Rösrath – Mit ernster Miene verfolgt der spanische Fahrer aus sicherer Entfernung das, was mit seinem Tanklastzug neben der zu diesem Zeitpunkt schon seit mehr als zwölf Stunden gesperrten Autobahn 3 passiert. Eigentlich sollten sich im Tank 24 Tonnen 30-prozentige Salzsäure befinden, wie der Leiter der Feuerwehr Köln, Dr. Christian Miller, sagt. Aber wenn es nur das wäre . . .
Irgendein anderer Stoff muss noch im Spiel sein. Die Mischung sei so aggressiv, dass beim ersten Versuch, den Inhalt des Tanklastzugs in ein Spezialfahrzeug der Feuerwehr umzupumpen, eine Pumpe und die Tankanlage des Feuerwehrfahrzeug so stark verätzt wurden, dass es sich vermutlich um Totalschaden handelt.
Feuerwehrleute in Spezialschutzanzügen inspizieren das Leck im Tank des Lkw, das immer größer wird und durch das nun schon mehrere Liter pro Minute des hochgefährlichen Inhalts fließen.
„Wir gehen derzeit davon aus, dass es sich um eine Mischung aus Salzsäure und Hypochlorit handelt“, sagt Feuerwehrchef Miller am Freitagmittag.
Dabei hat der spanische Fahrer des Gefahrguttransporters am Donnerstag nach einer Odyssee durch halb Europa noch Schlimmeres verhindert. Nach Informationen dieser Zeitung hatte er mit seiner Fracht von Spanien aus zunächst ein Entsorgungsunternehmen in Hamburg angesteuert, hatte dort seine Fracht aber nicht loswerden können und war daraufhin weiter Richtung Baden-Württemberg zu einem anderen Entsorger gefahren.
Feuerwehr: „Er hat geistesgegenwärtig gehandelt“
Um kurz vor 20 Uhr hatte er auf der A3 Köln passiert und an der Raststätte Königsforst-West unweit von Rösrath eigentlich nur eine Rast machen wollen – als er bemerkte, dass es aus dem Tank seines Lastzugs tropfte.
„Er hat geistesgegenwärtig gehandelt und eine Auffangmulde darunter gestellt“, sagt Ulrich Laschet, Sprecher der Feuerwehr Köln. Der Fahrer war es wohl auch, der einen Notruf veranlasste, auch wenn er selbst weder Deutsch noch Englisch, sondern ausschließlich Spanisch spricht. Die Autobahnpolizei sperrt die A3 in Höhe der Raststätte in beide Richtungen, später werden die auf der Autobahn stehenden Fahrzeuge über den zweiten Überholstreifen an der Gefahrgutstelle vorbeigeleitet. Dann ist die Bahn leer.
Eine erneute Öffnung der A3 in Richtung Köln nehmen die Verantwortlichen umgehend wieder zurück, als sie bemerken, dass der Tanklaster-Inhalt offenbar noch viel gefährlicher ist, als sie bis dahin angenommen hatten.
Feuerwehr versucht in Spanien, Informationen zum Gefahrgut zu bekommen
Nachdem das Feuerwehrtankfahrzeug, in das umgepumpt worden war, ebenfalls havariert ist, ordert Einsatzleiter Dr. Volker Ruster ein noch stärkeres Spezialfahrzeug. Parallel versuchen die Gefahrgutexperten, Kontakt mit der spanischen Firma aufzunehmen, um zu klären, mit was die Salzsäure verunreinigt gewesen sein könnte, was gegebenenfalls vorher im Tanklastzug transportiert worden ist.
Am frühen Morgen wird die A3-Sperrung auf den Abschnitt zwischen Heumarer Dreieck und Kreuz Bonn/Siegburg ausgeweitet. In beide Richtungen. Auf den parallel verlaufenden Straße bricht der Verkehr zusammen. Im Rheinisch-Bergischen Kreis wird per Warn-App die Rösrather Bevölkerung aufgerufen, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Messfahrzeuge stellen zunächst allerdings glücklicherweise keine gefährlichen Werte in der Luft fest.
Vor Ort bindet die Feuerwehr den austretenden ätzenden weißen Dampf mit Wasser, das aufgefangen wird. Wasser wird zwischenzeitlich durch quer über die gesperrte Autobahn verlegte Feuerwehrschläuche aus dem Gewerbegebiet am Rösrather Nußbaumweg herangeschafft.
Feuerwehr pumpt im zweiten Anlauf vorsichtshalber nur langsam um
Um zu verhindern, dass bei einem erneuten Bersten von Dichtungen oder Leitungen durch die aggressive Gefahrgutmischung plötzlich größere Mengen davon austreten, pumpen die Feuerwehrleute den Inhalt des havarierten Lastzugs nur noch sehr langsam um, wie Feuerwehrsprecher Laschet erläutert.
Wie lange der Einsatz an der A3 noch dauert, ist auch am Freitagnachmittag nicht abzusehen. Einsatzleiter Ruster: „Darüber wird es wohl dunkel werden.“