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Germanwings-Absturz„Ich habe so gehofft, dass er nicht in diesem Flugzeug saß“

Lesezeit 4 Minuten

In Gedenken an ihren Kameraden Sven hatten Feuerwehrleute vor der Wache Kerzen und Blumen abgelegt.

  1. Der jüngste Sohn von Jürgen und Brigitte Fischenich aus Wesseling starb bei dem Germanwings-Absturz am 24. März 2015.
  2. „Am Vorabend haben wir noch miteinander telefoniert“, erinnert sich sein Vater Jürgen Fischenich.

WesselingDer Schmerz ist immer noch unendlich groß. „Wir stehen morgens mit Sven auf und gehen abends mit ihm schlafen“, sagen Jürgen und Brigitte Fischenich. Ihr jüngster Sohn wurde nur 33 Jahre alt. Er starb am 24. März 2015 beim Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen.

Der junge Mann war auf dem Heimflug von Barcelona nach Düsseldorf. „Am Vorabend haben wir noch miteinander telefoniert“, erinnert sich sein Vater Jürgen Fischenich. Sein Sohn sei ja öfter beruflich in Barcelona gewesen. „Und immer nahm er den frühen Flug nach Hause, die erste Maschine am Morgen“, sagt er.

In Gedenken an ihren Kameraden Sven hatten Feuerwehrleute vor der Wache Kerzen und Blumen abgelegt.

Am 24. März vergangenen Jahres habe er morgens im schwarzen Sessel im Wohnzimmer gesessen. Neben ihm im Kinderwagen schlief sein Enkelkind, das vier Monate alte Töchterchen seines Sohnes. Seine Schwiegertochter war kurz beim Arzt, seine Frau beim Sport, als über Newsticker plötzlich die Meldung von dem Absturz der Germanwings-Maschine über den Bildschirm lief. „Die erste Meldung lautete, dass ein Flugzeug von Düsseldorf nach Barcelona abgestürzt sei.“ Kurz danach dann die Korrektur. Seitdem ist nichts mehr, wie es vorher war.

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Jürgen Fischenichs Herz begann zu rasen. Angst breitete sich in ihm aus. Mit zitternden Händen griff er zum Telefon und rief im Büro in Barcelona an. „Ich habe so gehofft, dass er nicht in diesem Flugzeug saß“, sagt Jürgen Fischenich. Im Büro sei sein Sohn aber nicht mehr gewesen: „Die sagten mir dort, er ist schon abgereist.“ Inzwischen war seine Schwiegertochter nach Hause gekommen. Starr vor Entsetzen verfolgten sie zusammen die weiteren Meldungen.

„Sven stand auf der Passagierliste.“

Brigitte Fischenich war im Sportstudio. Die Trainingsstunde war zu Ende, als sich eine große Menschentraube vor dem Fernseher bildete. Die Nachricht habe ihr den Boden unter den Füßen weggerissen. Sie habe nicht weinen, nicht schreien können. „Man begreift das zuerst gar nicht“, sagt sie.

Verzweifelt versuchte zur gleichen Zeit zu Hause ihr Mann einen Kontakt zum Düsseldorfer Flughafen herzustellen. Doch die Homepage war abgeschaltet, nur eine Notrufnummer wurde eingeblendet. Viel zu lange habe es dann gedauert, bis sie endlich Kontakt bekommen hätten. „Man hat uns gesagt, wir sollten uns ein Taxi nehmen und kommen“, berichtet Jürgen Fischenich. Inzwischen war auch seine Frau zu Hause angekommen.

Gemeinsam mit ihrer Schwiegertochter fuhren sie im Taxi zum Flughafen. Abgeschirmt vom Publikumsverkehr wurden sie von Beamten in den Betreuungsraum geführt. „Wir nannten den Namen unseres Jungen“, erzählt Jürgen Fischenich. Sekunden später die traurige Gewissheit. „Sven stand auf der Passagierliste.“ Notfallseelsorger wollten sich um die Familie kümmern. „Aber wir waren unfähig, da zu bleiben, wir wollten nur ganz schnell wieder nach Hause“, sagt er.

Dort warteten inzwischen auch ihr Sohn Marc und enge Freunde ihres Jüngsten. Er war Mitglied bei der freiwilligen Feuerwehr Wesseling und Literat bei der Karnevalsgesellschaft Kornblumenblau.

Die Freunde haben der Familie bis heute beigestanden. „Wir sind nicht nach Frankreich zu den Angehörigentreffen gefahren“, sagt Jürgen Fischenich. Sie hätten das dort gar nicht ausgehalten. Geholfen haben ihnen der Zusammenhalt in der Familie, der Beistand der Freunde, der Trauergottesdienst im Kölner Dom und auch tags zuvor der Gottesdienst in der Wesselinger Kirche St. Germanus. „Dass so viele Menschen Anteil am Tod unseres Jungen genommen haben, tut gut, doch den Schmerz lindert es nicht.“

Für Jürgen Fischenich ist es Mord

Zum Schmerz kam Wut. „Je mehr sich herausstellte, dass der Pilot das Unglück absichtlich herbeigeführt hat, je größer wurde diese Wut“, sagt er. Für Jürgen Fischenich war das Mord. Dass ein Mensch 149 Unschuldige ermorde, könne er nicht begreifen. „Die Flugmediziner bei der Lufthansa hätten das verhindern können“, ist er nach dem kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht fest überzeugt. Sie hätten nachhaken und auf einem psychologischen Gutachten bestehen müssen. „Ein psychisch Kranker meldet sich doch nicht selber bei seinem Arbeitgeber, um dann den Arbeitsplatz zu verlieren“, so Jürgen Fischenich.

Er findet es zudem erschreckend, wie lasch das Personal in solch verantwortungsvollen Stellungen geprüft werde: „In Amerika hätte der Pilot mit dieser Erkrankung erst gar keine Flugerlaubnis bekommen.“

Die Beisetzung des Sohnes fand im engsten Familienkreis am 26. Juni statt. „Die Wartezeit bis zum Begräbnis, ohne einen Ort der Trauer zu haben, war grausam“, sagt Brigitte Fischenich. Auch am Jahrestag werden sie ans Grab gehen. „Wir wollen nicht zu diesen Massenveranstaltungen nach Frankreich, wir werden hier zu Hause gemeinsam mit den Freunden an unseren Jungen denken.“

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