AboAbonnieren

AusgezeichnetSo rettete eine Krankenschwester einem Mädchen am Otto-Maigler-See das Leben

Lesezeit 4 Minuten
Das Foto zeigt eine Frau am Sandstrand am Otto-Maigler-See.

Lisa Scharschmidt am Otto-Maigler-See in Hürth. Dort hat sie im Sommer vergangenen Jahres einem Mädchen das Leben gerettet.

Als Lisa Scharschmidt sah, wie die Mutter mit dem leblosen Kind auf dem Arm aus dem Wasser kam, wusste sie sofort, was zu tun ist.

Ganz aufgearbeitet hat Lisa Scharschmidt die Geschehnisse des 21. August 2023 immer noch nicht. Bis heute kommen ihr die Tränen, wenn sie an den Nachmittag dieses warmen Sommertages denkt. Es war der Tag nach ihrem 31. Geburtstag. Eigentlich wollte die Kölnerin sich nach ihrer Schicht als Intensivkrankenschwester ausruhen – ein bisschen dösen, lesen und dann mit ihren beiden Kindern am Abend etwas Leckeres kochen.

„Der Sommer ist bald vorbei“, ging ihr dann aber durch den Kopf. Die junge Frau gab sich einen Ruck, zog sich um, packte die Badesachen, fuhr mit dem Rad ihre beiden Jungs vom Kindergarten abholen und weiter mit ihnen zum Badestrand am Otto-Maigler-See. Mit Blick aufs Ufer stand sie bald bis zum Bauch im erfrischenden Nass. Der Zweijährige spielte in Sichtweite am Ufer, mit dem Vierjährigen planschte sie im Wasser.

Hürth: Mutter fand das Kind unter der Wasseroberfläche treibend

Dann fiel ihr die Frau auf, die aufgeregt nach irgendetwas zu suchen schien. „Mir war direkt klar, die sucht ihr Kind“, erinnert sich Lisa Scharschmidt. Wie ein Film spulen sich die nächsten Minuten bis heute vor ihren Augen ab. Geschrei, laute Geräusche und Gezanke kann sie immer noch nicht vertragen. Dann sind die innere Anspannung und die Panik wieder da.

Die Mutter fand ihr Mädchen bewegungslos und blau angelaufen unter der Wasseroberfläche treibend. Laut, hilflos und außer sich lief sie mit ihm im Arm aus dem Wasser und schrie dabei immer wieder den Namen des Kindes. Und: „Hilfe, wer hilft mir.“ Dann legte sie das leblose Mädchen in den Sand und wollte Richtung Rettungsturm laufen.

Kölnerin begann sofort mit der Wiederbelebung

Lisa Scharschmidt reagierte sofort. Energisch, mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ, sagte sie ihren Kindern, sie sollen zur Decke gehen und dort sitzen bleiben. „Und keiner von euch geht jetzt ins Wasser.“ Dann konzentrierte sie sich nur noch auf das Mädchen.

„Ich bin Intensivschwester und weiß, was jetzt zu tun ist“, habe sie der Mutter noch gesagt und begann im nächsten Moment mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. „Zuerst habe ich versucht, das Mädchen zu beatmen“, berichtet sie. Aber Luft habe sie keine mehr in das Kind bekommen. Dann begann sie mit der Herzmassage.

Niemand wusste, wie lange das Kind unter Wasser war

„Sauerstoff, das Mädchen braucht Sauerstoff – Sauerstoff ist das A und das O“, ging ihr durch den Kopf. Nur maximal fünf Minuten reiche schließlich der Sauerstoff im Körper. Doch keiner wusste ja, wie lange das Kind unter Wasser gewesen war. 15-mal drückte sie zunächst auf den Brustkorb, versuchte dann erneut eine Beatmung – wieder klappte es nicht. Also drückte sie weiter – ohne Pause. Einmal schaute sie dabei kurz über die Schultern zu ihren Kindern. Angst stieg in ihr auf, sie könnten gleich die nächsten Kinder sein, die leblos aus dem See getragen werden.

Während sie weiter und gleichmäßig drückte, bat sie eine fremde Frau, sie solle bitte auf ihre Kinder achten. Inzwischen hatte sich um sie und um das Kind herum eine Menschentraube gebildet. Die Menschen sprachen laut und durcheinander, einige schrien. Eine Frau habe ihr das Mädchen sogar wegreißen wollen. „Sie müssen es schütteln“, habe sie gebrüllt. „Die habe ich nur zur Seite gestoßen“, erinnert sich Lisa Scharschmidt.

Hürth: Plötzlich begann das Kind zu spucken

In regelmäßiger Folge, äußerlich ruhig, aber innerlich zum Zerreißen angespannt, setzte sie die Druckmassage fort. Und plötzlich begann das Kind zu spucken. „Ich habe das Mädchen dann auf meinen Beinen liegend kurz nach unten gedreht und das Herzchen zunächst vom Rücken aus weiter gedrückt“, erklärt sie.

Eine Frau aus der Menge stellte sich als Krankenschwester vor: „Kann ich helfen?“, fragte sie, und Lisa Scharschmidt erklärte: „Versuchen Sie noch einmal die Beatmung.“ Diesmal klappte es. Nach weiteren drei Reanimationszyklen – jeweils drei Beatmungen und 15 Herzdruckmassagen – habe das Mädchen die Augen verdreht. Die Fingerchen begannen zu zittern, und das Kind fing wenig später laut an, zu schreien.

„Ich habe es dann gepackt und in die Arme der Mutter gelegt“, berichtet die 31-Jährige. Endlich waren auch die Rettungskräfte da, die das Mädchen im Rettungswagen in die Uniklinik fuhren. „Sie hat auf dem Weg ins Krankenhaus sogar schon wieder gelacht“, erfuhr die Lebensretterin am nächsten Tag, als sie in der Uniklinik anrief und ihr die Mutter erzählte, dass ihr Mädchen wohl ohne Folgeschäden überlebt hat.


Serie „Stille Helden“

Mehrere Menschen wurden jüngst von Landrat Frank Rock mit dem mit 1000 Euro dotierten Preis für Zivilcourage des Rhein-Erft-Kreises ausgezeichnet. Darunter ist Lisa Scharschmidt, die durch ihr couragiertes und besonnenes Handeln ein Kind zurück ins Leben geholt hat. Wir stellen die Geehrten und ihre Geschichte in loser Reihenfolge vor.