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Abschied in den RuhestandArztehepaar Halstenberg gibt Dorfpraxis nach 40 Jahren ab

Lesezeit 4 Minuten
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Siegfried und Dorothea Halstenberg gehen nach mehr als 40 Jahren in den Ruhestand.

Elsdorf-Berrendorf – 40 Jahre lang haben sie sich um die großen und kleinen Wehwehchen der Berrendorfer gekümmert, waren Tag und Nacht für die Patienten erreichbar. Jetzt ziehen sich die Mediziner Dorothea und Siegfried Halstenberg aus ihrer Praxis am Fliederweg zurück.

Dorothea Halstenberg (70) ist in Berrendorf geboren und im Haushalt ihrer Eltern, dem Arztehepaar Glinka, aufgewachsen. „Als ich klein war, hatten meine Eltern ein Sprechzimmer, ein Behandlungszimmer und ein Stethoskop“, erinnert sie sich. Für jeden Patienten gab es eine Karteikarte. „Für eine Konsultation wurde ein Strich verzeichnet, für einen Hausbesuch ein Kreuz. Damit wurde bei der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet“, sagt Dorothea Halstenberg, die den Eltern gelegentlich helfen durfte.

1977 eine kleine Praxis eröffnet

Später studierte sie Medizin in Köln und Wien und lernte dabei den Kölner Siegfried Halstenberg (69) kennen. 1977 – beide hatten inzwischen ihre Examina abgelegt und die Assistenzzeit hinter sich – eröffnete die junge Medizinerin eine kleine Praxis an der Giesendorfer Straße, ihr Mann übernahm 1978 die Praxis des Schwiegervaters, und bald legten sie die Praxen zusammen. 1981 bauten die Halstenbergs die heutige Praxis gegenüber dem Privathaus, in dem sich bis dahin die Sprechzimmer befanden.

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„Die Technik hat sich in den 40 Jahren verbessert. Man kann viel mehr für die Patienten tun“, sagt Dorothea Halstenberg. Aber auch die Bürokratie habe arg zugenommen. Zudem seien die Patienten anspruchsvoller geworden und kämen mit leichteren Symptomen als früher in die Praxis. „Aber aufgeklärte Patienten sind mir viel lieber“, sagt sie. Psychosomatische Krankheiten hätten deutlich zugenommen, „wohl durch Druck am Arbeitsplatz“, vermutet sie.

Im Dorf kennt Dorothea Halstenberg viele aus der Schulzeit oder als langjährige Patienten, einige vom ersten Tag an. Und entsprechend oft wird sie angesprochen. „Es gab auch schon eine Frage wegen einer leichten Erkrankung an der Metzgertheke. Da konnte ich eine Schnelldiagnose stellen. So war das Wartezimmer am nächsten Tag leerer“, sieht sie die unkonventionelle Sprechstunde eher gelassen.

Die drei Kinder kamen gelegentlich zu kurz

Problematisch war es gelegentlich im Ärztehaushalt. Nicht allein, dass schwierige Fälle mit in Mittagspause oder Feierabend genommen und diskutiert wurden. „Auch die drei Kinder kamen gelegentlich zu kurz“, räumt die Ärztin ein. Denn beide Mediziner waren für ihre Patienten Tag und Nacht erreichbar und ein 14-Stunden-Tag keine Seltenheit.

Noch mehr Arbeit gab es, als die 17 Jahre alte Berrendorfer Leukämie-Patientin Carina eine Transfusion benötigte. „1400 Blutabnahmen pro Tag zur Typisierung waren normal“, sagt Dorothea Halstenberg. „Leider ohne Erfolg, Carina ist verstorben“, sagt die Hausärztin, die auch zwölf Jahre danach noch einen Kloß im Hals verspürt. Das ganze Dorf habe damals geholfen. Eine Fete auf dem Dorfplatz und eine Tombola, für die auch im Müngersdorfer Stadion Lose verkauft werden durften, waren zur Finanzierung der Kosten organisiert worden.

Etwas geregelter verlief das Leben, als das Notdienstsystem Praxisnetz Erft (PNE) vor zehn Jahren eingeführt wurde, woran Siegfried Halstenberg maßgeblich beteiligt war. Bis ins vergangene Jahr hat er das PNE geleitet. Zudem war er zehn Jahre lang Lehrbeauftragter an der Uni Köln und hat in der Kassenärztlichen Vereinigung und der Ärztekammer 20 Jahre lang Akzente gesetzt. Der Mediziner mit der eigenwilligen Dienstkleidung – schwarzer Anzug, weißes Hemd, breitkrempiger Hut und Einriemenlatschen, („Was anderes habe ich gar nicht“) – hat, wie er sagt, nie einen Arztkittel besessen. „Ich wollte diese formelle Arztkleidung nicht“, sagt er.

Die Praxis ist bereits übergeben

„Unser anstrengender Job geht nur mit innerer Zufriedenheit“, sagt er, „und mit einem tollen Team“. Der Abschied von Mitarbeitern und Patienten sei ein „großer Schritt nach dem langjährigen, auch menschlichen Engagement“. Schon im vergangenen Jahr hat das Arztehepaar die Praxis an Abdullah Khan übergeben und als dessen Angestellte weiter praktiziert. Am Wochenende ist endgültig Schluss. Oder doch nicht ganz. Dorothea Halstenberg will in Rio – dort lebt einer ihrer Söhne – in einer Krankenstation in den Favelas gelegentlich mitarbeiten und lernt gerade Portugiesisch. Ihr Mann will Italienisch lernen, Sterne beobachten, fachlich publizieren und einen Film über russische Künstler, „die ich im Kalten Krieg hier in Berrendorf betreut habe“, fertigstellen. Und er will bei Ärzte ohne Grenzen vorstellig werden, „denn die Medizin als Beruf und Hobby zu haben, ist unser größter Lebenserfolg, ein Tun, das uns sehr viel gegeben hat.“