AboAbonnieren

„Sind mittendrin“Volle Arztpraxen, Engpass bei Fiebersäften – Infektionswelle trifft Rhein-Sieg

Lesezeit 3 Minuten
Medikamente und ein Fieberthermometer liegen auf einem Nachttisch.

Die Statistik weist deutlich mehr Grippe-Fälle aus als im vorigen Jahr um diese Zeit. (Symbolbild)

Jeden Tag ruft eine Sankt Augustiner Apothekerin beim Großhandel an und fragt nach, was verfügbar ist. „Wenn es etwas gibt, schlagen wir zu.“

Nahezu jeder kennt derzeit jemanden, der hustet oder schnieft. Die Zahl der Atemwegserkrankungen ist nicht nur gefühlt sehr hoch, sondern statistisch belegt so hoch wie seit Jahren nicht mehr. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hat ermittelt, dass sich die Zahl der Influenza-Erkrankungen in Nordrhein-Westfalen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als vervierfacht hat. „Wir sind gerade mittendrin in einer Infektionswelle, die Arztpraxen sind entsprechend voll“, bestätigt Jacqueline Hiepler, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Rhein-Sieg und Hausärztin in Hennef.

„Am ersten Tag, an dem es kalt wurde, ging es richtig los“, sagt die Medizinerin. Dabei hätten es die Hausärzte mit einem „Potpourri der Infektionskrankheiten“ zu tun – von Influenza über das RS-Virus bis hin zu Corona. Auffällig sei, so Hiepler, dass es schon den ganzen Sommer über Infektionen gegeben habe. „Unterschwellig lief das immer mit.“ Nun sei mit den tieferen Temperaturen auch der Zeitpunkt gekommen, um sich nach drei Jahren mit Maske wieder mit Viren auseinanderzusetzen. „Die Grippewelle gab es während der Corona-Pandemie in dieser Form nicht, das wird nun mit Wegfall der Schutzmaßnahmen nachgeholt“, erklärt Hiepler.

Hausärztin aus Hennef hält Rückkehr zur Maskenpflicht nicht für sinnvoll

Auf die Infektionswelle nun mit einer Rückkehr zur Maskenpflicht zu reagieren, hält die KV-Vorsitzende allerdings für wenig sinnvoll. „Wir leben nicht in einem sterilen Umfeld“, sagt Hiepler. Die Menschen müssten in der Lage sein, mit Keimen umzugehen. „Sich zu entziehen, bedeutet letztlich nur, schwächer zu werden“, so die Hausärztin.

Eine Ärztin sitzt am Schreibtisch.

Die Hennefer Ärztin Dr. Jacqueline Hiepler hält eine Rückkehr zur Maske für wenig sinnvoll. (Archivbild)

Wichtig sei aber gerade für Menschen über 60, sich impfen zu lassen. 30 Prozent der Menschen aus dieser Gruppe, so Hiepler, würden sich im Rhein-Sieg-Kreis impfen lassen. Die Belastung der Praxen sei hoch, derzeit aber noch handhabbar. „Solange das Personal gesund bleibt, ist alles gut. Wenn wir Krankheitsfälle haben, geraten wir aber schnell an unsere Grenzen“, sagt sie.

Die Infektionswelle ist auch in den Apotheken deutlich spürbar. Der Andrang sei derzeit entsprechend groß, sagt Ulrike Jüngel-Sandner, Inhaberin der Augustinus-Apotheke in Sankt Augustin und Sprecherin der Apotheken im rechtsrheinischen Rhein-Sieg-Kreis. „Wir sind das aber gewohnt. Jedes Jahr nach den Herbstferien, wenn Kindergärten und Schulen wieder voll werden, kommen die Infektionskrankheiten“, berichtet sie.

Apothekeninhaberin aus Sankt Augustin „sieht einfach kein Land“

Diesmal gebe es allerdings schon Lieferengpässe bei bestimmten Medikamenten. Antibiotikasäfte etwa seien sehr knapp, manche könnten nicht nachbestellt werden. Eine Mitarbeiterin der Apotheke rufe jeden Tag beim Großhandel an und frage nach, was verfügbar sei. „Wenn es wieder etwas gibt, schlagen wir zu“, so Jüngel-Sandner.

Die größten Sorgen bereitet der Apothekeninhaberin, dass immer mehr Apotheken und Hausärzte in ländlichen Regionen verschwinden. Das Geschäft sei einfach nicht mehr rentabel. Seit elf Jahren sei die Bezahlung der Apothekerinnen und Apotheker nicht erhöht worden, obwohl es durch die seit einigen Jahren anhaltenden Lieferengpässe zu immer mehr Arbeit in den Apotheken komme. Die Inflation sei da noch nicht eingerechnet. „Wir sehen einfach kein Land“, so Jüngel-Sandner.

Helios-Klinikum in Siegburg registriert Anstieg an Corona-Patienten

Noch „relativ ruhig“ ist es zurzeit dagegen in der Asklepios-Kinderklinik in Sankt Augustin. Der ärztliche Leiter, Professor Gerd Horneff, kann zurzeit „noch keine typische Erkältungswelle bei den jungen Patienten feststellen“. Zwei bis drei Kinder mit Corona oder dem RS-Virus seien auf Station. Er empfiehlt jedoch, dass die Eltern sich auf „jeden Fall gegen Corona impfen lassen sollen“, weil es fast immer sie sind, die dann ihre Kinder ansteckten. Kinder bräuchten dagegen nicht geimpft zu werden, lautet seine Einschätzung.

Einen „leichten Anstieg an Patienten mit einer Covid-19-Infektion“, verzeichnet das Helios Klinikum in Siegburg. Die Zahl liege derzeit im niedrigen zweistelligen Bereich, sagt Klinik-Sprecherin Caroline Hensiek. Grundsätzlich bestehe bei Corona eine gute Grundimmunität durch Impfung und Erkrankungen in der Bevölkerung, „so dass bei den aktuell zirkulierenden Varianten hoffentlich nur mit einer sehr niedrigen Anzahl schwerer Verläufe zu rechnen ist“.