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BundestagswahlDas sind die Kandidaten in Rhein-Erft – ihre Chancen für Berlin

Lesezeit 6 Minuten
Auf dem Bild sind Wahplakate am Rand einer Straße zu sehen.

Der Wahlkampf hat begonnen, so stehen auch an der Luxemburger Straße in Hürth große Wahlplakate.

Vor 20 Jahren hat zuletzt eine SPD-Politikerin in einem der beiden Wahlkreise triumphiert. Seitdem ist der Kreis fest in CDU-Hand.

Kürzlich ging es für Politikerinnen und Politiker hoch hinaus. Mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Parteimitglieder haben sie auf Leitern stehend Wahlplakate aufgehängt – was für die Bevölkerung ein eindeutiges Zeichen dafür ist, dass die heiße Wahlkampfphase eingeläutet worden ist.

Für wen es aber tatsächlich hoch hinausgehen wird und wer bis 2029 die Interessen des Rhein-Erft-Kreises vertreten darf, wird sich erst am Abend des 23. Februar zeigen. Dann sind die Stimmen der knapp 350.000 Wahlberechtigten in den zehn Städten zwischen Bedburg und Wesseling ausgezählt. 2021 lag die Wahlbeteiligung in den beiden Wahlkreisen bei knapp 80 Prozent.

Wie ist die Aufteilung der Wahlkreise? Zum Wahlkreis 90, der bisher als 91er lief, gehört der größere Teil des Kreises mit den Städten Hürth, Pulheim, Frechen, Bedburg, Elsdorf, Bergheim und Kerpen. Den Wahlkreis 91 (bisher 92) bilden die Städte im Süden des Rhein-Erft-Kreises, also Wesseling, Brühl und Erftstadt sowie der Kreis Euskirchen.

Wer kandidiert? Acht beziehungsweise neun Parteien schicken Direktkandidaten ins Rennen. Bisher zog die- oder derjenige, wer die meisten Stimmen sammelte, auf direktem Weg in den Bundestag ein, völlig unabhängig vom Abschneiden der eigenen Partei. Das ist am 23. Februar anders: Falls eine Partei über die Erststimmen mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr gemessen am Zweitstimmenergebnis an Sitzen zustehen, sollen die Wahlkreissieger mit den schlechtesten Wahlergebnissen leer ausgehen („Zweitstimmendeckung“). Wer einen Wahlkreis für sich entscheidet, zieht demnach nicht mehr automatisch in den Bundestag ein.

Auf die Wählerinnen und Wähler warten bestens vertraute Gesichter und auch etliche Neulinge. Im Wahlkreis 90 kandidieren Dr. Georg Kippels (CDU), Aaron Spielmanns (SPD), Björn Leschny (Grüne), Stefan Westerschulze (FDP), Fritz Laser (Linke), Jeremy Jason (AfD), Ulrich Wokulat (Freie Wähler) und Franz Pesch (Bündnis Deutschland). Kippels, Spielmanns, Wokulat und Westerschulze waren schon 2021 dabei.

Im Wahlkreis 91 treten Detlef Seif (CDU), Andrea Kanonenberg (SPD), Christian Schubert (Grüne), Markus Herbrand (FDP), Georg Riemann (Linke), Rüdiger Lucassen (AfD), Markus Hausmann (Bündnis Deutschland) Thomas Christian Wiza (Freie Wähler) und Fabio Luca Centorbi (Volt) an. Seif, Herbrand und Lucassen gingen auch 2021 ins Rennen und sitzen im Bundestag.

Besonderheit: Lucassen wurde erst im zweiten Anlauf als Direktkandidat gewählt, nachdem er in einer ersten Versammlung im Kreis Euskirchen seinem damaligen Büroleiter Achim Brück unterlegen war. Ein AfD-Mitglied hatte die Wahl jedoch angefochten, weil der Versammlungsort nicht eindeutig angegeben worden sei.

Kurioses bei den Grünen: Ursprünglich sollte Stephanie Bethmann antreten. Aber „aufgrund nachvollziehbarer, geplanter Nicht-Verfügbarkeit von Stephanie Bethmann im Januar bis in den Februar hinein, die mit familiärer Gesundheit zusammenhängen“, sprang Schubert als Parteivorsitzender ein. Mit 23 Jahren ist er der jüngste der Kandidaten.

Wer sitzt bereits im Bundestag? Kippels hat seit 2013 ein Mandat. Bei den beiden darauf folgenden Wahlen konnte der CDU-Mann den Wahlkreis gewinnen, wobei der Vorsprung 2021 gegenüber Spielmanns knappe 5000 Stimmen betrug. Bei den Zweitstimmen (für die Parteien) lagen Union und SPD fast gleichauf. Im neuen 91er-Wahlkreis gehörten Seif, Herbrand und Lucassen dem Bundestag an.

Wer hat Chancen, am 23. Februar in den Bundestag einzuziehen? In beiden Wahlkreisen wird es sich zwischen den CDU- und SPD-Kandidaten entscheiden. Wobei Seif und Kippels favorisiert sein dürften – einmal wegen ihres Bekanntheitsgrades und zum anderen vor dem Hintergrund des anhaltenden Umfragetiefs der SPD. Kanonenberg und Spielmanns dürften es schwer haben, sich davon abzuheben.

Spielmanns hat noch am ehesten Chancen, über die Landesliste in den Bundestag einzuziehen. Er wurde auf Platz 21 gesetzt (2021: 47). Eine Bank ist das aber nicht, falls die SPD schwach abschneidet und etliche, die vor ihm stehen, ebenfalls auch nur über die Liste einen Sitz ergattern können. Das könnte beispielsweise den NRW-Spitzenkandidaten Rolf Mützenich in Köln ereilen.

Ob Herbrand erneut in den Bundestag kommt, hängt davon ab, wie viele Stimmen die FDP erhält und wie viele Kandidatinnen und Kandidaten somit über die Liste reinkommen. Jüngste Umfragen lassen freilich sogar daran zweifeln, ob die Liberalen noch im Bundestag vertreten sein werden.

Wie viele Abgeordnete wird der Rhein-Erft-Kreis vermutlich stellen? Es werden vermutlich maximal vier sein: Kippels, Seif, Herbrand und Lucassen, wobei einzig der Bedburger Kippels aus dem Rhein-Erft-Kreis kommt. Alle anderen Kandidaten sind nur unzureichend über die Listen abgesichert, Ausnahme Spielmanns. Für den Fall, dass er und Kanonenberg die meisten Stimmen holen, könnte wohl allenfalls Kippels über die Liste einziehen. Da Seifs Wahlkreis als noch sicherer gilt, wurde er nicht entsprechend abgesichert.

Somit wären die zehn Kommunen des Kreises schlechter vertreten als noch im bisherigen Bundestag: Dort sitzen noch Eugen Schmidt (AfD) und Dagmar Andres (SPD). Während Andres schon 2024 angekündigt hatte, dass sie nicht mehr kandidieren würde, wurde Schmidt neulich beim Landesparteitag in Marl abgekanzelt. Er unterlag bei sämtlichen Kampfkandidaturen um vordere Listenplätze.

Auf dem Foto ist der AfD-Politiker Eugen Schmidt zu sehen.

Der ehemalige Hürther Eugen Schmidt spielt in seiner Partei keine Rolle mehr.

Das sah 2021 noch ganz anders aus: Der in Kasachstan geborene Politiker war 2021 im damaligen Wahlkreis 91 angetreten und in den Bundestag eingezogen. 2022 dann der erste Bruch. Schmidts Name füllte die Schlagzeilen wegen seiner großen Nähe zu Russland, und im Rhein-Erft-Kreis gab er sein Kreistagsmandat zurück, nachdem es Zweifel daran gegeben hatte, ob er noch in Hürth lebte – was Voraussetzung für einen Sitz im Kreistag ist.

Er tauchte danach im oberbergischen Kreis auf, wohin er seinen Wohnsitz verlagert hatte. Sein Versprechen, in seinem Wahlkreis ein Büro zu eröffnen und weiter präsent zu sein, hat er nach Recherchen dieser Redaktion nicht erfüllt. Was in den eigenen Reihen im Rhein-Erft-Kreis zu Unmut führte.

Gabriele Frechen mit Franz Müntefering in der Berliner Wahlkampfzentrale der SPD.

Gabriele Frechen 2005 mit Franz Müntefering in der Berliner Wahlkampfzentrale der SPD.

Wie ist das politische Machtverhältnis im Rhein-Erft-Kreis bei Bundestagswahlen? Vor genau 20 Jahren hatte die SPD zuletzt ein Direktmandat in einem der beiden Wahlkreise geholt. Das gelang Gabriele Frechen im nördlichen der beiden Wahlkreise gegen Willi Zylajew (CDU) – eine Kopie ihres Wahlerfolgs von 2001.

Auch in den 1990ern bekamen die CDU und ihre Kandidaten kein Bein auf den Boden. Zweimal unterlag der spätere NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers aus Pulheim deutlich dem SPD-Kontrahenten Klaus Lennartz. Da kam die SPD auch noch auf fast 50 Prozent der Stimmenanteile. Grüne spielten damals noch eine untergeordnete Rolle, und die AfD existierte noch nicht. Seit 2009 ist dieser Wahlkreis fest in CDU-Hand.

Noch einseitiger sieht es im gemeinsamen Wahlkreis mit dem Kreis Euskirchen aus. Seit 1990 holte stets der CDU-Kandidat das Direktmandat, zuletzt Detlef Seif viermal in Folge. Für ihn wäre der Wiedereinzug somit seine fünfte Amtszeit.

Auflösung folgt am 23. Februar.