Hedwig Drabik hat 63 Jahre lang im Dienst der katholischen Gemeinde in Keyenberg bei Erkelenz gestanden.
Doch der Streit über den Braunkohletagebau, dem auch die Pfarrkirche zum Opfer fallen wird, hat jetzt zum Bruch zwischen ihr und dem Kirchenvorstand geführt.
Die 86-jährige Drabik musste die Schlüssel zur Kirche zurückgeben.
Keyenberg – Die Abordnung der katholischen Pfarrgemeinde Christkönig Erkelenz steht am Mittwoch ohne Vorankündigung vor der Tür des Küsterhauses im Schatten der Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg. Nahezu wortlos überreichen Pfarrer Werner Rombach und zwei Mitglieder des Kirchenvorstands Hedwig Drabik einen Brief.
Die Küsterin (86) muss lesen, dass der eigenständige Zutritt zur Kirche ab sofort verboten ist. Sie soll die Schlüssel abgeben, draußen an der Straße steht noch der Wagen des Schlüsseldiensts. Pfarrer Rombach hat bereits die Schlösser austauschen lassen.
Drabik freute sich über die Greenpeace-Aktivisten
Die Pfarrei Erkelenz reagiert damit auf einen Vorfall, der sich am Totensonntag ereignet hat. „Ich wollte wie immer gegen halb zehn das Hauptportal aufschließen“, sagt Hedwig Drabik. „An der Ecke standen viele junge Leute von Greenpeace. Sie haben mir gesagt, sie hätten das C von der CDU mitgebracht und gefragt, ob sie das mal im Gang fotografieren können. Ich habe zugestimmt. Das ist doch von der CDU. Was kann daran also falsch sein?“
Sie habe sich im Gegenteil sogar darüber gefreut. „Menschen, die sich für den Erhalt der Schöpfung einsetzen, sind in der katholischen Kirche immer willkommen.“
Offenbar nicht in jeder. Die Heilig-Kreuz-Kirche in Keyenberg ist wie der gesamte Ort und die Nachbardörfer Kuckum, Berverath, Ober- und Unterwestrich dem Untergang geweiht. Völlig egal, wie das noch nicht verabschiedete Kohleausstiegsgesetz am Ende aussehen wird.
Im September hat sich die Pfarrei Christkönig Erkelenz, der alle kirchlichen Gebäude und Grundstücke in den fünf Ortschaften gehören, mit RWE Power über deren Verkauf geeinigt. Das Bischöfliche Generalvikariat Aachen hat ihn abgesegnet. Damit ist er rechtskräftig.
Drabik ist Kirchenoberen ein Dorn im Auge
Seither ist Hedwig Drabik den Kirchenoberen in Erkelenz ein Dorn im Auge. 63 Jahre hat sie mit ihrem Mann, der dort bis zu seinem Tode im Jahr 2005 Küster, Chorleiter und Organist war, im Küsterhaus von Heilig Kreuz gelebt, immer im Dienst der Gemeinde gestanden. „Nach seinem Tod ist das Amt des Küsters automatisch auf mich übergegangen.“
Hedwig Drabik hat aus ihrer tiefen Enttäuschung darüber, „dass einige Teile der Pfarrei Erkelenz unsere Kirche völlig kampflos RWE überlassen“, nie einen Hehl gemacht. Der Abbruch der Kirche, deren Wurzeln bis ins Jahr 714 zurückreichen und die damit älter ist als der Aachener Dom, soll 2023 erfolgen.
Der Schmerz über den Verkauf sitzt so tief, dass die Küsterin ihr Amt zum Jahresende aufgeben wird. „Ich habe noch im September gekündigt.“ Sie könne nicht hinnehmen, dass „solch ein Denkmal dem Boden gleichgemacht“ werden soll. Es sei doch gar nicht klar, wie es mit der Braunkohle weitergehe. „Wir haben dagegen schon vor 30 Jahren protestiert. Damals mit einem Schiff auf dem Rhein.“
Über all das will die Abordnung an der Haustüre nicht groß diskutieren. Man habe die Küsterin nach einer gemeinsamen Entscheidung des Kirchenvorstands im Juni darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Kirche „bei allen Ereignissen, die im Zusammenhang mit der Braunkohle und der Umsiedlung ergeben, geschlossen bleiben soll. Also auch bei den Wald- und Dorfspaziergängen“, sagt Pfarrer Rombach.
Um das zu garantieren, sollte die Küsterin sie nur noch zu den Gottesdiensten öffnen. „Wer sie außer der Reihe besichtigen will, den sollte Frau Drabik an die Gemeinde verweisen.“ Der Kirchenvorstand, sagt Rombach, „konnte sich nicht länger bieten lassen, dass Gruppen in die Kirche gelassen werden, die nicht respektieren, dass wir uns für den Verkauf entschieden haben und die gegen uns agieren“.
Pfarrer: „Küsterin verstieß gegen unsere Ansage“
Die Aktion mit dem „C“ habe letztlich nur den Ausschlag gegeben, der Küsterin die Schlüsselvollmacht zu entziehen. „Frau Drabik hat gegen unsere Ansage verstoßen. Das wäre ein Entlassungsgrund gewesen“, sagt Rombach.
Und so muss Hedwig Drabik im Beisein ihrer Tochter Martina Himmelreich an der Haustüre das Schreiben der Christkönig-Gemeinde zur Kenntnis nehmen: „Wir sind gezwungen, in unserer Kirche Heilig Kreuz die Schlösser austauschen zu lassen, um unser Eigentum zu sichern.“
„Selbstverständlich“, heißt es weiter, „werden Sie weiter in der Lage sein, ihren arbeitsvertraglichen Verpflichtungen als Küsterin nachzukommen, die Kirche wird 30 Minuten vor jeder Messe geöffnet und danach wieder abgeschlossen werden. Dieses stellen wir sicher.“
Fassungslos sei ihre Mutter gewesen, sagt Martina Himmelreich. „Die standen da zu dritt wie ein Überfallkommando haben meiner Mutter vorgeworfen, sie sei illoyal ihrem Arbeitgeber gegenüber. Nach 63 Jahren.“
Seit dem Verkauf passe es der Gemeinde in Erkelenz einfach nicht mehr, „dass sich immer wieder Menschen für die Kirche interessiert haben“. Vorher sei nie kritisiert worden, dass ihre Mutter auch in der Woche „aufgesperrt und den Besuchern die Schätze gezeigt hat“.
Hedwig Drabik fühlt sich von katholischer Kirche vertrieben
Hedwig Drabik hat sich nach einer Woche einigermaßen gefangen. Am 18. Dezember kommt der Möbelwagen, dann wird sie nach Erkelenz in eine neue Wohnung ziehen. „Ich werde hier das Feld räumen. Mit dem Fußvolk habe ich dann nichts mehr zu tun. Ich bin im Sudetenland geboren, bin 1946 von dort vertrieben worden. Was hier mit den Menschen geschieht, ist auch eine Vertreibung.“