Troisdorf – Schalten kann man mit diesem Getriebe nicht, dafür übersetzt es Drehmoment und Drehzahl von gleich zwei Antriebsmotoren. Für ein Auto wäre das Bauteil aber auch bei weitem zu schwer: Mehrere hundert Tonnen wiegt das größte bisher je gebaute Schneidkopfgetriebe. In diesen Tagen verließ es die Fertigungshalle der C.u.W. Keller GmbH & Co. KG an der Bonner Straße.
Per Binnenschiff nach Rotterdam
„Das geht erst nach Niederkassel“, erläuterte Verena Grüters, Leiterin der Abteilung Service und Reparatur des Schlossereibetriebs. Mit Unterstützung der Firma Evonik, die am Rhein nicht nur die Anbindung, sondern auch den passenden Kran habe, um ein so gewichtiges Frachtstück zu verladen, komme das Getriebe auf ein Binnenschiff. Dessen Ziel ist eine Werft bei Rotterdam in den Niederlanden.
Anfang 2015 haben bei Keller an der Bonner Straße die Arbeiten an dem Projekt begonnen. 2016 schließlich wurden sich Keller und der Auftraggeber, die belgische Dredging Environmental & Maritime Engineering (DEME), handelseinig: Insgesamt sieben Getriebe liefern die Troisdorfer an die Auftraggeber, das größte übertrifft mit seinen Abmessungen alles bisher hier hergestellte.
Sieben Meter breit, fünf Meter hoch und sechs Meter tief ist das Getriebe; bis zu drei Meter Durchmesser haben die verbauten Zahnräder. Das Gewicht könne man nur schätzen, erklärten Projektleiter Marek Gechert und Verena Grüters. Allein die Farbe wiege ja bei diesen Größenordnungen schon eine ganze Menge.
Eigens eine neue Hubbühne eingebaut
Die außergewöhnlichen Abmessungen spielten von Anfang an eine Rolle: „Das müssen wir bei jedem Konstruktionsschritt bedenken“, sagte Marek Gechert. Passt ein Bauteil durch die Tür, lässt es sich intern bewegen? So wurde eigens für die Verladung des größten Getriebes eine mobile Hubbühne in die Fertigungshalle eingebaut. „Die Bühne hat eine Gesamtkapazität von 500 Tonnen“, gibt Tobias Kittler von der beauftragten Firma Wimmer aus Krefeld Auskunft. Noch größer geht nun wohl nur noch mit einer neuen Halle. „Länger hätten die Träger nicht sein dürfen, die Halle hätte nicht schmaler sein dürfen“, weiß Kittler.
Getriebe wird in 164-Meter-Schiff eingebaut
Erste Gespräche mit den Kunden über die Technik für einen 164 Meter langen Schiffsneubau gab es schon zu Beginn des Jahres 2015. Nicht zum ersten Mal hat das Unternehmen in Troisdorf eingekauft, um seine Spezialschiffe auszurüsten.
Oberlarer Technik im Einsatz in Dubai
Mit Technik aus Oberlar wurde unter anderem die Landanschüttung „The Palms“ in Dubai bewältigt; Schiffe mit Schneidbohrtechnik haben den Suez- und den Panamakanal ausgebaggert. Aber auch an der deutsche Nordseeküste sind derartige Schiffe im Einsatz, um die nötige Tiefe für moderne Riesenschiffe zu schaffen.
Die angestrebte Vielseitigkeit schrieben die Belgier auch ins Lastenheft, das Marek Gechert und seine Kollegen bei der Konstruktion zu erfüllen hatten: Als er sich im Dezember 2016 ans Werk machte, ging es unter anderem um die Beständigkeit gegen große Hitze oder arktische Kälte. „Das muss man bedenken bei der Werkstoffwahl“; auch wenn das Getriebe halb im Wasser steht – beim Bohren öffnet sich das Schiff nach unten – muss die Technik funktionieren.
Schlosserei hat über 100-jährige Geschichte
1901 gründete Carl Keller die Schlosserei gleichen Namens, seit 1917 stellt das Unternehmen Zahnräder her. Der Firmengründer starb 1951, seine Söhne Karl und Wilhelm Keller übernahmen die Führung.
Karl F. Keller trat 1967 an die Spitze des Unternehmens, zugleich begann die weltweite Lieferung von Produkten. Im Jahr 1981 zog der Betrieb aus der Troisdorfer Innenstadt an den heutigen Standort, die Bonner Straße. Die Produktpalette wurde erweitert, in den 80er Jahren kamen Getriebe für die Nahrungsmittel-, die Zement-, Chemie- und Aluminiumindustrie hinzu. Auch der Schiffsbau wurde in dieser Zeit ein Betätigungsfeld.
Seit dem Jahr 2000 ist Dirk Keller Geschäftsführer des Unternehmens C.u.W. Keller. In den Jahren von 2003 bis 2013 investierte die Geschäftsleitung insgesamt 30 Millionen Euro in die Modernisierung des Maschinenparks. Heute beschäftigt das Troisdorfer Unternehmen 185 Mitarbeiter, darunter sind rund zehn Prozent Auszubildende. (dk)
Zumindest im Trockenen hat das Getriebe einen ersten Probelauf bestens bestanden, „das ist schon spannend“, räumte Gechert ein. Nach dem Einbau in das fertige Schiff, das den Namen „Spartacus“ tragen soll, wird es weitere Erprobungen geben. Und damit weitere Fahrten ins niederländische Kinderdijk für den 38-Jährigen.
„Solche Projekte sind nur zu realisieren im engen Kontakt mit dem Kunden“, sagte Verena Grüters. In der Halle an der Bonner Straße indes erinnert schon heute nur noch der Geruch nach frischer Lackfarbe an den gewaltigen Auftrag.