstag (20.6.) wird Dr. Erik Werdel offiziell als Kreisdirektor des Rheinisch-Bergischen Kreises im Kreistag verabschiedet – nach 16 Jahren als zweiter Mann in der Kreisverwaltung. Seit 1. Juni ist Werdel nun Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Köln. Über die Hintergründe seines Abschieds, Höhen und Tiefen seiner Amtszeit und seine Wünsche für den Kreis hat Guido Wagner mit dem 54-jährigen Familienvater aus Overath gesprochen.
Gehen Sie nach dem politischen Hin und Her der vergangenen Monate, in denen CDU und Grüne erst Ihren Posten abschaffen, dann nach massivem Widerstand Sie erneut zum Kreisdirektor wählen wollten, eher mit einem lachenden denn mit einem weinenden Auge?
Werdel: Die 14 Tage vor dem Wechsel sind mir wirklich nahe gegangen. Da sind einige Tränen geflossen: bei jedem Abschied von Menschen, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe. Ganz am letzten Tag dann auch von Frau Virnich in meinem Vorzimmer, mit der ich ja seit dem ersten Tag im Kreishaus zusammengearbeitet habe.
Alles zum Thema Corona
- „Dringender Handlungsbedarf“ Wieso Kinder und Jugendliche psychisch immer stärker belastet sind
- Traktoren geschmückt Lichterfahrt mit Disney-Anklang zieht durch Elsdorf
- Betrugsfälle länger nachweisen Unterlagen zu Corona-Tests müssen bis 2028 aufbewahrt werden
- Corona, Grippe, RSV Wie sinnvoll sind Kombi-Selbsttests, um Infektionen zu erkennen?
- Nach fünf Jahren „Covid ist immer noch keine normale Erkältung“ – Müssen wir uns Sorgen machen?
- Kongress in Köln Weltweite Messe-Branche feiert Comeback
- Corona-Shitstorm RTL-Star nutzte Hasswelle, um Millionengeschäfte zu machen
Überlagern die politischen Auseinandersetzungen um Ihr Amt und nicht zuletzt auch die Auseinandersetzung mit Landrat Stephan Santelmann in der Corona-Krise die sicher auch existierenden guten Erinnerungen an Ihre Amtszeit als Kreisdirektor?
Doch, es überlagert sich schon. Ganz viele sagen einfach: Das hätte doch nicht so kommen müssen. Ich nehme viele gute Erinnerungen mit, und trotzdem tut es doch weh, dass es jetzt so ein Ende gab.
Sie haben sich bei der Handwerkskammer zu einem Zeitpunkt beworben, als CDU und Grüne noch fest entschlossen waren, Ihren Posten abzuschaffen?
Ja, und zwar erst sehr spät, ich hatte wirklich lange gewartet und gehofft. Mit einer 180-Grad-Wende dann in der Kreistagssitzung im Dezember hatte ich noch kurz vor Beginn der Sitzung wirklich nicht gerechnet. Die Zusage der Handwerkskammer kam dann zu einem Zeitpunkt, als sich vieles geändert hatte . . .
. . . aber manches auch nicht.
Ja, die Politik hat vielfach einfach nicht mitbekommen, was in der Kreisverwaltung los war. Das hat sich ja auch in der Corona-Krise und der Auseinandersetzung über das Krisenmanagement deutlich gezeigt. Da hat sicher auch die andere Führungsweise zu beigetragen, die seit dem Amtsantritt von Stephan Santelmann als Landrat ins Kreishaus eingezogen ist.
Sie waren Kreisdirektor unter drei ganz unterschiedlichen Landräten. Wie würden Sie die drei beschreiben?
Rolf Menzel war geradeaus, bestimmt, niemand, der die Politik hofiert hat. Hermann-Josef Tebroke ist hochintelligent, fachlich herausragend – und er ist immer Mensch geblieben. Stephan Santelmann ist in jedem Fall sehr engagiert, vor allem politisch. Er hat ja auch Politikwissenschaften studiert. Oft ist er auch von einer gewissen Rastlosigkeit geprägt.
Und trotzdem fällt der Abschied schwer?
Ja, weil die Arbeit einfach schön ist. Mir hat es immer sehr viel Freude bereitet, in dieser Kreisverwaltung zu arbeiten, auch die Zusammenarbeit mit der Politik und mit Vertretern anderer Institutionen, ob das nun Marcus Otto von der Kreishandwerkerschaft war, Mick Schulte vom Jobcenter, Volker Suermann von der Rheinisch-Bergischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft, Gabi Wilhelm von der Tourismusgesellschaft „Das Bergische“. Es waren ganz viele Institutionen, die in der Sache zusammengearbeitet haben – ohne Sandkastenspielchen. Dieses Netzwerk in Rhein-Berg ist schon außergewöhnlich.
Was waren dabei die größten gemeinsamen Erfolge?
Oh, das waren einige. Nur als Beispiel das Übergangsmanagement Schule – Beruf mit der Agentur für Arbeit, der Kreishandwerkerschaft, dem Jobcenter, den Schulräten Herbert Schiffmann oder Uschi Resch – einfach sensationell. Oder auch der Tourismus. Wenn man sieht, wie wir hier angefangen haben: Da war das Bergische Land touristisch eine ziemliche Diaspora – und wenn man dann sieht, was heute daraus geworden ist: Jetzt haben wir gerade das Strategiekonzept „Berg.Konzept 3.0“ verabschiedet, das letzte Woche vorgestellt worden ist, das ist so etwas wie mein Vermächtnis, ich bin froh, dass ich das noch mit auf den Weg bringen durfte.
„Vermächtnis“ hört sich danach an, als würde da eine Sorge mitschwingen?
Natürlich habe ich die Sorge, wo es mit dem Tourismus hingeht. Wo wird das Thema angesiedelt? Oft wird leider auch in der rheinisch-bergischen Politik zu wenig gesehen, welcher Wirtschaftsfaktor das ist – und dass touristische Angebote ja auch einen großen Mehrwert für die eigenen Bewohnerinnen und Bewohner bedeuten.
Haben Sie auch Sorge, Mitarbeitende im Stich zu lassen, die sich ja gerade auch in der Auseinandersetzung mit Landrat Stephan Santelmann demonstrativ und lautstark hinter Sie gestellt haben?
Das war eine wirklich unglaubliche Erfahrung, ein großes Zeichen und ein Rückhalt, wie es ihn so vielleicht noch nie vorher auch öffentlich gegeben hat. Und trotzdem habe ich versucht, auch in der Personalversammlung zu erklären, dass es schwer wird, sich für Mitarbeitende einzusetzen, wenn man selbst den Rückhalt in der Politik nicht mehr hat. Und das hat sich ja im Dezember deutlich gezeigt.
Über die Person Ihres Nachfolgers gab es in der Politik ja schon wieder Diskussionen, die bis zum angekündigten „Nein“ der SPD für die Wahl an diesem Donnerstag gehen.
Was meine Nachfolge angeht, da bin ich nicht einbezogen worden und kann mich daher auch nicht dazu äußern.
Als Sie 2008 erstmals zum Kreisdirektor gewählt wurden, hatte sich die Politik gerade mehrheitlich dazu entschieden, einen Kreisdirektor von außen zu wählen und nicht den damaligen Kämmerer Udo Wasserfuhr zum Allgemeinen Vertreter des Landrats zu machen. Eine ganz andere Situation?
Ja und nein. Einerseits argumentierte damals ja die CDU . . .
. . . also Ihre Partei?
Ja, die Partei, in der auch ich bin. Einerseits argumentierte die CDU damals gerade inhaltlich für einen auf acht Jahre zu wählenden Kreisdirektor als „Langstreckenläufer“. Das, was CDU und Grüne im vergangenen Jahr kurzzeitig genau andersherum wollten.
Und andererseits?
Andererseits hat die Vorgeschichte mein Verhältnis zu Kreiskämmerer Udo Wasserfuhr, dem ja auch einiges versprochen und dann nicht gehalten worden war, nicht nachhaltig belastet – und das obwohl damals viele Führungskräfte in der Kreisverwaltung sauer waren, dass die Politik unbedingt an der Ausschreibung einer Kreisdirektorenstelle festhielt, auf die ich mich dann beworben habe. Im Endeffekt haben auch Udo Wasserfuhr und ich gut zusammengearbeitet und bis heute ein gutes Verhältnis. Aber natürlich musste ich mir in der Kreisverwaltung erst Vertrauen erarbeiten.
Weil Sie von außen kamen?
Nicht unbedingt. Ich musste mir das Vertrauen erarbeiten, dass ich das Amt des Kreisdirektors nicht als Sprungbrett wollte, um woanders hinzukommen, wie das vielleicht vorher mal der Fall gewesen war.
Wie haben Sie sich dieses Vertrauen dann erarbeitet?
Indem ich mich nicht verstellt habe und authentisch geblieben bin. Das Thema Gerechtigkeit war mir wichtig, und dass es keine Erbhöfe gab. Das hat man mir auch abgenommen und gespürt, dass ich es ernst meine. Auch das Verhältnis zur Politik war bis 2016 immer sehr offen und harmonisch.
Aus Trier kam Dr. Erik Werdel eins ins Rheinland und nach Rhein-Berg
Sie haben auch mit Ihrer Kompetenz überzeugt . . .
Natürlich hat man auch gemerkt, dass ich quasi mit Bebauungsplänen aufgewachsen bin. Mein Vater war ja selbst über 30 Jahre Kreisdirektor in Trier gewesen, er war auch Jurist, Sohn einer Landwirtsfamilie, immer auf dem Boden geblieben, mit einer großen Strahlkraft, aber völlig unprätentiös. Das hat mich auch geprägt.
Von Trier aus sind Sie zunächst zur Stadtverwaltung nach Mettmann gegangen, haben sich dann drei Jahre später auf die Kreisdirektoren-Stelle in Rhein-Berg beworben und sind nach Overath gezogen. Wie kam es dazu?
Dazu hat auch meine Frau beigetragen. Wir waren von Trier zusammen ins Rheinland gegangen und sie hatte damals eine Stelle in Burscheid gefunden – und fand Rhein-Berg noch schöner als das niederbergische Mettmann . . . (lächelt)
Sie sind heute auch fest verwurzelt, Abteilungsleiter Fußball im Sportverein Ihres Wahlheimatortes Overath-Heiligenhaus, auch privat ein engagierter Wanderer im Bergischen Wanderland . . .
Das werde ich auch bleiben. Wir fühlen uns hier auch mit unserem mittlerweile 13-jährigen Sohn sehr wohl.
Was werden Sie am meisten von Ihrer bisherigen Arbeit vermissen?
Die Menschen: die Mitarbeitenden und die Kooperationspartner aus den verschiedenen Netzwerken. Dabei bin ich sehr froh, dass ich das eine oder andere ein bisschen ja nun von einer anderen Seite, vom Handwerk aus, weiter begleiten darf. Insofern schaue ich jetzt vor allem nach vorne.
Was wünschen Sie dem Rheinisch-Bergischen Kreis für die Zukunft?
Dass er zur Ruhe kommen kann, die Kreisverwaltung wieder die Kraft entfalten kann, die sie mal hatte – für die Städte und Gemeinden und die Bürgerinnen und Bürger, die in ihnen wohnen. Denn leider haben die Ereignisse der letzten Monate und Jahre seit der Corona-Krise dazu geführt, dass die Reputation des Rheinisch-Bergischen Kreises stark gelitten hat. Ich wünsche dem Kreis wirklich, dass das wieder besser wird.