Das schönsten Rennen der WeltMit der Oldtimer-Rallye Mille Miglia durch Italien
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Das italienische Oltimerrennen Mille Miglia ist legendär und international bekannt.
Nur Fahrzeuge aus den Jahren zwischen 1927 und 1957 sind zugelassen, die Startplätze sind heiß begehrt.
Unsere Autorin war dabei und ist tausend Meilen im Windschatten des Rennens gefahren.
Bergheim-Glessen – Als Ehefrau eines Ford-Ingenieurs und Technik-Fans kommt man am Thema Auto nicht vorbei. Mit steigendem Alter nimmt die Zahl der teuren Retro-Spielzeuge im Haushalt zu, und zum 50. Geburtstag musste es ein Oldtimer sein. Nicht irgendeine alte Karre, sondern ein Ford Mustang aus dem Jahr 1968, rostfrei und im Originalzustand, den kalifornischen Sand noch im Teppich.
Mädchen und Ponys sind ja bekanntlich ein bewährtes Gespann, aber seit 220 Pferdestärken bei uns im Stall stehen, bin selbst ich als brave Familienkutscherin dem satten V8-Sound verfallen. Das leuchtende „poppy-red“ knallt ins Auge und sorgt für gute Laune.
Wer ein solches Gefährt besitzt, will es auch zeigen: Oldtimer-Rallyes sind zu unserem gemeinsamen Hobby geworden – ob Tour de Flönz, Ahr-Rotwein-Klassik oder Graf-Berghe-von-Trips-Gedächtnisfahrt. Dem Angebot des Ford-Oldtimer- und Motorsportclub Cologne, Mitte Mai als Zaungäste beim „schönsten Rennen der Welt“ dabei zu sein, konnten wir nicht widerstehen: Den Mustang gesattelt und ab auf den schönsten Strecken dem Tross der berühmten Mille Miglia hinterher, vom Gardasee bis tief in die Toskana.
Für die meisten Normalsterblichen ist dieser automobile Traum nahezu unerfüllbar – die Teilnahme kostet 10.000 Euro. Zugelassen sind nur Fahrzeuge, die in den Jahren der historischen Rallye, also von 1927 bis 1957, gebaut worden sind – da ist selbst unser mehr als 50 Jahre altes Auto zu jung. Trotzdem bewerben sich jedes Jahr etwa 1500 Teams um die begehrten 430 Startplätze, von denen ein guter Teil an Sponsoren vergeben ist.
Schon beim Start in Brescia dreht die ganze Stadt am Rad. Nach der technischen Abnahme begibt sich der millionenschwere Autokorso auf die Piste, nicht ohne vorher ein Bad in der Menge genommen zu haben. Auf der Piazza Vittoria ist kein Durchkommen mehr. Wir parken etwas abseits und nehmen erst später die Verfolgung auf. Die Ford-Clubkollegen Franz Brinkmann aus Hürth und Thomas Michael aus Euskirchen haben unsere Strecke parallel zur Mille minuziös geplant.
Am Gardasee vorbei bis nach Rom
Wie der Name schon sagt: 1000 Meilen, rund 1600 Kilometer, sind vom Start in Brescia bis nach Rom und zurück zu schaffen – dazwischen liegen kurvige Bergpässe, enge Gassen, steile Anstiege, Schotterpisten und sonstige Gemeinheiten. Manche Fahrer reisen mit eigenem Abschleppwagen und einem mehrköpfigen Reparaturteam an.
Die erste Etappe führt am Gardasee vorbei von Mantua, Ferrara und Ravenna an die Adriaküste, weiter geht’s von Cervia und Urbino über Fabriano, Assisi und Perugia nach Rom. Hier ist der Scheitelpunkt der Reise, die über Florenz, Bologna, Modena und Parma zurück nach Brescia führt.
Im Cockpit sind schon Ehen gescheitert
Unsere Verfolgung ist wie Hase und Igel spielen, mal sind wir schon da, wenn die rasende Truppe vorbeifliegt, mal hängen wir im Windschatten und versuchen, das Tempo mitzuhalten. Im Cockpit sind schon Ehen gescheitert, im Oldtimer hat jeder seine Aufgabe klaglos zu erfüllen: Der Fahrer ist Herr über Motorgeräusche und Geschwindigkeit, die Beifahrerin Wegweiserin , die sagt, wo es langgeht. Das gefällt mir.
Drei junge Männer aus Brescia, die ihre Heimatstadt zum Zentrum des Motorsports machen wollten, haben die legendäre Wettfahrt erfunden. Ging es in den Anfangsjahren nur darum, die 1000 Meilen im normalen italienischen Straßenverkehr in Bestzeit abzureißen, dürfen sich die Teilnehmer aus aller Welt heute vier Tage Zeit lassen. Das erste Rennen gewann ein in Brescia gebauter OM in einer Zeit von 21 Stunden, vier Minuten und 48 Sekunden und mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 77 Stundenkilometern.
Gleichmäßigkeit und Zuverlässigkeit statt Tempo
Zur großen Freude der Italiener haben meist einheimische Fabrikate wie Alfa Romeo, Lancia und Ferrari die Nase vorn. Berühmte Ausnahmen waren Rudolf Caracciola 1931 und Stirling Moss 1955 im Mercedes. Schwere Unfälle brachten die Mille Miglia in die Kritik – 1957 war zunächst Schluss mit der Raserei über die Dörfer, erst 20 Jahre später kam es zur etwas gebremsten Neuauflage. Rote Ampeln werden jedoch auch heute noch gern überfahren und die Vorfahrtsregeln frei interpretiert.
Längst geht es bei dem Spektakel nicht mehr um Höchstgeschwindigkeit, sondern um sehen und gesehen werden, um Gleichmäßigkeit und Zuverlässigkeit, die die Fahrerteams in etlichen Sonderprüfungen unter Beweis stellen müssen.
Auch wenn wir nicht richtig dazugehören, auch für uns gibt es Daumen hoch und begeisterte Bellissimo-Rufe. Nach rund 1000 Meilen zusammen gehört man ja fast schon zur Familie. Und dass unser Mustang, der einen Tag vor der Abfahrt in Glessen noch in Einzelteilen in der Garage lag, die Mille Miglia gefahren ist wie der Teufel, ist mehr wert als jeder Siegerpokal.