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RuhestandChef von RWE Power verabschiedet sich mit kritischen Worten zur Energiewende

Lesezeit 5 Minuten

RWE-Power- und Generation-Chef Matthias Hartung geht zum Jahreswechsel in den Ruhestand.

Rhein-Erft-Kreis – Begonnen hat die steile Karriere im Konzern an einem Rosenmontag in Eschweiler mit der Frage: „Was wollen Sie denn heute hier?“ Enden wird sie zu Silvester. Matthias Hartung, Vorstandsvorsitzender von RWE Power und Generation SE, geht in den Ruhestand. „Jetzt ist für mich persönlich der richtige Zeitpunkt, das Ruder an Jüngere zu übergeben“, sagt er.

Seit 1981 ist Hartung Mitarbeiter des Hauses RWE. Als gerade diplomierter Maschinenbauingenieur begann er am 2. März, besagtem Rosenmontag, im Tagebau Zukunft und fand in Eschweiler eine geschlossene Verwaltung vor, immerhin aber einen Zettel mit dem Hinweis, er solle sich beim Betriebsführer melden. „Ich bin dann mit den Kollegen zum Rosenmontagszug gegangen.“

Den Ruhestand will Hartung mit Ruhe angehen. Er wolle nicht den beruflichen Stress gegen Freizeitstress tauschen und gleich wieder große Ziele formulieren. „Erst einmal ankommen, mehr Zeit für die Familie haben, Sport treiben, Museen und Konzerte besuchen, reisen“, sagt er. Später könnten dann auch wieder größere Reisen geplant werden.

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Sein Vertrag laufe am 1. Januar planmäßig aus, sagt Hartung. Er habe dem Aufsichtsrat bereits vor einem Jahr mitgeteilt, dass er nicht erneut verlängern werde. „Der Job ist schon sehr anstrengend, aber ich habe ihn nie als belastend empfunden, und es macht immer noch Spaß“, zieht er Bilanz. Im Februar wird er 62 Jahre.

Im Rückblick sind für den Ingenieur die Großprojekte das Herausragende seiner Karriere. Die Bauphase und Inbetriebnahme von BoA II und III fallen in seine Amtszeit als Mitglied des RWE-Power-Vorstands, ebenso der Bau von Gaskraftwerken unter dem Dach der RWE Generation. „Es ist immer ein sehr schöner Moment, wenn solche Vorhaben abgeschlossen sind und ans Netz gehen.“ Viele gute Erinnerungen habe er auch an seine Zeit in Indonesien und unmittelbar nach der Wende im mitteldeutschen Braunkohlerevier in der Lausitz.

Seit 2003 gehört Hartung dem Vorstand von RWE Power an, war zwischenzeitlich zwei Jahre Vorsitzender der Geschäftsführung der RWE Technology GmbH, um im Januar 2013 den Vorstandsvorsitz bei RWE Power und Generation zu übernehmen.

Diese Zeit ist geprägt vom raschen Ausbau der erneuerbaren Energien und der immerwährenden Diskussion um die Braunkohle. „Das haben wir so nicht vorausgesehen“, räumt Hartung ein. Das sei aber kein Alleinstellungsmerkmal der konventionellen Energieerzeuger. „Die Energiewende ist immer noch eine Baustelle, die nicht planvoll angegangen wird“, schreibt er der Politik ins Stammbuch. „Wir brauchen keine nationalen Lösungen, sondern europäische.“

Die Arbeit im Tagebau Hambach muss nach Ansicht von Matthias Hartung planmäßig fortgesetzt werden.

Er bezweifle, dass es volkswirtschaftlich sinnvoll sei, die Erneuerbaren mit Milliarden zu subventionieren. Ebenso fragwürdig sei es, Klimaziele zu verfolgen, die 2010 festgelegt worden seien, als noch niemand etwas von Fukushima und vom Ausstieg aus der Kernenergie gewusst habe.

Hartung erinnert daran, dass die Leitentscheidung zur Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler erst von eineinhalb Jahren von den Grünen in der damaligen Landesregierung mitunterzeichnet worden ist und damals auch die Tagebaue Hambach und Inden im genehmigten Rahmen bestätigt worden sind.

Zähle man noch die CO2 -Reduzierung hinzu, die durch die Sicherheitsbereitschaft von Kraftwerksblöcken bis 2023 sowie durch das Auslaufen des Tagbaus Inden und das Abschalten des Kraftwerks Weisweiler bis 2030 hinzu, sei die aktuelle Diskussion in Berlin unverständlich.

Die in den gescheiterten Sondierungsgesprächen von CDU/CSU, FDP und Grünen diskutierte Reduzierung von Kohlekraftwerkskapazitäten von bis zu zehn Gigawatt sei nicht realistisch. Auch die von Bundeskanzlerin Angela Merkel ins Gespräch gebrachten sieben Gigawatt seien eine willkürliche Größe, von der man nicht einmal wisse, wie sie auf Stein- und Braunkohle verteilt werden solle.

„Wir müssen Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit gleichermaßen beachten und dürfen die Energieerzeugung nicht isoliert betrachten. Insbesondere Verkehr und auch der Wärmesektor müssen ihren Beitrag zur CO2 -Reduzierung leisten“, sagt Hartung. In diesem Zusammenhang sei der Klimaplan 2050 der alten Bundesregierung ein sinnvoller Wegweiser. Dem von CDU-Landräten der deutschen Braunkohlereviere angeregten Braunkohle-Gipfel im Bundeskanzleramt in Berlin kann Hartung nicht viel abgewinnen. „Davon halte ich nichts!“

Rückstellungen bei einem planmäßigen Auslaufen

Wie kommt der Konzern seinen Verpflichtungen nach, wenn Schluss ist mit der Braunkohlenförderung? Bei einem planmäßigen Auslaufen der Tagebaue seien genügend Rückstellungen gebildet, und es sei vertraglich klar geregelt, dass die RWE AG insgesamt für die Rekultivierung hafte. „Wir werden unseren Verpflichtungen nachkommen.“

Den großen Stromspeicher, der bei Dunkelflauten – wenn also weder die Sonne scheint noch der Wind weht – ausreichend Energie bereitstellt, sieht Hartung in den nächsten 20 Jahren nicht kommen. Und für den Strukturwandel insgesamt brauche man auch viel Zeit. Er vollziehe sich, wie man an der Arbeit der Innovationsregion Rheinisches Revier sehe, derzeit nur in kleinen Schritten.

Auf die Dauer werde RWE weiterhin in die Modernisierung des Kraftwerksparks investieren müssen, vor allem in Gaskraftwerke auch in Deutschland. Auch die Option auf den Bau von BoA plus werde das Unternehmen nicht fallen lassen, wenngleich die Umsetzung zurzeit nicht wirtschaftlich sei.

Zur Situation im Hambacher Forst betonte Hartung einmal mehr, dass das Unternehmen auf die zeitlich gestaffelten Rodungen dort nicht verzichten könne. Ein Stopp der Baumfällungen komme mit kurzer Zeitverzögerung einem Stopp des Braunkohleabbaus gleich.

Er habe kein Verständnis für die Gewalttätigkeit von Aktivisten im Hambacher Forst gegen RWE-Mitarbeiter und Polizisten. Und er erwarte, dass die Justiz alle gesetzlichen Möglichkeiten zur Bestrafung der Täter ausschöpfe.

Bei RWE Power tritt Frank Weigand die Nachfolge Hartungs an. Die Führung der RWE Generation übernimmt ab 1. Januar Roger Miesen.

Hartungs Karriereleiter

Matthias Hartung wird im Februar 62 Jahre alt, ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie in Köln. Er studierte Bergbau an der RWTH Aachen. Als Diplom-Ingenieur heuerte er 1981 bei der Rheinbraun AG im Tagebau Zukunft an. Nach einer Zwischenstation im Steinkohlebergbau in Indonesien kehrte er 1987 in den Tagebau Fortuna/Garsdorf zurück. Ab 1988 stieg er vom Vorstandsassistenten in Führungspositionen auf und wurde 2004 in den Vorstand der RWE Power AG berufen. 2010 wurde er Chef der RWE Technology GmbH und Anfang 2013 Vorstandsvorsitzender von RWE Generation und RWE Power. Matthias Hartung fährt gern Ski und zählt Lesen, Musik und Museumsbesuche zu seinen Hobbys. (fun)