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TV-Meteorologe über Wetterextreme„Die Stärke der Tornados in NRW war ungewöhnlich“

Lesezeit 3 Minuten
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Ein Tornado hat am Freitag in Paderborn massive Schäden angerichtet. 

  1. Am Wochenende häuften sich starke Unwetterereignisse in Nordrhein-Westfalen. In Paderborn und Lippstadt richteten Tornados schwere Schäden an.
  2. TV-Meteorologe Karsten Schwanke ordnet die Ereignisse im Interview ein und spricht darüber, was durch den Klimawandel auf uns zukommt.

Herr Schwanke, Unwetter, Starkregen, Tornados: Wir erleben gerade viele starke Wetterereignisse in kurzer Zeit. Wie ungewöhnlich ist das?Karsten Schwanke: Zwei Sachen sind ungewöhnlich. Erstens: die Häufung von starken Tornados in der letzten Woche. Tornados gibt es in Mitteleuropa zwar schon immer, allerdings nur ein paar Dutzend im Jahr. Dass wir allein am Freitag in Nordrhein-Westfalen vier Tornados gesehen haben, ist schon sehr ungewöhnlich. Vor allem die Stärke der Tornados ist dabei besorgniserregend. Es gibt zwar noch keine klaren Messwerte zu den Tornados in Paderborn und Lippstadt, aber allein durch die angerichteten Schäden kann man davon ausgehen, dass wir dort Geschwindigkeiten von bis zu 250 km/h gesehen haben. Das ist schon enorm. Zweitens sehen wir beim Blick auf die europäische Wetterlage, dass von Spanien und Portugal bis nach Mitteleuropa im Mai etliche Temperaturrekorde gebrochen wurden. Da zeigt sich der Fingerabdruck des Klimawandels.

„Tornados" schienen eigentlich Wetterphänomene zu sein, die man in anderen Teilen der Welt verortet hat. Vielen Menschen macht das Angst. Zurecht?

Wenn man sich die Schäden und die vielen Verletzten in Lippstadt oder Paderborn anschaut, dann sind die Sorgen definitiv berechtigt. Das sollte man auf keinen Fall unterschätzen. Das Problem an Tornados ist auch: es gibt keine große Vorwarnzeit. Wenn sich ein Tornado bildet, gilt nur: Schnell weg vom Fenster und in Deckung gehen. Auch wenn Tornados in Europa seltener auftreten, wäre es falsch zu behaupten, dass sie deswegen auch generell schwächer verlaufen.

schwanke

Karsten Schwanke ist Meteorologe und Fernsehmoderator. Er ist unter anderem in „Wetter vor Acht“ und in den „ARD-Tagesthemen“ zu sehen.

Warum sind Tornados so schwer vorherzusehen?

Viele Wetterexperten hatten ja schon am Donnerstag gesagt, dass es eine Wetterlage geben wird, die die Entstehung von Tornados begünstigen. Es ist aber sehr schwer abzuschätzen, wo genau sich ein Tornado entwickeln wird. Das kann man eigentlich erst sicher zehn bis 15 Minuten vorher sagen. Die Bedingungen dafür sind sehr komplex: Es braucht energiegeladene Luft, die nach oben aufsteigt. Gleichzeitig muss sich die Windrichtung und -Geschwindigkeit schlagartig verändern. So entsteht eine Windrotation und damit möglicherweise ein Tornado.

Wir kennen Stürme - was sind die Unterschiede zu Tornados?

Ein Sturm wird durch ein Tief ausgelöst, das Böen über ein größeres Gebiet heraufziehen lässt. Stürme bewegen sich mit über 70 km/h. Von Orkanböen reden wir bei einer Windstärke von über 117 km/h. Da brechen bei uns schon reihenweise Bäume um.

Die Klassifizierung von Tornados beginnt erst bei 118 km/h. Wir reden also über ganz andere Windgeschwindigkeiten – die höchsten, die wir in unserer Atmosphäre kennen. Tornados verlaufen meist kürzer, aber heftiger als Stürme. Sie haben eine Zugbahn von nur wenigen hundert Metern bis zu einem Kilometer und einen Durchmesser von einigen Dutzend Metern. In Paderborn war die Zerstörungsschneise besonders groß. Nach allem was wir wissen, war sie etwa 300 Meter breit.

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Mit welchen Extremwetterereignissen müssen wir im Zuge des Klimawandels noch rechnen? Werden Tornados wahrscheinlicher?

Noch wissen wir überhaupt nicht, ob wir durch den Klimawandel in Mitteleuropa mit mehr und stärkeren Tornados rechnen müssen. Worauf wir uns auf jeden Fall einstellen müssen, sind Hitzewellen. Sie werden häufiger auftreten, länger andauern und für Dürreperioden sorgen, wie wir sie schon in den letzten Jahren gesehen haben. Gerade für unsere Wälder wird das ein großes Problem. Hinzu kommen mehr Starkniederschläge wie letztes Jahr im Ahrtal aber auch heftige, lokale Gewitter werden sich häufen. Im Winter muss man damit rechnen, dass Regenfälle und damit Hochwasser zunehmen werden.