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UnglückTrotz Ramstein in Nörvenich gefeiert

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Gut 250 000 Besucher sahen vor 25 Jahren der Luftakrobatik der spanischen Kunstflieger der Staffel Aguilas in Nörvenich zu.

Nörvenich – Ungefähr zu der Zeit, als die spanischen Jets der Kunstflugstaffel "Aguilas" über den Zuschauern ihre zweite "Fassrolle in Formation" drehen, bricht auf dem US-Militärflugplatz in Ramstein in der Pfalz das Inferno los. Zeitgleich findet beim Geschwader Boelcke in Nörvenich ein Flugtag statt. In Ramstein kommt es zur Katastrophe, in Nörvenich geht alles glatt. Aber dennoch gab es hinterher riesigen Ärger.

Um 15.44 Uhr sind in Ramstein drei Maschinen aus der italienischen Kunstflugstaffel "Frecce Trikolore" in der Luft und stoßen beim Finale der Show zusammen. Eine der Maschinen stürzt brennend vor die Zuschauer. Binnen Sekunden steht alles in Flammen: Menschen, Autos, Zelte, Utensilien. 70 Tote und 1000 Verletzte sind später zu beklagen.

Volksfeststimmung

Auf dem Fliegerhorst in Nörvenich läuft an diesem 28. August 1988 beim Parallel-Flugtag alles nach Plan. Die Kunstflugstaffel mit dem Beinamen "Patrulla Acrobática Nacional" die zur Erbauung der gut 250 000 Besucher und zum 30-jährigen Bestehen des Geschwaders 31 "Boelcke" gestartet ist, spult ihren Flug routiniert ab. Dass in diesem Augenblick im nur wenige Flugminuten entfernten Ramstein Menschen um ihr Leben kämpfen oder ihre Angehörigen im Flammenmeer suchen, schreiende Kinder umherlaufen und Menschen lichterloh brennend in den Tod laufen, wissen die Zuschauer nicht. In Nörvenich herrscht Volksfeststimmung. Bis 17.30 Uhr geht das Programm in vollem Umfang weiter.

Kommodore abgelöst

Dass es munter weitergeht, kostete den damaligen Kommodore Joachim Hoppe die gerade erst übernommene Führung des Geschwaders. Dabei soll er das gar nicht entschieden haben. Beim Abschlusstraining der Aguilas soll Hoppe ein ähnlich gefährliches Manöver wie das, was in Ramstein zur Katastrophe führte, als zu gefährlich aus dem Programm für Nörvenich genommen haben. Hoppe soll auch nicht befohlen haben, abends in Nörvenich noch eine große Sause zu starten. Für viele später unfassbar: Genau das geschieht am Katastrophenabend von Ramstein. Kölsch vom Fass und Kölsche Musikgrößen lassen es ordentlich krachen, zusammen mit zahlreichen prominenten Besuchern aus Politik und Gesellschaft.

Die Anordnung, das Fest nicht abzusagen, soll von hohen Generälen gekommen und bestätigt worden sein. Der Kölsch-Musiker Detlef Vorholt erinnert sich ein paar Tage später: "Wir wussten nicht, was in Ramstein passiert war." Oberst Hoppe gibt später zu Protokoll, dass er erst gegen 17 Uhr am Sonntag erfahren habe, "dass da etwas schiefgegangen ist". Hoppe damals im "Kölner Stadt-Anzeiger": "Hätten wir von dem Unfall früher gewusst, hätten wir den Flugtag abgebrochen." Es habe keinen Kontakt zur Leitstelle in Ramstein gegeben. Im Vorfeld des Flugtages hat es reichlich Protest gegen die Vorführungen in Nörvenich gegeben. Das Geschwader habe "einfach nur Glück gehabt", dass es nicht auch dort zu einer Katastrophe gekommen sei.

Und das stimmt im doppelten Sinne. Denn eigentlich sollten die italienische "Frecce" in Nörvenich fliegen. Doch die mächtigen US-Militärs beorderten die Italiener kurzerhand nach Ramstein.