- Am 4. Mai starb die dreijährige Greta. Rechtsmediziner fanden Spuren, die auf Gewalteinwirkung hindeuteten.
- Seit 2017 passierten mehrere verdächtige Fälle in Kindertagesstätten, in denen die Tatverdächtige Sandra M. tätig war.
- Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im NRW-Landtag, sieht „gravierende Pannen mit schrecklichen Folgen“
Viersen – Der Tod der dreijährigen Greta, die in Viersen von ihrer Erzieherin ermordet worden sein soll, hätte wahrscheinlich verhindert werden können. Das räumte Lorenz Bahr, der Leiter des LVR-Landesjugendamtes, bei einer Sondersitzung des Familienausschusses im Landtag ein.
In drei Kitas, in denen die Tatverdächtige Sandra M. zuvor tätig war, hatte es Notfälle und Notfalleinsätze gegeben. Diese waren aber nicht wie vorgeschrieben an das Landesjugendamt gemeldet worden. Die Häufung der Fälle wäre dem Landesjugendamt „wahrscheinlich aufgefallen“, sagte Bahr.
Erzieherin im Homeoffice
Das getötete Mädchen war am 21. April von einem Notarzt wegen Atemstillstands aus dem Kindergarten in Viersen ins Krankenhaus gebracht worden. Am 4. Mai starb das Kind dort. Rechtsmediziner fanden Spuren, die auf Gewalteinwirkung hindeuteten.
Die tatverdächtige Erzieherin hatte vor der Tat bereits gekündigt und Resturlaub genommen. Ab Anfang Mai hatte sie einen Arbeitsvertrag bei einer Kita in Geldern. Einige Tage sollte sie noch im Homeoffice arbeiten. An ihrem vorletzten Arbeitstag war sie jedoch noch einmal zur Notbetreuung herangezogen worden und mit dem Kind im Schlafraum allein geblieben.
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In gleich drei Kitas, in denen die 25 Jahre alte Frau zuvor gearbeitet hatte, hatte es während ihrer Zeit Notfälle und Notarzteinsätze gegeben. Nach derlei Vorkommnissen sind Pflichtmeldungen an das Landesjugendamt eigentlich üblich. In diesen Fällen blieben die Träger untätig, sagte Bahr.
Am Mittwoch hatte bereits die Staatsanwaltschaft Kleve eingeräumt, bei einer Ermittlung wegen Vortäuschens einer Straftat im Jahr 2019 Erkenntnisse zur psychischen Verfassung der Kindergärtnerin nicht wie vorgeschrieben an das Jugendamt weitergeleitet zu haben. Sandra M. hatte damals behauptet, einer anderen Frau in einem Wald zur Hilfe gekommen zu sein. Die Frau sei von einem Unbekannten bedrängt worden. Dieser habe Sandra M. dann mit einem Messer im Gesicht verletzt.
Die Ermittlungen ergaben jedoch, dass Sandra M. sich die Verletzungen selbst zugefügt hatte. Eine Rechtsmedizinerin stellte fest, dass die Erzieherin dringend psychologische Hilfe benötige und es sich bei der Straftat um einen Hilferuf gehandelt haben könnte. Sandra M. selbst habe den Bedarf bestätigt. Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren schließlich eingestellt.
Die Meldung an den Arbeitgeber erfolgte allerdings nicht. Ein folgenschwerer Fehler. Der hätte nämlich darüber informiert werden müssen, dass bei der Mitarbeiterin eine Erkrankung festgestellt wurde, die womöglich dazu führen könnte, dass das Wohl von Kindern in ihrer Obhut gefährdet sei. Die zuständige Dezernentin bei der Staatsanwaltschaft wurde unterdessen zur Rede gestellt. Die Disziplinaraufsicht habe es aber bei einer Ermahnung belassen.
Weiterer Aufklärungsbedarf
Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, sieht weiteren Aufklärungsbedarf. Die Staatsanwaltschaft Kleve sei nicht zum ersten Mal auffällig geworden. „Auch bei den Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Pädophilenring Bergisch-Gladbach gab es hier gravierende Pannen mit schrecklichen Folgen. Was dort schief gelaufen ist, muss aufgeklärt werden und Konsequenzen haben“, sagte Maelzer
Auch NRW-Familienminister Joachim Stamp (FDP) forderte die lückenlose Aufklärung des Todesfalls. „Es ist wohl das Grauenhafteste, was einer Familie widerfahren kann“, sagte der FDP-Politiker.