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Räumung und RodungAktivisten beklagen Gewalt im „Sündenwäldchen“ bei Kerpen

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist ein Aktivist, der Rodungen verhindern will, auf einem Baum.

Aktivisten im Sündenwäldchen versuchen die Rodung zu stoppen.

Ein RWE-Sprecher widerspricht der Initiative„ Lützerath lebt“ und sagt, die Vorwürfe seien „frei erfunden“.

Völlig unterschiedlich stellen Aktivisten auf der einen sowie RWE und Polizei die Räumung und Rodung des Sündenwäldchens bei Manheim alt dar. Die Initiative „Lützerath lebt“ beklagte, dass am Freitagmorgen (31. Januar) Leute des von RWE beauftragten Sicherheitsdienstes gegen Aktivistinnen und Aktivisten mit verbaler und körperlicher Gewalt vorgehen würden.

Die Security würde am dritten Tag der Rodung willkürlich Querträger in den Bäumen, auf denen Aktivisten ausharrten, mit Teleskopsägen kappen. „Ich habe gesehen, wie eine Aktivistin in letzter Sekunde von einer gekappten Traverse entkommen konnte, sonst wäre sie in den Tod gestürzt“, soll ein Beobachter vor Ort gesagt haben. Überprüfen lässt sich das nicht.

Kerpen: Polizei hat keine Hinweise auf Straftaten gegen Aktivisten

Die Polizei hingegen hatte auch Stunden nach der Mitteilung der Initiative „keine Hinweise auf Straftaten oder Gefahrenlagen“, wie eine Sprecherin der Polizei Rhein-Erft auf Anfrage mitteilte. Vor Ort befinde sich zudem ein Kommunikationsbeamter, der ständigen Kontakt zur Mahnwache am Sündenwäldchen halte.

„Die geäußerten Vorwürfe sind frei erfunden“, sagt ein RWE-Sprecher. Alle Rodungsmaßnahmen seien plangemäß und bislang auch störungsfrei verlaufen. Auf einer sehr kleinen Restfläche des ehemaligen Sündenwäldchens befänden sich noch Personen widerrechtlich auf dem RWE-Betriebsgelände.

„Dort, wo sie von Werkschutzmitarbeitern angetroffen werden, werden sie aufgefordert, unser Betriebsgelände zu verlassen und auch hinausbegleitet“, sagt der Sprecher. „Außer lautstarken Protesten blieb es auch hier bislang friedlich. An der kleinen Restfläche werden aktuell noch wenige Bäume gefällt, immer einzeln und nach sorgfältiger Prüfung der Sicherheit aller Beteiligten.“

Werkschutzmitarbeiter würden dafür sorgen, dass es zwischen den „noch verbliebenen Störern auf unserem Betriebsgelände“ und den Arbeiten einen Sicherheitsabstand gebe. „RWE hat den Störern bereits mehrfach angeboten, ihr Betriebsgelände zu verlassen“, teilt der Sprecher mit. In diesen Fällen würde das Unternehmen keine Strafanträge stellen.

Kerpen: Rund ein Drittel des Wäldchens ist bereits gerodet

Nach Angaben der Initiative „Lützerath lebt“ befinden sich rund 20 Besetzerinnen und Besetzer noch in den sogenannten Höhenstrukturen im Wald und behinderten so die Rodung der letzten Bäume des Manheimer Wäldchens. Rund zwei Drittel des Wäldchens waren am Freitag bereits gerodet. Der Energiekonzern RWE plant, das etwa sechs Hektar große Waldstück zu roden, um in der sogenannten Manheimer Bucht Sand und Kies für die Gestaltung der Böschungen des Tagebaus Hambach zu gewinnen. So soll die Umgestaltung zu einem See ermöglicht werden.

Das Waldstück gilt als Trittsteinbiotop zwischen dem Hambacher Forst und dem Naturschutzgebiet Steinheide. Für den Artenschutz hat es Bedeutung, da dort unter anderem die Bechsteinfledermaus und die Haselmaus heimisch sein sollen. RWE konnte noch keinen genauen Zeitplan für die Rodungsarbeiten mitteilen. „Auf unserem Betriebsgelände im Tagebauvorfeld finden weiterhin unterschiedlichste Arbeiten statt, dazu können bis Ende Februar auch Fällarbeiten gehören“, sagte der RWE-Sprecher.

Kerpen: Grüne Landtagsabgeordnete von Rodung enttäuscht

„Es ist sehr enttäuschend, dass das Gericht in seiner Abwägung das Interesse von RWE, in der Manheimer Bucht Sand und Kies abzubauen, über den Schutz bedrohter Ökosysteme und Tierarten stellt“, sagt Antje Grothus, Landtagsabgeordnete der Grünen. „Die im Koalitionsvertrag verankerte großräumige Waldvernetzung wird mit gewachsenen Grünstrukturen so nahezu unmöglich gemacht.“

Um die ökologischen Schäden durch den Kohleabbau und auch die Manheimer Bucht zu heilen, brauche man einen üppigen, revierweiten Biotopverbund. „Der entlang der Hambachbahn verlaufende vorgesehene Korridor von 40 Hektar sei dafür ein kleiner Startpunkt und müsse jetzt schnell umgesetzt werden“, sagt Grothus.

Annika Effertz ist die grüne Bürgermeister-Kandidatin in Kerpen.

Annika Effertz ist die grüne Bürgermeister-Kandidatin in Kerpen.

Die Vorsitzende der Kerpener Grünen, Annika Effertz, beklagt, dass es die Verantwortlichen im Rathaus der Kolpingstadt versäumt hätten, sich gegen die Pläne von RWE zu stellen. Dies liegt ihrer Einschätzung nach vor allem an dem 2017 von Bürgermeister Dieter Spürck (CDU) unterzeichneten „Stillhalteabkommen“ mit RWE. In dieser so genannten „Rahmenvereinbarung“ sichere er zu, dass die Stadt sich gegen die Pläne der RWE auf Kerpener Boden nicht zur Wehr setzen werde.

Wie das geht, habe Spürcks Amtskollege Georg Gelhausen aus der Nachbargemeinde Merzenich vorgemacht, so Effertz, die im September gegen den Amtsinhaber bei der Bürgermeisterwahl antritt. Mit „politischer Integrität und persönlichem Engagement“ habe er sich für eine gute Zukunft der eigenen Kommune und gegen RWE durchgesetzt.