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Breitere Wege und MarkierungenSo soll die Radinfrastruktur in Brühl verbessert werden

Lesezeit 6 Minuten

Wie hier am Rodderweg ist der Platz für Radfahrer an einigen Straßen in Brühl äußerst knapp bemessen.

  1. Die Radwege in Brühl sind in die Jahre gekommen und müssen dringend erneuert werden.
  2. Wo sehen die Verkehrsexperten Handlungsbedarf? Wir stellen die Ideen vor.
  3. Darüber hinaus haben wir den Ortsgruppensprecher des ADFC interviewt und fragen die Parteien, was sie von den Vorschlägen halten.

Brühl – Selbst ein Kompliment kann den Status quo in Frage stellen. Diese Erfahrung machten die Mitglieder des Ausschusses für Verkehr und Mobilität, als die Experten zweier Planungsbüros ihre Vorstellungen von einer neuen Radverkehrsinfrastruktur in Brühl präsentierten.

Brühl sei immer ein Vorreiter gewesen, innovativ und mutig, erklärte Norbert Schläger vom Planerbüro Südstadt aus Köln. Man habe früh Radstreifen eingeführt, das Radeln in der Fußgängerzone und gegen die Fahrtrichtung in Einbahnstraßen erlaubt. Doch inzwischen sei es an der Zeit, bestehende Verkehrswege und Abstellanlagen zu erneuern und über neue Ideen nachzudenken.

50 Zentimeter mehr für Radfahrer

Für die Innenstadt haben sie Vorschläge für Veränderungen gemacht. Die vielerorts lediglich einen Meter breiten Schutzstreifen seien nicht mehr zeitgemäß. Ein halber Meter mehr und größerer Abstand zu geparkten Autos, deren Türen beim Öffnen zur Gefahr werden können, sollten es demnach sein. Das ist angesichts teils enger Straßen nicht überall möglich.

Als Beispiel wurde die Bonnstraße angeführt. Eine neue Möglichkeit bestehe darin, dennoch extrabreite, rot markierte Streifen anzulegen. Die Autos dürfen diesen Bereich dann mitnutzen – aber mit erhöhter Aufmerksamkeit. Eine Alternative wäre nach Ansicht der Experten das Aufbringen großer Piktogramme, die Fahrräder darstellen.

Mehr Rücksicht auf Schüler

Walter Braun, Planer des Büros Verkehrskonzept, nannte den Rodderweg als eine Straße, auf der sich etwas verändern müsse. Dort seien täglich viele Schüler mit ihren Fahrrädern unterwegs, auf deren Bedürfnisse man mehr Rücksicht nehmen müsse. Neben breiteren Schutzstreifen sei es denkbar, die Kreuzung mit der Römerstraße anders zu gestalten.

Bislang kommen dort auch Autofahrer kaum voran, weil sie beim Rechtsabbiegen auf geradeaus fahrende Radfahrer warten müssen. Sogenannte Aufstellbereiche für Radler könnten Abhilfe schaffen und für zusätzliche Sicherheit sorgen. Bei Grün würden dann erst die Radfahrer allesamt losfahren, ehe die Autos recht ungehindert starten können. „Das beschleunigt letztlich auch das Abbiegen für die Autofahrer“, sagte Braun.

Brühl darf den Anschluss nicht verlieren

Sein Mitstreiter schlägt zudem zusätzliche 100 Abstellmöglichkeiten und die Modernisierung bestehender vor. „Die Ständer sind uneinheitlich und veraltet“, sagt Schläger. Die Experten rieten außerdem dazu, die bestehenden Routen durch das Stadtgebiet attraktiver zu gestalten und Lücken zu beseitigen. Mit dem Nord-Süd-Weg und der Strecke entlang der Villebahn verfüge Brühl über zwei attraktive Routen, so Braun.

Zu beachten sei auch, dass mit Hürth und Bornheim die Nachbarn im Norden und Süden attraktive Radverbindungen gen Köln beziehungsweise Bonn planten. Wenn Brühl wieder ein innovativer Ort für Radfahrer sein wolle, dürfe dabei nicht der Anschluss verloren werden.

6 Fragen an den Ortsgruppensprecher des ADFC

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Bernd Weber-Aderhold, Ortsgruppensprecher ADFC

Bernd Weber-Aderhold (67) lebt seit 1985 in Brühl und engagiert sich seit Anfang der 90er-Jahre als Sprecher der dortigen Ortsgruppe des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC). Zudem begleitet er als sachkundiger Einwohner die Arbeit im städtischen Verkehrsausschuss. Wolfram Kämpf sprach mit ihm über die Situation in Brühl.

Herr Weber-Aderhold, als Ortsgruppensprecher des ADFC haben Sie einen besonderen Blick auf die Infrastruktur, die Radlern in Brühl zur Verfügung steht. Ist Ihre Heimatstadt in dieser Hinsicht immer noch innovativ und auf aktuellem Stand?

Wir haben in Brühl sicherlich immer noch einen guten Bestand an Radverkehrsanlagen. Doch viele Markierungen, Schutzstreifen und Abstellmöglichkeiten stammen aus den 90er-Jahren und sind in die Jahre gekommen. Heute gibt es neue Richtlinien und Lösungen. Daher begrüßen wir die Erstellung des Rad-Masterplans. Es ist Zeit für neue Ideen und Maßnahmen.

Was müsste kurzfristig geschehen?

Zunächst sollte man sich darum kümmern, die Piktogramme und Markierungen zu erneuern und, wo möglich, die Schutzstreifen zu verbreitern. Wünschenswert wären auch vorgezogene Aufstellflächen an einigen Kreuzungen. Das gilt insbesondere entlang der Landesstraßen wie der Römerstraße. Denn dort verlaufen wichtige Routen von den Wohngebieten zur Innenstadt. Man sollte auch die Pendlerachsen Richtung Köln und Bonn ausbauen und attraktiv gestalten, beispielsweise durch das Ausweisen von Fahrradstraßen.

Wie wichtig ist das Zusammenspiel von Radverkehr und ÖPNV?

Sehr wichtig. Zumal Brühl perfekte Voraussetzungen bietet für Pendler, die auf das Auto verzichten wollen. Für die meisten Einwohner ist eine Bahnstation in weniger drei Kilometer zu erreichen. Daher hat sich auch die Radstation bewährt. Ohnehin braucht es ausreichende Abstellmöglichkeiten an allen Bahnstationen im Stadtgebiet. Fahrradboxen halte ich ebenfalls für sinnvoll.

In München wird seit einigen Tagen ein grüner Pfeil getestet, der ausschließlich für Radler gilt und ein Rechtsabbiegen bei Rotlicht gestattet. Wäre so ein Test auch in Brühl denkbar?

Selbstverständlich sollte man so etwas testen, denn so wird unnötiges Warten vermieden. Die Einmündung der Kaiserstraße in die Kölnstraße wäre eine Ecke, die ich mir dafür vorstellen könnte.

Wie viele Menschen könnte man mit einer optimalen Infrastruktur vom Auto aufs Fahrrad locken?

Es ist schwierig, das exakt vorherzusagen. Doch die Erfahrung zeigt, dass gute Rahmenbedingungen Wirkung erzielen. Auch in Brühl haben wir noch Luft nach oben. Denn die Wege sind zumeist kurz und damit eigentlich prädestiniert dafür, mit dem Rad erledigt zu werden.

Das sagen die Parteien

Wir haben Vertreter der Ratsfraktionen gefragt, welche Wünsche sie den Radfahrer in Brühl gerne erfüllen würden. Hier lesen Sie ihre Antworten:

Johannes Bortlisz-Dickhoff, Fraktionschef der Grünen

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„Ich würde die Radstation erneuern und an den Haltestellen der Linie 18 in Brühl-Mitte und -Süd für deutlich mehr Abstellmöglichkeiten sorgen. Diese müssen sicher und platzsparend sein. Zudem würde ich mir einen konsequenten Ausbau der Radpendler-Routen nach Köln und Bonn wünschen. Diese Strecken müssen kreuzungsarm, gut ausgeschildert und – wo immer möglich – vorfahrtberechtigt sein.“

Jochem Pitz, Fraktionschef der FDP

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„In Brühl kann man gut Fahrrad fahren. Dank des E-Bikes ist es heute noch leichter, sich umweltschonend fortzubewegen. Neben intakten Fahrradwegen muss es aber genügend sichere Abstellplätze geben, denn nichts ist ärgerlicher, als Opfer eines Fahrraddiebstahls zu sein. Die FDP fordert daher an allen Bahnhöfen der Linie 18, am Bahnhof Kierberg und in der Innenstadt Fahrradboxen und mehr Fahrradständer.“

Eckhard Riedel, Fraktionsvorsitzender Linke & Piraten

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„Die Fraktion Linke & Piraten beantragten schon für den Haushalt 2019 100 000 Euro, insbesondere für die Unterhaltung, Instandsetzung und Erneuerung von Fahrbahnmarkierungen. Viele Radwege in Brühl sind in einem schlechten Zustand. Weiterhin möchten wir erreichen, dass alle Verkehrsknotenpunkte – also Brühl-Mitte und die beiden DB-Bahnhöfe – mit Leihrädern ausgestattet werden.“

Peter Kirf, Verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion

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„Autofahrer müssen den Radverkehr als gleichberechtigt anerkennen und Kinder auf sicheren Radwegen, Fahrradstraßen und Schutzstreifen zur Schule kommen. Wir benötigen sichere Fahrrad-Abstellanlagen in der Innenstadt, an Schulen und Sportstätten. Es müssen Radschnellwege nach Köln und Bonn sowie Mobilstationen an den Bahnhöfen entstehen. Wünschenswert sind auch Bikesharing-Angebote.“

Michael Weitz, Fraktionschef der SPD

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„Wünschenswert wäre für Brühl ein elektrisches Lastenrad zur Ausleihe, mit dem man Einkäufe nach Hause bringen kann. Richtig spannend wäre auch ein Modell für Gewerbebetriebe. In anderen Städten kommen der Schornsteinfeger oder die Heizungsmonteurin schon mit dem Lastenrad. Oder auch die Paketlieferung. Warum nicht auch in Brühl? In den Quartieren könnte das den Verkehrsdruck spürbar senken.“