Erftstadt-Lechenich – Mag Tierhilfe auch noch so professionell organisiert sein, so gibt es Abläufe in der Natur, auf die der Mensch nur wenig Einfluss nehmen kann. So wie beim Nistgehege in einer früheren Trafostation von RWE am Michael-Schiffer-Weg in Lechenich. Der Turm war vor Jahren vom örtlichen Gartenbauverein übernommen worden, der in luftiger Höhe Nistmöglichkeiten mit Einlassluken speziell für Greifvögel angelegt hatte. So hatten sich jüngst auch Schleiereulen den Ort für Brut und Aufzucht ihres Nachwuchses ausgewählt.
„Das Jungtier brauchte Hilfe“
Am Montagmorgen fand eine Lechenicher Familie, die in unmittelbarer Nähe des Turmes wohnt, eine Schleiereule im Gebüsch kauernd in Bodennähe. „Das Jungtier brauchte Hilfe“, berichtet Walter Berger vom Gartenbauverein. Das Tier war geschwächt und hatte sich Verletzungen an einem Flügel zugezogen, eine Kralle war angeschwollen.
Einen Tag später entdeckten die Nachbarn des Turms zwei weitere Jungtiere der Schleiereulenfamilie. Beide hätten einen schwächlichen Eindruck gemacht, berichtet Berger. Weitere Greife hätten sich noch im Nistkasten des Turms befunden.
Die eine Eule habe ebenfalls sehr schwach, das andere Tier hingegen deutlich kräftiger gewirkt. Berger: „Es scheint so, dass die Elterntiere den Nachwuchs nicht mehr versorgt haben, da im Nistkasten der Kadaver eines Jungtiers lag.“
Jungtier wird in Rösrath aufgepeppelt
Das erste Tier wurde inzwischen zur Greifvogelstation nach Refrath im Bergischen Land gebracht, wo es aufgepäppelt wird. Zwei weitere Eulen würden später dorthin gebracht, berichtet Johannes Ismar, ehrenamtlicher Helfer beim Naturschutzbund und der Gesellschaft zur Erhaltung der Eulen. In Kooperation mit der Vogelwarte Helgoland richtet die Gesellschaft Nistplätze ein, kontrolliert die Nutzung und den Vogelbestand und übernimmt das Beringen der Jungtiere.
Ein ähnlicher Fall wie in Lechenich habe sich in Lommersum in der Nachbargemeinde Weilerswist ereignet, berichtet Ismar. Wenn der Eulennachwuchs den Nistplatz verlasse, könne dies ein Zeichen für Hunger sein, erläutert der Vogelexperte. Ein Gelege könne aus fünf bis elf Eiern bestehen. Die Küken schlüpften im Abstand von zwei Tagen. Wer zuletzt komme, sei daher auch der körperlich Schwächste in der Familie, erläutert Ismar
„Während ihrer 60-tägigen Zeit im Nistkasten werden die Tiere mit Tausenden Mäusen gefüttert“, berichtet Johannes Ismar. Reiche jedoch die Nahrung nicht für alle Jungvögel aus, werde der Schwächste gefressen. Der Kannibalismus könne eine durchaus plausible Erklärung für den Fund im Lechenicher Turm sein.
Schleiereulen stehen unter strengem Artenschutz. In Erftstadt gibt es acht ornithologisch erfasste Brutpaare mit einem Nachwuchs von zusammen etwa 40 Küken.