Neue Windanlagen sollen in NRW nur noch in eigens dafür ausgewiesenen Gebieten entstehen. Doch die werden erst Ende 2025 feststehen.
Schwarz-Grün stoppt VorhabenDer Bau von 1427 Windrädern in NRW ist in Gefahr
Im Streit um die Windkraft bemüht sich die schwarz-grüne Landesregierung, dem Eindruck entgegenzuwirken, sie blockiere den Bau von 1427 Windrädern in NRW. Die könnten außerhalb der Vorranggebiete in den fünf Regierungsbezirken und dem Ruhrgebiet entstehen, weil die Genehmigungen oder zumindest die Vorbescheide schon erteilt sind. Diese Vorrangflächen werden aber wohl erst Ende 2025 rechtssicher und damit endgültig feststehen. Für sie liegen 746 Bauanträge vor.
Bis dahin will die Landesregierung verhindern, dass Windrad-Unternehmen die bisherige Rechtslage nutzen und Bauanträge für Gebiete außerhalb dieser Flächen durchdrücken, bei denen Konflikte mit Anwohnern, Kommunen und der Landespolitik vorprogrammiert sind. Deshalb hat sie den Bund erfolgreich gedrängt, das Immissionsschutzgesetz anzupassen und in der vergangenen Woche im Landtag zusätzlich noch einmal das Landesplanungsgesetz geändert. Aus ihrer Sicht sind damit alle Schlupflöcher dicht. Der erste Versuch im Herbst war schiefgegangen – das Oberverwaltungsgericht Münster hatte mit zwei Urteilen den Anlagenbauern recht gegeben.
Übergangsregelung dauert sechs Monate
Jetzt folgt also ein neuer Anlauf: Für maximal sechs Monate gilt ab sofort, dass neue Windräder, die außerhalb der Vorrangflächen geplant sind, nicht mehr pauschal genehmigt werden, sondern jeder Einzelfall geprüft werden muss. Das dürfte die Verfahren verlängern. Es sei denn, die Rechtslage ist so eindeutig wie beispielsweise bei Repowering-Anlagen. Darunter versteht man den Austausch älterer durch neue leistungsstärkere Wind-Turbinen.
Alles zum Thema Christian Lindner
- Mahnwache Proteste in Bergisch Gladbach gegen CDU und AfD
- Wahlkampf FDP-Chef Christian Lindner sprach in Siegburg vor rund 500 Gästen im Friendly City Hotel Oktopus
- Wortgefecht auch mit Lindner bei X „Disqualifikation“ für Kanzleramt – Habeck attackiert Merz bei Auftritt in Köln
- Demonstrationen geplant Bündnis „Köln stellt sich quer“ kritisiert Tabubruch im Bundestag
- Bundestagswahl 2025 Diese vier Spitzenpolitiker stellen sich Ihren Fragen
- „Liebe meine Arbeit“ Lindners Ehefrau Franca Lehfeldt wehrt sich gegen „Rabenmutter“-Vorwurf
- „CL König der Clowns“ Gruppe mit Clownsnasen stört Lindner-Auftritt
Sechs Monate sind aus Sicht der Landesregierung ausreichend als Übergangsregelung. Sie geht davon, dass dann die neuen Regionalpläne in allen fünf Regierungsbezirken und im Ruhrgebiet beschlossen sind und es klare Regeln gibt.
Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) sieht das deutlich kritischer. Die bislang vorliegenden Pläne seien als Grundlage für neue Windenergieprojekte untauglich. In einigen Regionen seien Flächen vorgesehen, die keinen wirtschaftlichen Betrieb von Windrädern ermöglichen. In zwei Planungsregionen soll laut LEE NRW „durch die Hintertür“ der umstrittene 1000-Meter-Mindestabstand wieder eingeführt werden, den der Landtag 2023 abgeschafft hatte.
„Es sind noch reichlich Korrekturen notwendig, die schnell kommen müssen, damit der Windenergieausbau im Land nicht an Fahrt verliert und die Landesregierung die eigenen Ziele für den Ausbau der Windenergie erreichen kann“, sagt der LEE-Chef Hans-Josef Vogel.
Seine Kritik, die Antragsteller der 1427 Windräder außerhalb der Vorranggebiete müssten mit der Planung von vorn beginnen und ihre bereits getätigten Investitionen abschreiben, will die Landesregierung nicht gelten lassen. Man habe sehr früh dargelegt, wie man sich den Windkraftausbau vorstelle. Das Risiko, außerhalb der Vorrangflächen zu investieren, müssten die Unternehmen tragen, heißt es.
„Die Menschen erwarten zu Recht, dass sie vor Ort Einfluss auf den Ausbau der Windenergie nehmen können. Mit unserem Vorschlag steuern wir den Ausbau auf die dafür vorgesehenen Flächen – hier sind in NRW bereits weitere 750 Anlagen beantragt. So machen wir weiter Tempo beim Ausbau der Erneuerbaren“, sagt Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) auf Anfrage. „Nordrhein-Westfalen hat bei der Energiewende in den letzten zweieinhalb Jahren geliefert wie kein anderes Bundesland. Doch wir brauchen auch klare Rahmenbedingungen aus Berlin: Die neue Bundesregierung muss jetzt mit höchster Priorität eine Kraftwerksstrategie vorlegen, die Investitionen in wasserstofffähige Gaskraftwerke ermöglicht. Nur so können wir den vorgezogenen Kohleausstieg sichern und die Integration der vielen neuen Windenergieanlagen ins Energieversorgungssystem leisten.“
Merz hält Windräder für Übergangstechnologie
Unabhängig von dieser Diskussion könnte je nach Ausgang der Bundestagswahl der Windrad-Boom in NRW schnell wieder vorbei sein. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte die Windkraft-Technologie unlängst bei einem Wirtschaftsempfang in Winterberg im Sauerland als Übergangstechnologie und „hässlich“ bezeichnet: „Ich möchte noch erleben, dass die Anlagen abgebaut werden.“
Damit war Merz bei NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) auf Kritik gestoßen. „Energiepolitik entzieht sich von jeher per se einer ästhetischen Debatte“, hielt Wüst dagegen. Weder seien Kraftwerke schön noch Braunkohlelöcher. „Und man muss auch weder das Solardach schön finden, noch ein Windrad.“ In einem Land, das viel Energie verbrauche, werde wahrscheinlich immer etwas getan, was irgendjemand nicht schön finde.
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien habe NRW bei der Windkraft seine Ausbauziele fast erreicht. Unter den deutschen Bundesländern habe NRW gerade die größte Dynamik. Klar sei aber, dass der Ausbau gesteuert werden müsse.
FDP-Chef Christian Lindner fordert ein komplettes Ende der Förderung von Windkraft- und Solaranlagen nach der Wahl. Die erneuerbaren Energien „sind längst marktreif, die benötigen keine Subventionen mehr“, sagte Lindner der „Augsburger Allgemeinen“. Der Ausbau der Erneuerbaren sei inzwischen sogar so schnell vorangeschritten, dass das Netz nicht mehr hinterherkomme. „Wir sollten uns deshalb an dem orientieren, was physikalisch möglich und ökonomisch vernünftig ist und nicht an dem, was grüne Parteitage beschließen“, so Lindner weiter: „Das ruiniert uns.“ Mit dieser Politik gehe „unser Land vor die Hunde“. (mit dpa/afp)