Künstler Jan Kamensky und Filmemacher Thorsten Kleinschmidt zeigen in ihrem Video, was aus dem Brühler Platz ohne Autos werden könnte.
Autofreie UtopieSo könnte der Belvedere-Platz in Brühl in Zukunft aussehen
Die mehrwöchige Sperrung des Belvedere-Parkplatzes während der Aktion „Brühl macht Platz“ zu den Europäischen Mobilitätswochen ist ein viel diskutiertes Thema. Die Stadt Brühl hat das Areal zu einer Veranstaltungsfläche umgebaut. Bis zu 140 Angebote aus den Bereichen Sport, Kultur und Mobilität sind geplant. Die Eröffnungsfeier fand am Freitag, dem 25. August, um 12 Uhr statt.
Befürworter sehen in der Aktion eine Chance, das städtische Umfeld attraktiver zu gestalten und den Blick für die Zukunft zu öffnen. Kritiker befürchten Umsatzeinbußen für den Einzelhandel. Sie weisen auch darauf hin, dass gerade ältere Menschen den relativ kurzen Weg vom Parkplatz zum Einkaufen in der Kölnstraße schätzen. Einige Händler und Gastronomen wollen die Aktion verhindern.
Brühl: Video zeigt einen menschenfreundlichen Belvedere-Platz
Der Künstler Jan Kamensky hat im Rahmen des Projekts „Brühler Zukunftsdialoge“ nun Utopien – mögliche Zukunftsbilder – für den Belvedere und die Kölnstraße entworfen. In den Animationen verwandeln sich verkehrsreiche Orte in menschenfreundliche, offene Plätze voller Grün. Auch für den Barbarossaplatz und die Komödienstraße in Köln hat Kamensky eine solche Utopie schon entworfen.
Hinter dem Projekt steht der geborene Brühler und Filmemacher Thorsten Kleinschmidt: „Brühl ist mir wichtig, weil diese Stadt mein Lebensmittelpunkt ist. Brühl ist eine schöne Stadt, aber auch hier brauchen Menschen eine Perspektive für die Zukunft. Der Dialog darüber muss in der Stadtgesellschaft geführt werden, nicht nur in Ausschüssen oder Fraktionssitzungen.“
Auch der Hamburger Künstler Kamensky begrüßt die Aktion: „Brühl öffnet den Belvedere und macht Platz für Menschen – wie großartig! Damit übernimmt die Stadt Verantwortung und leistet einen Beitrag für den Klimaschutz. Die Gestaltung unserer Straßen und öffentlichen Räume sowie die Art und Weise unserer Mobilität trägt maßgeblich dazu bei, wie wir in Zukunft zusammenleben wollen. Wir haben die Wahl – gehen wir weiter den zerstörerischen Weg oder beginnen wir den Wandel auf heilsame Weise. Das entscheidet sich auch hier in Brühl!“
Kamensky: Animationen sollen Verkehrswende erfahrbar machen
Die Brühler möchte er motivieren: „Die Bürger*innen der Stadt haben hier die Möglichkeit, einen wertvollen Beitrag zu leisten. Meine Animationen sind, wie die Öffnung des Platzes, eine Möglichkeit, die Verkehrswende erfahrbar zu machen. Mit meinen Zukunftsbildern, die ich Utopien nenne, möchte ich den Menschen der Stadt nicht sagen, wie sie ihre Stadt zu gestalten haben. Das können sie schon gut selbst. Es sind keine Entwürfe, Stadtplanung oder Architektur.“
Für den Künstler stehen die Menschen im Mittelpunkt seiner Arbeit. „Vielmehr werden über die hohen Kontraste in der Utopie, dem Parkplatz voller Autos am Belvedere auf der einen Seite, und dem Raum für menschliche Bedürfnisse, wie Platz für soziale Interaktion, Betriebsamkeit, Kreativität, Freizeit, Spiel und natürlich auch Mobilität, auf der anderen Seite, der Blick auf die Gegenwart geschärft. Damit soll Bewusstsein für das erzeugt werden, was ist – wie die Dinge sind. Ich würde mir wünschen, dass Menschen sich dadurch inspiriert fühlen, anders auf unsere Straßen zu blicken und sich daraufhin bewogen fühlen, ihren Beitrag für den Klimaschutz zu leisten. Mögen die Brühler*innen auf dem Belvedere gute Erfahrungen sammeln und ihre Stadt in einen zukunftsfähigen Ort verwandeln.“
Thorsten Kleinschmidt führt aus: „Es gibt aktuell viele große Fragen. Was können wir für mehr Klimaschutz leisten? Wie können wir unsere Demokratie schützen? Wie können wir unser Bildungssystem modernisieren? Wie wollen wir in Zukunft mobil sein? Das sind alles Fragen, die man auch lokal angehen muss.“ Im Nachgang der Aktion „Brühl macht Platz“ möchte er eine Videodokumentation veröffentlichen.
Belvedere-Platz in Brühl: Viele Einsendungen zur Mal-Aktion
Mit dem Projekt initiierte Kleinschmidt unter anderem eine Mal-Aktion für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Die Bilder zeigen, wie sich Brühler und Brühlerinnen den Ort in ihrer Vorstellung selbst ausmalen. Eine Auswahl zeigen wir in unserer Bildergalerie.
Der Belvedere-Platz ist seit dem 21. August gesperrt. Mit der Eröffnungsfeier am 25. August mit Bürgermeister Dieter Freytag beginnen die Europäischen Mobilitätswochen und enden am 23. September.
Bis zum 27. September ist der Platz nicht als Parkplatz erreichbar. Alternative Parkmöglichkeiten finden Sie auf der Website der Stadt Brühl. An den Wochenenden fährt ein kostenloser Shuttledienst vom Ausweichparkplatz am Finanzamt in die Innenstadt zur Kölnstraße 55.
Mit dem Ende der Aktion wird der Bereich wieder für den Autoverkehr freigegeben.
Die Eröffnung der Europäischen Mobilitätswochen
Den Startschuss für die Aktion „Brühl macht Platz“ gab Bürgermeister Dieter Freytag (SPD). Er sagte, der Autoverkehr werde sich erheblich reduzieren, die Aufenthaltsqualität steigen. „Im Programm ist für alle etwas dabei.“ Man solle sich einbringen, Neues entdecken und einfach mal darüber nachdenken, wie es auf Belvedere und Kölnstraße sein könnte.
Simone Holderried, Fraktionschefin der Brühler Grünen, sagte: „Ich freue mich, dass es endlich losgeht. Dieses Projekt muss für jeden erlebbar sein, damit Ideen entstehen.“ Harry Hupp, Ratsherr der Piraten-Partei, erklärt, er sei Freund der Veränderung. „Autofreie Innenstädte funktionieren andernorts. Dem stationären Handel macht vielmehr das Internet zu schaffen.“
Kritik übt hingegen der stellvertretende CDU-Vorsitzende Frank Klein. Er spricht von „Chaostagen in der Innenstadt“. Die rot-grüne Verkehrsideologie setze sich über die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger hinweg und schade dem Handel. Die CDU fordert ein vorzeitiges Ende der Aktion. (wok)
Die Künstler
Thorsten Kleinschmidt ist selbst Brühler und kennt den Belvedere-Platz seit seiner Kindheit nur als Parkplatz – mit trockenem Asphalt, wenig Grün und endlosen Häuserreihen. Er studierte an der Kölner Kunsthochschule für Medien und ist seitdem auch als Filmemacher tätig. Seit 15 Jahren engagiert sich in Brühl, unter anderem für das Zoom-Kino. Er bearbeitet regelmäßig Filmprojekte, zum Beispiel den Stadtfilm „Brühl von oben“ (2017).
Jan Kamensky ist Hamburger Künstler und entwirft Utopien anhand kurzer Animationsfilme. Darin werden verkehrsreiche Knotenpunkte in Städten in menschen- und umweltfreundlichere Orte verwandelt. Jan Kamensky möchte mit seinen Utopien gewohnte Bilder aufbrechen und die Fantasie anregen. Für ihn stehen Themen wie Erholung, soziales Miteinander und Umwelt im Mittelpunkt, nicht ein „Transit“, um „auf dem schnellsten Weg von A nach B zu kommen“. Neben Köln und Brühl hat er Projekte rund um den Globus. Mehr Informationen gibt es auf seiner Website.
In dem Video „Brühl macht Platz: Visuelle Utopien mit Jan Kamensky“ sprachen Künstler und Projektleiter im Vorfeld über die Umgestaltung des Areals.