Der Rat entscheidet am Donnerstag (10. Oktober) über den rund zwei Millionen Euro teuren Grundstückskauf für eine ZUE. Eine Königsdorfer Initiative protestiert.
Vor EntscheidungDie wichtigsten Antworten zur geplanten Einrichtung für Geflüchtete in Frechen
Die geplante Einrichtung der Zentralen Unterkunftseinrichtung (ZUE) sorgt nicht nur in Königsdorf für eine heftige und emotionale aufgeladene Diskussionen. Worum geht es eigentlich?
Was ist eine ZUE und welche Funktionen hat sie?
Alle in NRW ankommenden Flüchtlinge werden in der Landeserstaufnahmeeinrichtung in Bochum zentral registriert. 2023 waren dies 51 449 Personen. Anschließend werden sie in Erstaufnahmeeinrichtungen verteilt, dort werden sie als Flüchtlinge registiert und medizinisch untersucht. Nach wenigen Wochen kommen sie in eine ZUE. Dort bleiben sie bis zur Verlegung in eine kommunale Unterkunft. In der ZUE sollen die Geflüchteten betreut und beraten werden, die Verweildauer wird mit maximal sechs bis 24 Monaten angegeben.
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Wer ist für die ZUE zuständig?
Die Bezirksregierung Köln ist zuständig für die Errichtung und den Betrieb aller Landesunterkünfte für Geflüchtete im Regierungsbezirk Köln, also auch im Rhein-Erft-Kreis. Von ihr werden die zentralen Aufgaben wie die Aufnahme, die Betreuung und Versorgung der Untergebrachten wahrgenommen. Zudem ist sie verantwortlich für die Standortsuche, die fachliche Begleitung erforderlicher Bau- und Umbaumaßnahmen, die Beauftragung einer Betreuungsorganisation, eines Sicherheitsunternehmens und die Kommunikation mit der Stadt sowie den Bürgern im Umfeld der Einrichtung.
Wieviele ZUEs gibt es bereits im Regierungsbezirk Köln?
Aktuell gibt es derzeit elf Einrichtungen des Landes mit einer Kapazität zwischen 360 und 800 Plätzen. Die erste Einrichtung im Rhein-Erft ist mit 700 Plätzen in Kerpen geplant, sie ist im Aufbau.
Welche Vorteile sieht die Stadt Frechen in der Einrichtung der ZUE in Königsdorf?
Die Stadt führt mehrere Vorteile auf: Anrechung der 300 Plätze 1:1 auf die Aufnahmequote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz NRW, ab dem Moment der Inbetriebnahme der Einrichtung, unabhängig vom jeweiligen Belegungsstand. Keine Schulpflicht der untergebrachten Kinder und Jugendlichen, somit müssen keine zusätzlichen Schulplätze in Frechen zur Verfügung gestellt werden. Die Kinder und Jugendlichen werden durch einen Träger in der Einrichtung schulnah betreut. Umfassender Standard in der Betreuung und Versorgung der Geflüchteten, das Land ist dafür organisatorich wie finanziell zuständig. Der Kostenaufwand für eine Unterkunft in der geplanten Größe läge jährlich im siebenstelligen Bereich. Kein Personal in der Verwaltung wird gebunden und steht für andere Hochbaumaßnahmen zur Verfügung.
Was soll mit dem von der Stadt potenziell für zwei Millionen Euro angekauften Grundstück geschehen?
Auf dem rund 98.000 Quadratmeter großen Grundstück, auf dem zur Zeit als Eigentümer der Gartenbaubetrieb Zirener ansässig ist, sollen zehn Prozent vom Land für die ZUE gepachtet werden. Dies betrifft eine bereits befestigte und voll erschlossene Fläche mit Festbauten im Osten, in Richtung Alte Aachener Straße. Den Rest will die Stadt als Ausgleichsfläche für Bauprojekte wie zum Beispiel die Gesamtschule nutzen.
Das Gebiet soll so sukzessive in Abstimmung mit den Naturschutzbehörden zur Vergrößerung des Königsdorfer Forstes aufgeforstet werden. Noch bis Ende Dezember 2025 sollen Teile des Grundstücks an den aktuellen Eigentümer zur weiteren Nutzung als Baumschule überlassen werden.
Wie soll die ZUE errichtet werden?
Nur im östlichen Teil des Grundstücks soll der Betrieb der ZUE auf rund 9500 Quadratmetern stattfinden. Die vorhandenen Aufbauten sollen vom Land abgebrochen werden. Das Land wird laut der Stadt Frechen die Fläche mit neuen Bauten effizienter im Vergleich zu den Bestandsbauten nutzen.
Welchen Zeitrahmen gibt es?
Sollte der Rat heute die Einrichtung und den Kauf beschließen, sieht die Bezirksregierung den Abschluss des Pachvertrags als „Meilenstein“. Anschließend beginnen die Ausschreibungen für die bauliche Herrichtung/Errichtung der ZUE sowie für die Dienstleister (Betreuungs-, Sicherheits- und Verpflegungsfirmen). Die ZUE könne genutzt werden, sobald die Einrichtung baulich abgenommen wurde, bezugsfertig eingerichtet ist und alle Dienstleister vor Ort ihre Tätigkeit aufgenommen haben, so die Bezirksregierung. Grundsätzlich schätzt sie die Dauer des Prozesses der Planung, Ausschreibung und Umsetzung auf etwa acht bis neun Monate.
Wie sieht die Betreuung der Geflüchteten in der ZUE aus?
Der Betrieb wird durch verschiedene Dienstleister unterstützt, die durch Beschäftigte der Bezirksregierung beaufsichtigt werden. Die Betreuungsdienstleister sind 24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr vor Ort, so die Stadt. Es soll eine soziale Betreuung der Untergebrachten sowie eine Kinder- und Jugendbetreuung stattfinden. Die Dienstleister sollen auch die Sanitätsstation betreiben, die Unterkunft reinigen und ein „Umfeldmanagement“ vornehmen. Dies soll in Kontakt mit den Nachbarn treten und Ansprechpartner bei Problemen sein. Auch der Sicherheitsdienstleister soll rund um die Uhr anwesend sein, die Vollverpflegung und Ausgabe des Essens ist täglich durch einen Verpflegungsdienstleister geplant.
Was fordern die Gegner des Standortes in Königsdorf ?
Hauptanliegen ist ein Mitsprachrecht und die Aufschiebung der Entscheidung über den Grundstückskauf durch die Stadt. Kritisiert wird auch die Kurzfristigkeit. Sie fodern: umfassende Informationen zur geplanten Nutzungsänderung der Baumschule, die Beteiligung und Anhörung der Bürger vor der endgültigen Entscheidung, mehrere Gutachten zu Lärm- und Naturschutz, Machbarkeit und Verkehrsaufkommen und einen zielführenden Dialog mit den betroffenen Bürgern sowie die Aussetzung des Grundstückskaufs bis Klärung aller Punkte und der Bürgerbeteiligung. Ausdrücklich distanzieren sich die Organisatoren der Gruppe von Fremdenfeindlichkeit und Rassismus.
Welche Kritik wird an der Aussage der Bürgermeisterin über die Alternativlosigkeit des Standorts geäußert?
Die Initiative Königsdorf kritisiert scharf die Aussage der Stadtverwaltung und der Bürgermeisterin, dass der Standort an der Alten Aachener Straße alternativlos sei. „Der Stadt sind mindestens zwei infrastrukrurell besser angebundene, voll erschlossene Alternativstandorte angeboten wurden, die jedoch offenbar nicht ernsthaft geprüft wurden“, so die Kritik. Im Frechener Gewerbegebiet an der Bonnstraße gebe es ein geeignetes Grundstück mit Büro- und Hallenflächen. Trotz einer Besichtigung sei es zu keinem konstsruktiven Austausch mit der Verwaltung gekommen. Eine weitere Freifläche von über 4000 Quadratmetern sei ebenfalls angeboten wurden. Die Initiative fordert nun eine transparente Prüfung der Alternativen.
Welche Aktionen haben die Gegner unternommen und geplant?
Unmittelbare Anwohner und weitere Königsdorfer haben sich mehrfach zu öffentlichen und internen Zusammenkünften getroffen. Sie haben über 2600 Unterschriften gesammelt, die eine Delegation heute um 17 Uhr im Rathaus an die Bürgermeisterin übergibt. Zeitgleich findet eine von ihnen angemeldete Demonstration vor dem Rathaus statt, für die zahlreiche Flyer verteilt wurden. Sie sammeln Geld für ihre Aktivtäten und rechtliche Schritten, bislang sind über 6600 Euro gespendet worden. Zudem haben sie einen umfangreichen Fragenkatalog erarbeitet, den die Bürgermeisterin bereits schriftlich beantwortet hat. Ein Großinvestor hat ein die Stadt übertreffendes Angebot abgegeben. Es gibt Bestrebungen, einen Gemeinschaftskauf mit jeweils fünfstelliger Einlage der Mitglieder zu organisieren.
Wie will die Stadt die Öffentlichkeit in Zukunft informieren?
Je nach Ratsbeschluss soll es in Zusammenarbeit mit der Bezirksregierung eine Informationsveranstaltung für die Bürger geben. Zudem will die Stadt auf ihrer Internetseite eine Rubrik mit den häufigsten Fragen einrichten.
Der Stadtsportverband (SSV) erklärt, dass einige seiner Mitgliedervereine seit Mai 2022 mit ihren Angeboten und dem Vereinsleben unter der Nutzung der Gerhard-Berger- und der Willi-Giesen-Halle als städtische Unterbringung von Geflüchteten leiden.
„Die beiden Hallen werden nach Aussage der Stadt auf unabsehbare Zeit als Auffangstation für neu zugewiesene Flüchtlinge gebraucht, dieser Zustand ist aus Sicht des SSV nicht akzeptabel“, so der Vorsitzende Gerd Koslowski. Es sei nicht die Aufgabe des SSV, die jetzt ins Gespräch gebrachte ZUE hinsichtlich der Kriterien „richtig“ oder „falsch“ zu beurteilen. „Wir erwarten aber eine ernsthafte Prüfung durch die verantwortlichen Gremien.“
Alexander Neumann, Vorsitzender des TuS Königsdorf mit rund 2000 Mitgliedern, teilt mit: „Wir haben indirekt durch die Nichtnutzung der Halle schon einen großen Beitrag geleistet. Doch die Geduld ist aufgebraucht, das Vereinsleben leidet merklich. Unsere Ehrenamtler und Betreuer sind frustriert.“
Der TuS könne auch in Zukunft durch Angebote für Geflüchtete dafür sorgen, dass ein friedliches Miteinander im Ort gelingen kann, auch wenn eine vertiefte Integration in der Erstaufnahmeeinrichtung nicht erreichbar sei.