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Auf KaffeefahrtVor allem Senioren kaufen in Rheinbach das 9-Euro-Ticket

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Jürgen Schumacher will mit seinem Ticket zuerst in Köln Bummeln.

Rheinbach – Der Kauf eines 9-Euro-Tickets ist Minutensache. Dennoch gibt es zum Verkaufsstart bei „SUmobil“, dem Kundencenter des Regionalverkehr Köln (RVK) im alten Rheinbacher Bahnhof, immer mal wieder auch Wartende vor der Tür. Zwei Schalter sind seit 8 Uhr besetzt, und immer dieselbe Prozedur: Keinen Ausweis zeigen, nicht mal den Namen eintragen. Bloß den Monat für die Gültigkeit wählen und bezahlen: Im Verkauf sind die drei Monatstickets für Juni, Juli und August.

Kurz vor Mittag strömen vor allem Rentner zu der Mobilitätszentrale der RVK. Peter und Anita Mertes auch. Der 75-Jährige plant vor allem einen Überraschungsbesuch bei seinem Vetter Hubert in Trier. „Dann nehmen wir die Regionalbahn nach Euskirchen und fahren mit dem Regionalzug nach Trier weiter“, hat Mertes geplant. Seine Frau, 73 Jahre alt, will „vielleicht auch mal nach Köln fahren“.

Bonn und Köln ganz oben auf der Liste der Ziele

Vivian Wirtz ist unter den 9-Euro-Ticket-Kunden mit ihren 20 Jahren die absolute Ausnahme. „Ja, ich fahre Auto, aber mit dem Zug lohnt sich das auch wegen des Verkehrs und wegen der Umwelt“, findet sie. Bonn und Köln sind die ersten Ziele für die Fahrt mit dem neuen Ticket, die ihr einfallen. „Alles hat ja jetzt wieder offen, und das Feiern geht los. Mit dem Auto muss ich nach Köln schon mit zehn Euro kalkulieren.“ Auch ein zweites Monatsticket kauft sie: „Für Opa, der kein Auto mehr fährt.“ Sein altes Auto gehört jetzt der jungen Frau, die aber darüber nachdenkt, es zu verkaufen, weil sie bald in Düsseldorf studieren wird.

Dagmar Trost hat ein wichtiges Motiv, sich ein günstiges Bahnticket zu besorgen. Die Seniorin, gerade 80 Jahre alt geworden, sieht nicht mehr gut und muss ein Mal im Monat zur Untersuchung nach Bonn auf den Venusberg. Auto fährt sie wegen der Seheinschränkung nicht mehr. Das nutzt nur noch ihr Mann. Aber der soll sich mit der Fahrt auch nicht mehr quälen findet sie und kauft deshalb auch ihm ein Ticket. „Damit können wir dann auch mal einen Ausflug unternehmen.“ Für ihren Begleiter an diesem Montagvormittag benötigt sie kein Ticket: Findus, ein Mischlingsrüde von nicht einmal zwei Jahren: „Der ist so klein, der kann so in der Bahn mitfahren“, lacht Trost.

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Bonn ist eines der Lieblingsziele von Rheinbacher Senioren, zumindest unter denen, die an diesem Mittag ein 9-Euro-Ticket kaufen. „Wir fahren schon mal häufiger dorthin“, sagt auch Anton Gau. Der 81-Jährige: „Allerdings nicht mehr in letzter Zeit, weil man mit dem Auto einfach schlechter in die Stadt reinkommt.“ Mit dem 9-Euro-Ticket gibt er Bonn noch eine Chance. „Ob wir noch weiter verreisen, wissen wir nicht“, sagt er in Gedanken bei seiner Frau.

Das Auto wird er wegen des 9-Euro-Tickets freilich nicht stehen lassen können: „Ich muss ja einkaufen gehen, und hier in der Stadt erledige ich schon alles, was geht, mit dem Fahrrad. Mit dem Zweirad war er auch zum Ticketkauf gekommen, und als nächstes geht es zum Rezept abholen.

Gertrud Daube und Käthe Kerner, beide 84 Jahre alt, unternehmen sehr viel gemeinsam, und so kaufen sie bei „SUmobil“ auch gemeinsam die Tickets für die nächsten Ausflüge – natürlich 9-Euro-Tickets, „weil das so günstig ist“, wie Kerner findet. Während Gertrud Daube schon ansteht, überlegt Käthe Kerner bereits, wo die nächste „Kaffeefahrt“ hingehen könnte: „Sicherlich an den Rhein.“

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Peter Mertes hat sein 9-Euro-Tickt bei SUmobil der RVK im alten Bahnhof gekauft.

Ein Mann im selben Alter besorgt sich auch schnell ein 9-Euro-Ticket: „Bisher nehme ich die Senioren Bahncard meiner Frau, die ist übertragbar, aber die Karte kostet auch so um die 120 Euro im Monat“, meint der Mann. Er hat jedenfalls entschieden, mal mit seiner Frau fahren zu können, und findet: „Neun Euro machen mich jetzt nicht arm.“ Köln, Bonn und Euskirchen stehen auf der Liste seiner Ziele.

Reaktion auf Bonner Verkehrspolitik

Eine Kundin erinnert daran, dass schon die einfache Fahrt nach Bonn teurer als das neue Monatsticket ist. Eine andere argumentiert mit der Verkehrspolitik in Bonn, will aber nicht mit ihrem Namen dazu stehen: „Die Stadt Bonn hat ja dafür gesorgt, dass man da nicht parken kann. Seit ich in Ruhestand bin, vermisse ich mein Jobticket.“ Sechs Tickets hat die Frau erworben – jeweils die Karten für Juni, Juli und August für sich und eine weitere Person.

Ein weiterer Rentner, ein 63-Jähriger, will nicht bloß die Tickets, sondern auch in Erfahrung bringen, ob er damit vielleicht den Shuttlebus als Flughafentransfer in Düsseldorf nutzen kann. „Dann hat sich das Ticket auf jeden Fall schon gelohnt“, schmunzelt er.

So weit will Jürgen Schumacher nicht weg. Der 74-Jährige hat Köln zum Ziel. Ein Auto besitzt er nicht und auch kein Seniorenticket, aber er spart sich so den Kauf der gelegentlichen Einzeltickets für die Bahn: „Die erste Tour geht nach Köln zum Bummeln“, freut er sich.

Auch am Automaten gibt es das Ticket

Obwohl am Schalter im alten Bahnhof bis Mittag schon Hunderte der neuen Fahrscheine über die Theke gehen: Am Ticketautomaten auf dem Bahnsteig gibt es das 9-Euro-Ticket auch. Ebenso an anderen Stellen, wie etwa bei „Gabis Fotowelt“. Seit August 2020 ist das Fotogeschäft von Gabi Haag in Alfter Am Herrenwingert zugleich eine Verkaufsstelle der Stadtwerke Bonn. Haag achtet jedoch genau darauf, dass in jedes Ticket ein Name eingetragen wird: „Dieser Fahrschein ist nicht übertragbar.“