Die FDP bremst die Bundestags-Beratungen über das Heizungsgesetz. Die Grünen sprechen von Wortbruch und Arbeitsverweigerung.
Grüne sprechen von WortbruchDer große Heizungsgesetz-Krach und seine Folgen
Es sind grobe Worte, die in der Koalition durch die Gegend fliegen: Wortbruch, Arbeitsverweigerung, Unzuverlässigkeit. Den Anfang macht Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er hat in sein Ministerium geladen zu einem Windgipfel, es geht um den Ausbau der Windenergie und der Minister wirkt zumindest zu Beginn ganz fröhlich. Aber dann kommt die Frage nach dem Heizungsgesetz.
Die Liberalen haben am Vormittag verhindert, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG), das so genannte Heizungsgesetz, in dieser Woche auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt wird. Die erste Lesung hätten Grüne und SPD gerne noch vor Pfingsten gesehen, eine erste Debatte also, an die sich in den kommenden Wochen Ausschussberatungen und Expertenanhörungen angeschlossen hätten – und schließlich die Verabschiedung des Gesetzes.
Laut Gesetzentwurf des Bau- und Wirtschaftsministeriums sollen ab 1. Januar 2024 beim Neueinbau von Heizungen nur noch klimafreundliche Modelle zum Zuge kommen, um schrittweise von den klimaschädlichen Öl- und Gasheizungen weg zu kommen. Alte Heizungen dürfen ohnehin erst einmal weiterlaufen. Gehen sie kaputt, gelten mehrjährige Übergangsfristen. Deutschland soll 2045 klimaneutral sein.
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FDP hält sich nicht an das gegebene Wort
Das Kabinett hat den Entwurf im April beschlossen, die FDP-Minister haben zugestimmt, aber in einer Protokollnotiz Änderungsbedarf angemeldet. Im Beschluss des Koalitionsausschusses vom März heißt es auf Seite 16: Der Gesetzentwurf werde „von der Bundesregierung im April im Kabinett auf den Weg gebracht, um das Gesetz vor der Sommerpause im Bundestag zu beschließen“.
Und nun? Habeck blickt streng. „Ich nehme zur Kenntnis, dass die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält an dieser Stelle“, sagt der Minister. Ende März hätten SPD, Grüne und FDP in einem Koalitionsausschuss eindeutige Vereinbarungen über das Verfahren getroffen. „Da steht klar drin: Wir wollen diesen Prozess vor der parlamentarischen Sommerpause abgeschlossen haben. Das wird mit der Verschiebung nicht mehr möglich sein.“
Die Haltung der FDP „grenzt an Arbeitsverweigerung“
Im Bundestag schimpft Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann noch ausführlicher: „Die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung und die Arbeitsfähigkeit der Ampel nimmt Schaden.“ Die FDP habe sich bislang immer als „ehrlicher Kaufmann“ geriert. Dies gelte nun offenkundig nicht mehr. „Die Unzuverlässigkeit der FDP an dieser Stelle erstaunt uns schon.“ Wenn es Änderungsbedarf an einem Gesetz gebe, sei es Aufgabe des Parlaments, darüber zu beraten.
Dass sich die FDP dem nun verweigere, „grenzt an Arbeitsverweigerung.“ Die FDP weist die Schuldzuweisung zurück an Habeck: Der habe völlig unnötig darauf bestanden, das umstrittene Gesetz schon im April im Kabinett zu verabschieden, sagt Fraktionschef Christian Dürr im ARD-Morgenmagazin. „Es geht um eine große Sache. Da kommt es nicht auf einen Tag an.“
FDP will Gesetz erst im Oktober verabschieden
„Bei einem so schwierigen Gesetz ist Hektik nicht der richtige Weg“, findet auch FDP-Wirtschaftspolitiker Reinhard Houben. Im Gespräch mit dem RND schlägt er einen Zeitplan vor: „Um das Gesetz 2024 in Kraft treten zu lassen, reicht es auch, wenn wir es im Oktober beschließen. Dann könnten wir vorher noch das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung verabschieden. Das wäre sowieso die richtige Reihenfolge.“
Mit dem Wärmeplanungsgesetz sollen voraussichtlich Kommunen ab einer bestimmten Größe verpflichtet werden, deutlich zu machen, wie sie die Wärmeversorung künftig regeln wollen, also ob etwa Fernwärme in Betracht kommt. Haus- und Wohnungsbesitzer könnten darauf die Entscheidung für Heizungssysteme abstimmen. Houben sieht in diesem Vorgehen nur Vorteile: „Auf diese Weise könnten wir die Menschen, die jetzt völlig verunsichert sind, besser mitnehmen. Die Klimawende wird nicht scheitern, wenn das Gesetz nicht mehr vor der Sommerpause verabschiedet wird.“
Kommt das Gesetz überhaupt noch?
Aber kommt das Gesetz nun überhaupt noch? Natürlich, beteuert die FDP. Der Klimaschutz sei ja wichtig. Und Dürr legt sich fest: Es werde „vielleicht zwei, drei Monate später in Kraft treten“. Er bekommt sogar von Seiten der Grünen Unterstützung: Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann empfiehlt Habeck, „noch mal genau zu klären, ob es in dieser Zeit auch wirklich umsetzbar ist“.
Klar ist demnach vor allem eines: Es müssen noch einige Änderungen beschlossen werden. Die FDP will sicher sein, dass wirklich nicht nur Wärmepumpen als Alternative für Gas- und Ölheizungen in Frage kommen. Die Technologie-Offenheit ist im Gesetzentwurf bereits vorgesehen. Die Schwierigkeit sind die von der FDP propagierten Gasheizungen, die als mit Wasserstoff betreibbar ettikettiert werden – es gilt als zweifelhaft, dass Wasserstoff bald und vor allem ausreichend vorhanden sein wird.
Grüne und SPD wollen das Gesetz sozialer machen
SPD und mittlerweile auch die Grünen wollen zudem das Gesetz besser sozial abfedern – schließlich kosten neue Heizungen einiges. Die FDP hat eine einkommensabhängige Förderung aus dem Gesetzentwurf streichen lassen und bisher offen gelassen, was sie sich statt dessen vorstellt. Und auch beim Mieterschutz ist noch etwas zu tun: SPD und Grüne wollen sicherstellen, dass Vermieter die Kosten für den Heizungsumbau nicht einfach weitergeben können. Haßelmann sagte, sie gehe davon aus, dass der Gesetzentwurf nun in der nächsten Sitzungswoche in den Bundestag eingebracht werde. Bis dahin sind drei Wochen Zeit für Koalitionsberatungen.
Sandkastenspielereien in der Koalition
Inzwischen treten die Grünen ihrerseits an anderer Stelle auf die Bremse: Das Planungsbeschleunigungsgesetz, mit dem unter anderem Schienen-, Brücken- und Straßenausbau vorangetrieben werden sollen, könne nun ebenfalls nicht auf den Weg gebracht werden, sagte Haßelmann. Und nun ist auch die FDP ein bisschen sauer. Wirtschaftspolitiker Houben sagt: „Das sind Sandkastenspielereien. Es wäre schon sinnvoll, die Gesetze zu beschließen, die mehrheitlich geeint sind.“