Berlin – Bevor Olaf Scholz an diesem Mittwoch im Bundestag etwas sagen durfte, hatte wie üblich in der Haushaltswoche der Oppositionsführer das Wort. Während Friedrich Merz seine geschliffen formulierten Vorwürfe referierte, schaute der Kanzler ständig auf den kleinen Bildschirm seines Mobiltelefons.Er hörte aber zu. Gelegentlich drehte er sich zum Redner und man konnte sehen, wie er sich ärgerte. Der Kanzler, dessen Partei zuletzt auf 19 Prozent Zustimmung abgesackt ist, war an diesem Tag im wahrsten Sinne des Wortes gut munitioniert.
Seine zentralen Botschaften – was er sagte, meinte und verschwieg
Gesagt „Damit versetzen wir die Ukraine in die Lage, eine ganze Großstadt vor russischen Luftangriffen zu schützen.“
Gemeint Scholz zog am Mittwochmorgen im Bundestag den Trumpf aus der Tasche, wonach Deutschland der Ukraine ein Luftabwehrsystem liefern will, das eine Stadt vor russischen Kampfflugzeugen, Hubschraubern, Raketen und Drohnen schützen soll. Als Botschaft an seine Kritiker listete der Kanzler auf, was Deutschland von vielen Millionen Schuss Munition bis hin zu Truppentransportern bisher geliefert hat und was noch folgen soll. Damit konterte er auch Oppositionsführer Merz aus, der von „Enttäuschung“ und „Verärgerung“ innerhalb der EU über die Rolle Deutschlands gesprochen hatte.
Verschwiegen Unklar bleibt, wann genau das Flugabwehrsystem in die Ukraine geliefert werden soll. Auch für die Lieferung der anderen schweren Waffen machte der Kanzler keine konkreten Zeitangaben.
Die Ukraine muss sich verteidigen können
Gesagt „Putin darf und wird diesen Krieg nicht gewinnen. Unser Ziel ist, dass sich die Ukraine verteidigen kann.“
Gemeint Der Kanzler hat seine vielfach kritisierte Äußerung sehr bewusst wiederholt. „Warum sagen Sie nicht einfach: Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen“, hielt ihm Unionsfraktionschef Merz noch kurz zuvor entgegen. Der offensichtliche Grund: Scholz vermeidet es, ein Kriegsziel zu formulieren, für dessen Erreichen der Westen aktiv in der Ukraine eingreifen müsste. Kein Nato-Staat soll Kriegspartei werden, lautete die erneute Botschaft von Scholz. Zugleich zeigt die zurückhaltende Formulierung, dass die Bundesregierung offensichtlich mit einem langen Krieg rechnet.
Verschwiegen Scholz hat keinen Plan genannt, wie und wann dieser Krieg enden könnte und ob Frankreich und Deutschland sich möglicherweise in vermittelnder Rolle sehen.
Die „konzertierte Aktion“
Gesagt „Ich habe mich zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen. Ich möchte Arbeitnehmer, Gewerkschaften und Arbeitgeber zu einer konzertierten Aktion zusammenholen.“
Gemeint Eine große Gefahr in der Inflation ist die Lohn-Preisspirale, wonach auf steigende Preise höhere Lohnabschlüsse folgen und die Inflation damit erst recht getrieben wird. Die Menschen haben dann keine höhere Kaufkraft, obwohl die Löhne steigen. Die konzertierte Aktion wird beiden Seiten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, Opfer abverlangen. Das hat der Kanzler in seiner Rede schon angedeutet.
Verschwiegen Eine solche konzertierte Aktion kann nur das Tempo der Inflation dämpfen. Vor allem in den unteren Einkommensgruppen werden die Menschen zusätzliche Hilfe benötigen.
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Zurück zur Schuldenbremse
Gesagt „Zumal wir nächstes Jahr die Schuldenbremse wieder beachten werden.“
Gemeint Diesen Satz hat der Kanzler insbesondere Richtung Koalitionspartner FDP gesagt. Zuletzt gab es großen Unmut in der Ampel, weil Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unabgestimmt einen Vorstoß für ein „Klimageld“ vorgenommen hatte. Aus Sicht von Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist dafür aber kein Geld im Staatshaushalt vorhanden. Scholz hat mit der Aussage also erst einmal den Koalitionsfrieden wiederhergestellt.
Verschwiegen Völlig unklar ist, wie die vielen teuren Vorhaben der Ampel mit der Schuldenbremse zusammenpassen sollen. Im kommenden Jahr können eigentlich nur noch zehn Milliarden Euro zusätzlich an Schulden aufgenommen werden. Scholz wiederholte zugleich viele Projekte aus dem Koalitionsvertrag von Bürgergeld über Kindergrundsicherung bis zur Schaffung von CO2-Neutralität ab 2045, die noch nicht finanziert sind.
Versprechungen beim Thema Rente
Gesagt „Auch in Zukunft wird das Rentenniveau von 48 Prozent nicht unterschritten.“
Gemeint Die Aussage ist nicht neu, war aber als Signal an die 20 Millionen Rentnerinnen und Rentner in Deutschland adressiert. Sie können zwar auch 9-Euro-Ticket und Tankrabatt in Anspruch nehmen, erhalten aber nicht die 300 Euro Energiepauschale. Darüber gibt es viel Unmut, dem der Kanzler nun beschwichtigend begegnete.
Verschwiegen Die offene Frage von Oppositionsführer Merz, welche Vorschläge er für die Rente habe, beantwortete Scholz nicht. Eine generationengerechte Rentenreform lässt seit Jahren auf sich warten. Auch die Union hat sie nicht hinbekommen.