Rhein-Sieg-Kreis – Stopp an der roten Ampel. Rund 90 Sekunden, um meinen Blick schweifen zu lassen, der oberhalb des Lichtsignals hängen bleibt. Das ist doch, das kann doch nicht sein: Ein Kamera-Auge, montiert an einer Stange, die wiederum an der Ampelmastspitze befestigt ist, guckt mich an. Werde ich gefilmt, und wenn ja, warum? Ist die Überwachungsstaat-Vision aus dem Science-Fiction-Klassiker „1984“ von mir unbemerkt Wirklichkeit geworden – Big Brother is watching you?
Gespenstisch: Überall an meinen Wegen hängen jetzt diese Kameras, an der neuen Verkehrsregelungsanlage an der Siegburger Wilhelmstraße zwischen Bundesstraße 56n und Landstraße 332, an der Abfahrt Sankt Augustin der Autobahn 560, auch entlang der alten B 56 durch Mülldorf, an der Hauptstraße in Troisdorf-Spich und und und. Das war doch nicht immer so?
Kameras teurer als Schleifensystem
In den vergangenen Jahren hätten sich die Apparate stark vermehrt, bestätigt Sebastian Bauer vom Landesbetrieb Straßen NRW meine Beobachtungen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Meine Befürchtung, dass ich nun auf Schritt und Tritt und hinter dem Steuer beobachtet werde, räumt Bauer aber aus. Weder zu meiner Verunsicherung noch zu meiner Sicherheit hingen dort die Apparate mit den runden Linsen, erklärt der Experte, „sie dienen lediglich dem Verkehrsfluss“. Die Kameras funktionieren wie Bewegungsmelder und teilen der Ampel elektronisch mit: Hier wartet jemand auf Grün. Dann wechselt das Lichtzeichen, früher oder später. Wann genau, hänge von der Programmierung ab, erläutert Bauer. Die neue Technik ersetzt nach und nach die Induktionsschleifen im Asphalt, auch wenn diese jahrzehntelang gebräuchlichen Kabel nur halb so teuer sind. 976 Euro kostet eine Kamera, die bloße Schleife etwa 445 Euro, „hinzu kommen aber noch die nötige Verrohrung, die längere Verkabelung und die Abzweigkästen, so dass der Aufwand vergleichbar ist“, erläutert der Sprecher des Landesbetriebs Straßen.
Das Problem sei die Reparatur der im Boden verlegten Leitungen. Je nach Straßenzustand halten die Kontakte gerade mal fünf bis zehn Jahre. Risse und Verwerfungen, die vor allem durch den zunehmenden Schwerlastverkehr entstehen, beschädigten die Induktionsschleifen. Häufig sei die Oberfläche so kaputt, dass es nicht ausreiche, den Asphalt nur schmal für das neue Kabel aufzuschneiden; in einem solchen Fall müsse die komplette Fahrbahn erneuert werden, sagt Bauer. Das sei zeit- und kostenintensiv. Und die Baustelle behindere den Verkehr, der doch durch die Technik beschleunigt werden solle. Eine Kamera zu installieren sei hingegen viermal so schnell erledigt.
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Gute Aussichten also. Und vielleicht sind die Augen am Ampelmast ja ein Schritt hin zur Wunsch-Vision aller Autofahrer – zur grünen Welle? Verkehrsfachleute sind da skeptisch. Zu viele Unwägbarkeiten, wie kreuzende Fußgänger, Langsam- und Schnellfahrer oder einfach viel zu viel Autos sorgen zwischen den Lichtzeichenanlagen für Staus. Und Kreisverkehre sind, das zeigt die Praxis, für viel befahrene Straßen auch keine Lösung.