Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

SiebengebirgmuseumNeue Sonderausstellung beleuchtet das Schicksal von NS-Opfern in Königswinter

Lesezeit 4 Minuten
Hinter einer schweren alten Holztür, die halb geöffnet ist, stehen Menschen in einem Raum.

Die Tür aus dem ehemaligen Gefängnis an der Bonner Wilhelmstraße in dem auch politische Gefangene inhaftiert wurden, befindet sich in der Ausstellung in Königswinter.

Die neue Sonderausstellung im Siebengebirgsmuseum Königswinter beleuchtet die Schicksale von NS-Opfern in Königswinter.

Welch ein Begrüßungskomitee: Wer auf dem Weg zur neuen Sonderausstellung das Königswinterer Siebengebirgsmuseum betritt, läuft als erstes einer Horde Nazis in die hochgereckten rechten Arme. Glück gehabt: Es ist nur ein beklemmendes Foto von 1938, aufgenommen am Anleger der Köln-Düsseldorfer bei einer Parteikundgebung.

Gleich dahinter ein Bild des KZ Auschwitz, sinnbildlich für die Opfer des Regimes. Um sie geht es, und hier ganz speziell um jene aus dem Siebengebirge. Der Blick auf die engere Region um Königswinter und Bad Honnef zeigt, wie eng der Griff des braunen Machtapparates mit seinem Willen war, auszugrenzen und zu morden.

Auch am Rhein wurden Menschen denunziert

Auch am Rhein wurden Menschen als andersartig denunziert, wurde Menschen ihr Menschsein abgesprochen, wurden Menschen in den Selbstmord getrieben oder in die Gaskammern deportiert. „Es waren Nachbarn, Schulkameraden und Sportkameraden“, sagte Bürgermeister Lutz Wagner am Sonntag und brachte damit das Beklemmende auf den Punkt, das die Ausstellung ganz hervorragend zu vermitteln vermag. Deren Titel: „Ausgegrenzt. Verfolgt. Ermordet. Die Opfer des Nationalsozialismus im Siebengebirge“.

Alles zum Thema Landschaftsverband Rheinland

In einem Ausstellungsraum hängen Bilderrahmen mit Porträtfotos von NS-Opfern  an der Wand.

Der Gedenkraum für jüdische Bürger aus Königswinter im Museum.

Nicht die Täter stehen hier also im Mittelpunkt. Wer die Hitler grüßenden am Eingang und einige wenige Fotos von defilierenden Uniformierten – darunter eine Abordnung der damaligen Stadtverwaltung – passiert hat, bekommt in Form von Hakenkreuzwimpeln und ähnlichen Attributen eine kleine Auswahl dessen zu sehen, was damals im Alltag omnipräsent war.

Dazu weitere, oft nur kleine und unscheinbare Dinge wie ein Haushaltsbüchlein mit den Ausgaben eines typischen Haushalts: „Kragen reinigen – 0,75 Reichsmark“ steht da, „Fahrgeld Bonn – 0,40“ und „Parteibeitrag – 1,80“. Weiter geht es an Seiten aus dem Reichsgesetzblatt mit den obszönen „Rassegesetzen“ vorbei. Alles ist gut verständlich, angenehm kurz und doch enorm informativ kommentiert.

Den Museumsleuten um Leiterin Sigrid Lange und Kurator Ansgar Klein ist es gelungen, aus der Fülle dessen, was man zeigen könnte, eine Auswahl zu treffen, die so logisch wie einfühlsam ins Thema hineinführt – und sei es nur eine Karte mit den umbenannten Straßen. Der Frankenweg etwa trug Hitlers Namen.

Den Weg in den zweiten Raum scheint erst einmal eine niedrige, düstere und schwere Tür zu versperren. Sie stammt aus dem Strafgerichtsgefängnis in Bonn und verschloss einst eine Zelle, in der die Nazis ihnen Unliebsame wegschlossen. Niemand muss mehr hindurch, denn weiter geht es gleich daneben.

Vergilbte Karteikarten in einer braunen Karteikiste aus Holz.

Personalkarteikarten ehemaliger Zwangsarbeiter und anderer Beschäftigter des Rüstungsbetriebs „Aero-Stahl", der in den Ofenkaulen arbeiten ließ.

Nächste Station ist das Haus an der Falltorstraße in Oberdollendorf, in das Angehörige von Polizei, Verwaltung und Partei Juden brachten, bevor sie in Lager kamen. In dieser begehbaren Installation wird es konkret, dort bekommen die Opfer Gesichter und Namen. Etwa die Familie Süskind, die dort gewohnt hatte und deren Angehörige vertrieben wurden, in den Freitod getrieben oder umgebracht.

Nicht von allen Opfern sind Bilder erhalten, dennoch wird erschütternd deutlich, wie viele Menschen betroffen waren – Juden, „Politische“, „Asoziale“ und jene, die im Jargon etwa als „Schwachsinnige“ zu „unwertem Leben“ entmenschlicht waren. „Euthanasie“ hieß, was den Mord an psychisch Kranken oder an Menschen mit Down-Syndrom bedeutete.

Auch Ärzte in der Region meldeten Betroffene. Das zeigt eine Karte, auf der sich ihre Praxen ebenso anklicken lassen wie Betriebe, in den Zwangsarbeiter Maschinen bedienten und Ernten einbrachten. Der dritte Raum schließlich gilt der Erinnerungskultur und ihrer Entwicklung seit Ende des „Dritten Reichs“, in jüngerer Vergangenheit etwa mit Stolpersteinen, öffentlichen Veranstaltungen und Gedenktafeln.

Eine hängt derzeit in der Ausstellung, nachdem sie wegen Renovierungen vor ein paar Jahren ihren Platz am Rathaus verlassen hatte. Wie furchtbar aktuell die Ausstellung in Zeiten des Rechtsrucks nicht nur in Deutschland ist, zeigen Pressezitate von Menschen, die heute wieder Angst haben müssen: Juden, Homosexuelle, Ausländer in Deutschland. „Was macht Dir Angst?“, werden die Besucher gefragt. Für Antworten gibt es Zettel, die an die Pinnwand geheftet werden. Eine ergreifende Ausstellung. Prädikat: sehenswert.


Rahmenprogramm

Die Ausstellung „Ausgegrenzt. Verfolgt. Ermordet“ ist bis zum 16. November im Siebengebirgsmuseum Königswinter, Kellerstraße 16, zu sehen; dienstags bis freitags 14 bis 17 Uhr, samstags 14 bis 18 Uhr, sonn- und feiertags 11 bis 18 Uhr. Eintritt fünf Euro, ermäßigt 2,50 Uhr.

Kurator der Ausstellung ist der Historiker Ansgar Klein. Mit organisiert wurde sie von Gabriele Wasser vom Jüdischen Lehrraum im Brückenhofmuseum Oberdollendorf. Finanziell dabei ist der Landschaftsverband Rheinland.

Zum Rahmenprogramm gehören unter anderem Kuratorenführungen an den Sonntagen 23. März, 1. Juni, 7. September, 19. Oktober und 16. November (jeweils 17 Uhr). Vorträge im Rahmen der Reihe „Kostprobe“ gibt es jeweils mittwochs am 9. April (Die Verfolgung der Familie Süskind), am 21. Mai (NS-Geschichte des Siebengebirges), am 10. September (Medizinverbrechern der Nationalsozialisten) und am 8. Oktober (Zwangsarbeit im Siebengebirge).