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Angst vor der nächsten FlutGymnicher sehen Erft-Renaturierung kritisch

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Ein Teil des Klimawaldes an der Gymnicher Mühle muss gerodet werden.

Erftstadt-Gymnich – Die Renaturierung beginnt mit dem Einsatz der Motorsäge. Der Erftverband lässt derzeit nahe der Gymnicher Mühle Bäume fällen. Ausgerechnet Teile des „Klimaschutzwaldes der Provinzial-Mitarbeiter“ müssen weichen, damit die Erft sich künftig wieder schlängeln – mäandrieren – kann. Was die Ingenieure des Wasserverbandes seit Jahren planen und was die Herzen von Naturschützern höher schlagen lässt, macht gerade jetzt, da die Arbeiten begonnen haben, anderen Menschen Sorgen. Gymnicher fürchten, dass der neue Verlauf des Flusses die Hochwassergefahr für ihren Ort vergrößert.

Am Samstag haben sich gut 15 besorgte Bürger an der Erft getroffen. Die Stimmung im Dorf sei, sagt die Gymnicherin Claudia Dumblus, „sehr aufgebracht“. Seit der Hochwasserkatastrophe im Juli sehen viele Erftstädter die Nähe zur Erft mit anderen Augen. Claudia Dumblus verweist zudem auf die alte Gymnicher Kiesgrube – die Kiesgrube bei Blessem gilt als Ursache der Katastrophe dort. Auch, dass das Flussbett relativ dicht an der Autobahn verlaufen soll, macht Bürgern Sorgen. Denn im Juli standen die Fahrbahnen unter Wasser. Und schließlich fragen die Skeptiker, warum der Erftflutkanal verfüllt werden soll. Der könne doch im Falle einer Überschwemmung Wasser ableiten.

Kein Hochwasserschutz

Dr. Christian Gattke, Abteilungsleiter Flussgebietsbewirtschaftung beim Erftverband, und Diplom-Ingenieurin Ruth Haltof, sind dagegen froh, dass nun immerhin die ersten Schritte für das Projekt getan werden können, das eigentlich schon im vergangenen Jahr hätte starten sollen. Die Pläne sind seit Mitte 2019 fertig, damals wurden sie zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorgestellt. Immer noch liege die Planfeststellung beim Regierungspräsidium Köln. Aber immerhin sei eine vorgezogene Bauerlaubnis erteilt worden.

„Es ist eine Renaturierung, kein Hochwasserschutz“, stellt Gattke klar. Doch diese Renaturierung – sie setzt die Europäische Wasserrahmenrichtlinie um – dürfe auf keinen Fall zu schlechterem Hochwasserschutz führen, ergänzt Haltof. Nach der Flutkatastrophe habe der Erftverband die Pläne noch einmal überprüft. Auch im Hinblick auf die Nähe zur Autobahn sei nochmal intensiv gerechnet worden.

Der Erftflutkanal hat alle 600 Meter eine Betonschwelle. Dieses Wehr wird erhalten bleiben, aber ohne Funktion.

Auf einer Strecke von 2,5 Kilometern wird die Erft aus dem Korsett des Flutkanals befreit. Durch die Windungen wird die Länge des Flusslaufs mehr als verdoppelt, auf, 5,5 Kilometer. Die neue Erft wird westlich des heutigen Flutkanals verlaufen, Erftverband und Rhein-Erft-Kreis haben dort rund 85 Hektar Land gekauft. Die Abzweigung der Kleinen Erft wird ein Stück verlegt. Das Wehr, das dort derzeit den Zufluss regelt, bleibt wie das große Wehr im Flutkanal erhalten, aber ohne Funktion. Der Flutkanal müsse verfüllt werden, weil er sonst aufwendig gesichert und auch gepflegt werden müsse.

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Durch die Renaturierung werde die Fließgeschwindigkeit der Erft verringert, der Fluss habe außerdem Platz, sein Bett zu verlassen, die Wiesen zu überfluten und sich im Zweifelsfall einen neuen Weg zu suchen. Dass das funktioniere, habe sich Anfang des Monats an der bereits renaturierten Erft in Euskirchen gezeigt.

Man sehe den Informationsbedarf der Menschen, sagte Dr. Dietmar Jansen, Bereichsleiter Gewässer beim Erftverband, in der Sitzung des Erftstädter Hauptausschusses. Er kündigte eine Informationsveranstaltung an, bei der die Fragen der Bürgerinnen und Bürger beantwortet werden sollen. Einen Termin dafür gibt es noch nicht.