Bergheim-Niederaußem – Das Bestreben, aus schlechten Stoffen gute zu machen, hatten Alchemisten schon in der Spätantike. Am Kraftwerk Niederaußem ist nun eine Versuchsanlage in Betrieb genommen worden, die zwar kein Blei in Gold verwandeln kann, aber immerhin den Phosphor aus Klärschlamm gewinnen soll. RWE, das Fraunhofer-Institut Umsicht und die Ruhr-Uni Bochum sind Partner in dem Projekt mit dem Namen Multi Fuel Conversion.
RWE verbrennt schon jetzt jährlich rund 900.000 Tonnen Klärschlamm aus Kläranlagen in seinen Veredlungsbetrieben mit – rund die Hälfte des Aufkommens aus ganz Nordrhein-Westfalen. Nun aber soll es darum gehen, die Rohstoffe aus den Schlämmen wiederzuverwenden. Das Verfahren ist nicht neu, wohl aber der Versuch, den Phosphor möglichst rein abzuscheiden. Phosphor ist als Rohstoff etwa für die Herstellung von Kunstdünger unverzichtbar. Und: Ab 2029 ist das Recycling von Phosphor ohnehin gesetzlich vorgeschrieben.
Kraftwerk Niederaußem: Vorhaben wird bis Ende 2022 vom Land gefördert
„Wir haben hier die Chance, eine Versuchsanlage unter realen Bedingungen und im Dauerbetrieb an eine Großanlage anzukoppeln“, sagt Tilman Bechthold, Leiter Forschung und Entwicklung bei RWE Power.
Bis Ende 2022 wird das Vorhaben noch vom Land gefördert: Das NRW-Wirtschaftsministerium übernimmt die Hälfte der Kosten von insgesamt 6,7 Millionen Euro. „Das Vorhaben in Niederaußem hat großes Potenzial, die Kreislaufwirtschaft in unserem Land weiter voranzubringen“, sagte Staatssekretär Christoph Dammermann bei der Inbetriebnahme der Anlage auf dem Kraftwerksgelände.
Die Anlage soll nicht nur Phosphor aus dem Klärschlamm gewinnen, sondern auch Synthesegas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das als Rohstoff in der chemischen Industrie zum Einsatz kommen kann. „RWE Power hat viel Erfahrung mit Techniken zur Umwandlung fester Brennstoffe zu gasförmigen Stoffgemischen, die sich hervorragend für die Produktion von Chemiegrundstoffen eignen“, sagte RWE-Vorstand Lars Kulik.
Staatssekretär Dammermann: „Alles andere wäre innovationsfeindlich“
Bei dem Verfahren wird der Klärschlamm zwar einer Temperatur von rund 1500 Grad Celsius ausgesetzt, aber nicht vollständig verbrannt, weil er dafür zu wenig Sauerstoff bekommt. Aus dem Rauchgas soll dann der Phosphor gewonnen werden.
Mit Blick auf das vorzeitige Aus für das Wärmespeicherkraftwerk sagte Dammermann, dass geförderte Vorhaben auch scheitern dürften. „Alles andere wäre innovationsfeindlich.“ Eine Machbarkeitsstudie zum Einsatz von Wärmespeichern an Kraftwerksstandorten des Rheinischen Reviers war vorzeitig beendet worden, weil das Projekt als nicht wirtschaftlich eingestuft wurde. Für das sogenannte Store-to-power-Projekt waren bis zur Einstellung rund 1,6 Millionen Euro geflossen.