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„Jedes dritte“ Tier einschläfernTierheim-Leiterin spricht über respektlosen Umgang mit Haustieren

Lesezeit 4 Minuten
Eine weiße Katze mit einem schwarzen Fleck auf der Stirn sitzt in einem Katzenbaum und schaut in die Kamera.

Die Katze Grufti wurde auf einem Friedhof ausgesetzt und im Bergheimer Tierheim aufgenommen.

Ausgesetzte Tiere und Verantwortungslosigkeit: Die Tierheime in der Region sind am Limit. Bergheims Tierheim-Leiterin spricht über dramatische Zustände.

Ein Vogel in einem Pappkarton mit der Aufschrift „Bitte rette mich!“, ein Kaninchen, das beim Tierarzt zurückgelassen wird, ein Igel, der sich in einem Netz verfangen hat, eine Katze, die auf dem Friedhof ausgesetzt wurde. Zahlreiche Hilferufe erreichen täglich die Tierheime der Region. Das Bergheimer Tierheim ist da keine Ausnahme.


Hinweis: Im unteren Teil des Textes werden Situationen geschildert, in denen Tiere zu Tode kamen. Die Szenen könnten für einige Lesende belastend sein.


Die Probleme sind nicht neu. Nach wie vor haben die Tierheime mit Überfüllung und Personalmangel zu kämpfen – ein Umstand, auf den sie seit Jahren aufmerksam machen.

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Oft werden jetzt Tiere abgegeben, die während der Pandemie angeschafft wurden

Vor dieser Situation hätten viele Tierheime schon lange gewarnt, sagt Heike Bergmann, Leiterin des Tierheims in Bergheim. „Es ist egal, wo Sie anrufen, alle sind voll“, sagt Bergmann. „Gestern haben wir einen Anruf mit einer Aufnahmeanfrage aus Bayern erhalten. Da sehen Sie, wie groß die Verzweiflung ist.“ Warum auch immer die Menschen ihr Tier abgeben wollten – ob unerwarteter Aufwand, zu viel Pflegebedarf, oder aus anderen Gründen – sei mal beiseitegeschoben, so die Tierschützerin. „Fakt ist, das sind oft alles so zwei- bis dreijährige Hunde und Katzen aus der Corona-Zeit. Jetzt merken die Leute, dass sie die Tierpflege so intensiv doch nicht wollen oder leisten können.“

Das Problem reicht aber noch viel tiefer. Nicht nur haben sich möglicherweise einige Menschen mit der Verantwortung für ein Tier schlicht übernommen, als es während der Corona-Pandemie noch leichter war, die Zeit zu finden. Auch macht sich die Inflation beim Unterhalt inzwischen deutlich bemerkbar. Das betrachtet das Tierheim Bergheim ebenfalls schon länger mit Sorge.

Viele Menschen können eine Behandlung für ihr krankes Tier nicht leisten

Die Energiepreise sind gestiegen, auch die Kosten für das Tierfutter und im vergangenen Herbst wurde der tierärztliche Gebührensatz erhöht. „Das hat alles seine Berechtigung, aber viele Leute können so die Kosten nicht mehr zahlen“, sagt Heike Bergmann. Und das trifft vor allem kranke Tiere.

Regelmäßig erhalte das Bergheimer Tierheim Anfragen aus Kliniken, wenn Besitzer die Behandlungskosten ihres kranken Tieres nicht zahlen können und es aber auch nicht mehr mitnehmen wollen. „Dann werden wir gefragt, ob wir die Kosten übernehmen“, sagt Heike Bergmann.

Sind die Behandlungskosten zu hoch, sollen die Tiere eingeschläfert werden

„Wir haben zum Beispiel die 1400 Euro für die Behandlung einer Katze übernommen, die eine vergiftete Maus gefressen hatte, oder eine Katze behandeln lassen, die in Kerpen durch einen Autounfall verletzt wurde.“ Das Problem sei, dass inzwischen „jedes dritte Gespräch“ darauf hinauslaufe, Tiere einschläfern zu lassen, wenn die Besitzer sie nicht behandeln lassen könnten, und sie auch nicht wieder mitnehmen wollten. „Dann ist es an der Klinik, zu entscheiden, ob sie einschläfern. Weigern sie sich, gehen die Tiere oft an die Tierheime“, berichtet Heike Bergmann.

„Daran muss sich etwas ändern. So geht es nicht weiter. Das geht nur zulasten der Tiere.“ Heike Bergmanns Empörung kommt nicht von ungefähr. Denn sie erlebt täglich, was passiert, wenn sich die Zustände nicht bessern. Oft scheint für Besitzer der letzte Ausweg zu sein, die Tiere auszusetzen. Nicht einmal im Tierheim abzugeben, sondern einfach auszusetzen. Sie werden teilweise unter unmöglichen Bedingungen allein gelassen. Das ist für die Hunde, Katzen und Kleintiere mitunter lebensgefährlich.

Mitarbeitende fanden eine Katze stranguliert an der Tierheim-Mauer

Im Frühjahr hat das Tierheim Bergheim eine kleine Maus („Jolly Joker“) aufgenommen, die in einem Honigglas in einem Treppenhaus abgestellt worden war. „Das ist doch eine ganz unfaire Sache“, beschreibt es Bergmann.„ Jeder, der da vorbeiläuft, denkt bei einem Honigglas doch nicht daran, dass ein Tier da drin sein könnte. Im schlimmsten Fall wird das Glas einfach weggeschmissen.“

Auch andere schlimme Fälle hat sie schon erlebt. Zwei sind ihr vor allem aus ihrer Zeit im Tierheim Köln-Dellbrück in Erinnerung geblieben. „Das Tierheim in Köln hat eine Mauer, und darauf ist ein Gitter befestigt. Jemand hatte eine Katze an einer Leine an das Gitter auf der Mauer gebunden und dort gelassen. Die Katze ist jedoch von der Mauer gesprungen. Wir haben sie morgens dort stranguliert aufgefunden.“

Es ist unverschämt und respektlos, ein Tier einfach so auszusetzen.
Heike Bergmann, Leiterin Tierheim Bergheim.

Ein anderes Mal seien Kaninchen in einem klassischen Kleintierkäfig in der Nähe des Tierheims abgestellt worden. Bevor sie gefunden wurden, gab es jedoch einen heftigen Starkregen und die Kaninchen seien in der Schale des Käfigs ertrunken.

„Es ist unverschämt und respektlos, ein Tier einfach so auszusetzen. Das Mindeste sollte es doch sein, dass ich mich darum kümmere, dass es gut für das Tier weitergeht, wenn ich mich von ihm trenne.“ Wenn man ein Tier aufnehme, übernehme man Verantwortung für ein lebendes Wesen. Da sollte man sich sehr sicher sein, ob man das will und ob man das leisten kann. „Man geht den Weg mit dem Tier. Der kann aber eben durch Krankheit und Verhalten auch mal holprig sein, wie jede Beziehung.“