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Tagebau HambachEin Bergwerk wird ausgegraben

Lesezeit 3 Minuten

Die Gänge im Bergwerk „Union 103“ wurden kilometerweit in die Erde getrieben.

Kerpen/Elsdorf – „Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier noch mal stehen würde.“ Josef Herkenrath geht mit unsicheren Schritten auf die Konstruktion aus Stahl und Beton zu, die aussieht wie das Gerippe eines riesigen Wals. Herkenrath steht mit den Schuhen in der Kohle, auf der sechsten Sohle des Tagebaus Hambach. Was die Bagger dort tief unten freigelegt haben, hat Herkenrath, heute 83, in jungen Jahren mitgebaut: Der Tagebau Hambach hat den Tieftagebau „Union 103“ mit seinen unterirdisch verzweigten Gängen erreicht. Herkenrath hat in den 1950er-Jahren als Hauer in den Strecken gearbeitet, wie die Gänge genannt werden. Und was damals 300 Meter unter dem Hambacher Forst lag, liegt heute unter freiem Himmel, zumindest schon mal das äußerste Ende eines Ganges.

„Wir graben hier ein Bergwerk aus“, sagt Hermann Oppenberg, Leiter der Bergbauabteilung im Tagebau Hambach. Und das stellt die Ingenieure und Maschinenführer vor eine große Herausforderung. Auch wenn die Schaufelradbagger gigantisch sind, können sie die Strecken und Schächte nicht einfach wegbaggern. Denn das Bergwerk ist massiv: Die Erbauer haben damals 50 000 Kubikmeter Beton und mehr als 10 000 Tonnen Stahl und Gusseisen in die Tiefe geschafft. „Das muss alles ordentlich zurückgebaut werden“, sagt Bernd Houben, Leiter der Tagebauplanung. 2026 soll das Bergwerk verschwunden sein.

Elf Kilometer langes Netz

Zwei Schächte führen bei Morschenich rund 300 Meter tief in die Erde, das Netz der Strecken unter Tage ist rund elf Kilometer lang. Schon seit 2011 werden die Schächte Stück für Stück von oben weggebaggert. Kurz vor Weihnachten im vorigen Jahr haben die heranrückenden Schaufelradbagger auf der untersten Sohle auch die erste Strecke erreicht, die 2,2 Kilometer von den Einstiegsschächten entfernt ist.

Was nun zutage tritt, versetzt die Ingenieure von heute in Ehrfurcht. Die Gänge seien stabil und offenbar in weiten Teilen erhalten, obwohl das Bergwerk schon 1955, also vor fast 60 Jahren, aufgegeben wurde. Und die Bergleute von damals hätten die Positionsangaben ihrer Gänge ungeheuer genau angegeben, obwohl sie kein satellitengestütztes GPS zur Verfügung hatten. „Wir haben eine Probebohrung dort vorgenommen, wo wir das Ende des Bergwerks vermutet haben, und es sofort gefunden“, sagt Houben.

Kohle fiel aufs Förderband

Rentner Herkenrath, der damals in Etzweiler wohnte und heute in Kaster lebt, erinnert sich gern an die Arbeit unter Tage zurück. Und er erinnert sich an durchaus brenzlige Situationen. „Der Druck durch das Erdreich war so hoch, dass wir gar keine Hacken brauchten, die Kohle fiel uns einfach aufs Förderband“, sagt Herkenrath. Einmal sei er mit einem Kollegen in einem der Gänge unterwegs gewesen, als plötzlich die Sohle aufbrach. „Wir sind gelaufen, so schnell wir konnten“, sagt Herkenrath. Die Kohle sei bis zu hüfthoch hinter ihnen hergequollen.

Und den Anfang vom Ende hat Herkenrath auch miterlebt. Im August 1955 habe er morgens am Ende einer Strecke gebohrt. „Dann kam das Wasser herein.“ Er habe den Steiger dazugerufen, der aber weitergebohrt habe. „Es kam immer mehr Wasser, wir haben einen Damm aus Holz gebaut, aber nach anderthalb Stunden ging das Wasser schon darüber.“ Auch ein zweiter Damm habe nicht gehalten. Einen Monat später dann sei das Bergwerk ganz aufgegeben worden.