Rhein-Sieg-Kreis – „Schlimm, ganz schlimm. Sowas habe ich noch nie erlebt.“ Oft fahren Alexandra und Andreas Papke von Hennef aus nach Köln, doch eine Fahrt wie die am Samstag haben sie noch nie erlebt.
Hitze, weder frische Luft noch Klimaanlage, dicht an dicht stehende Fahrgäste im Waggon der S-Bahn-Linie19. Die wenigsten hielten sich an die Maskenpflicht. Ab Troisdorf wurde es immer schlimmer. Die Türen schlossen nicht, weil die Leute in den Lichtschranken standen. Eine „Horrorfahrt“ nennen die beiden, was sich an Bahnsteigen und in überfüllten Zügen abspielte.
Jede Menge Partygänger sind Richtung Köln unterwegs
In die zuvor am Hennefer Bahnhof eingefahrene RE 9 stiegen die beiden erst gar nicht ein, der Zug war bereits restlos überfüllt. „Mir tun die Leute sehr leid, die zur Arbeit müssen oder mit Koffern unterwegs sind. Die haben keine Chance, einfach eine Katastrophe“, sagt die Henneferin. Gleichwohl nimmt sie die Deutsche Bahn in Schutz, die könne nichts dafür, „mit dem Billigticket sind sie überfallen worden.“
Anziehungskraft entfaltet das Neun-Euro-Ticket offenbar bei vielen an diesem Pfingstwochenende, und gerade auch bei jüngeren Fahrgästen; mit dem Ticket sind jede Menge Party-, Konzert- und Kneipenpilgern in die Metropole Köln unterwegs.
Richtung Osten können Ausflügler entspannt reisen
Bahnsteig 2 am Hennefer Bahnhof, Abfahrt Richtung Au: Nur wenige Fahrgäste warten, einige tragen Rucksäcke dabei. Ingrid Au und Brigitte Jung sonnen sich auf der Bank, die beiden kamen mit der Buslinie 516 aus Bonn-Holzlar, „der Busfahrer war froh, dass wir zu zweit drin saßen“.
Ziel der Freizeitpilgerinnen sind die Wasserfälle in Schladern, vielleicht auch die Burg Windeck. Auf deutlich mehr Mitreisende, dichtes Gedränge hatten sie sich eingestellt – aber Pustekuchen. Das macht den beiden passionierten ÖPNV-Reisenden noch mehr Lust auf bevorstehende Trips: Aachen, Trier, Wuppertal und Berlin stehen schon auf dem Plan.
Im Regionalexpress Richtung Au haben es sich Andreas Bodora und Markus Kneubühler gemütlich gemacht. Mühe einen Platz zu finden hatten die beiden nicht, überhaupt ist die Reise im fast leeren Zug entspannt. Die Männer kamen aus der Schweiz, bei der mehr als sechs Stunden langen Zugfahrt – von Basel nach Siegburg mit dem ICE, dann weiter bis Betzdorf – habe es keine Probleme gegeben.
Mit dem 9-Euro-Ticket statt mit dem Auto nach Schladern
Wanderschuhe, Rucksack und Karte: Keine Frage, Andreas Weller und Angela Kramer sind deutlich als Freizeitpilger erkennbar. In Schladern steigen die beiden aus, freuen sich auf die Wanderung im Windecker Ländchen.
Gäbe es das Neun-Euro-Ticket nicht, „wir wären sonst mit dem Auto hergefahren“, sagt der Lohmarer. Überhaupt frage er sich, warum es das Angebot nicht schon längst gebe, Bahnfahren würde für viele attraktiver und ein Verzicht aufs Auto erleichtert.
Vierköpfige Familie spart jetzt sechs Euro pro Person
Alexandra und Philippe Hesse stehen am Fahrkartenautomat, die Söhne Ben (7) und Leven (8) schauen gespannt auf den wartenden Bus; gerade hat sich die Familie mit dem Discount-Ticket versorgt. Das öffentliche Nahverkehrsangebot nutzen Eltern und Kinder auch sonst in ihrer Freizeit; diesmal geht’s mit der Buslinie 579 von Schladern zum Künstlerweg in Herchen.
Allerdings sparen sie pro Nase ab jetzt sechs Euro, „für uns eine wirklich tolle Sache.“ Größere Reisen sind nun auch schon geplant, im Sommer reist die vierköpfige Familie nach Lübeck, Hachenburg und Bremen.
Michelle und Christoph Bautz fahren mit der Regionalbahn nach Köln. In Au hält sich der Andrang noch in Grenzen, doch der Zug ist voll. Unten ist nichts mehr frei, im Eingangsbereich und auf der Treppe in den oberen Zugteil sitzen und stehen Fahrgäste dicht gedrängt. Sitzplätze für sich und die Kinder Mila (5) und Belá (8) finden sie noch, sind erleichtert.
Die Familie kommt aus Hachenburg, und wäre gerne mit dem Bus nach Au gekommen. Doch im Verkehrsnetz klaffen Lücken, „es gibt keine Verbindung. Großen Nachholbedarf sieht Christoph Bautz beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs im Westerwaldkreis: „Mein Wunsch wäre, dass die Busse so stark genutzt werden, das man etwas tun muss.“