Erftstadt-Blessem – Blessem trägt Gelb. Ob am Balkongeländer, am Fenster im Erdgeschoss, an der Dachluke oder im Vorgarten – die Banner mit der schwarzen Schrift machen klar, was die Bürger wollen: „Keine Kiesgrube mehr in Blessem.“
Anne Bär, die Initiatorin der Aktion, wohnt am Eschenweg. Hier ist die Katastrophe auch nach rund 100 Tagen präsent. Es stinkt nach Heizöl. Man riecht es, wenn man von der Frauenthaler Straße einbiegt. Der Geruch hängt in der Luft, hat sich in den Häusern festgesetzt, kriecht in die Kleidung der Bewohner und der Besucher. Mehrere Häuser sind nicht mehr bewohnbar, sie müssen abgerissen werden, weil die Heizöldämpfe gesundheitsgefährdende Konzentrationen haben.
Anne Bär hat mehr Glück gehabt als einige ihrer Nachbarn, das Haus kann stehen bleiben. Das Erdgeschoss kann sie allerdings noch nicht nutzen. „Wir hatten nur 1400 Liter getankt“, erklärt sie einen der Gründe, warum es ihr Haus nicht so hart traf. Vor allem aber steht es am oberen Ende der Straße, mit jedem Meter abwärts führte die Flutwelle mehr und mehr Heizöl mit sich.
Vom Balkon sieht man zwar nicht die Erft, die liegt etwas tiefer, aber den Erftradweg. Am Geländer hängt der Prototyp des Blessemer Banners, Radler und Spaziergänger können ihn gar nicht übersehen. Genau das ist das Ziel der Bewohnerin. Der erste Entwurf sei kleiner gewesen, erzählt Anne Bär, „den konnte man von der Erft aus nicht sehen“. Jetzt sind die Banner drei Meter breit und 80 Zentimeter hoch, das leuchtende Gelb ist ein Blickfang, die schwarze Schrift schmutzresistent.
„Für mich ist das ein Statement“, sagt die vielseitig engagierte Frau. Sie sei frustriert und wolle ihre Meinung kundtun. Es ist offenkundig nicht nur ihre Meinung. Kaum hing der erste Schriftzug, wollten andere Blessemer auch einen haben. Im Handumdrehen seien die ersten 35 an den Mann oder an die Frau gebracht worden. Von den 20 nachbestellten seien schon 13 abgeholt.
Die Kiesgrube sei nicht der Auslöser der Katastrophe gewesen, aber ein Faktor, der sie begünstigt habe. Die Erft habe durch die Autobahn keinen Platz gehabt, das Hochwasser abfließen zu lassen, von der anderen Seite habe der Mühlenbach gedrängt. Jetzt gehe es darum, die Ängste der Blessemer ernst zu nehmen. „Wir werden im Moment nicht gefragt“, klagt Anne Bär. Sie ist überzeugt: „Es wird nie mehr das Blessem sein, das es einmal war.“
Die Transparente möchte sie gern – in noch größerem Format – an zentralen Stellen in der Stadt oder beispielsweise an der Brücke über die Autobahn aufhängen. Dafür brauche man natürlich die Genehmigung der Behörden. „Wichtig ist, dass wir uns sichtbar und hörbar machen.“ Anne Bär hat sich darauf eingestellt, dass sie und ihre Mitstreiter einen langen Atem brauchen. Entsprechend seien die Transparente, die für jeweils 30 Euro bei ihr zu haben sind, von langlebiger Qualität. „Ich gehe davon aus, dass uns das Thema lange beschäftigt. Vermutlich hängen die Banner noch zwei bis drei Jahre in Blessem.“