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Dramatische CoronalageWorüber Bund und Länder heute beraten

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Angela Merkel und Olaf Scholz

Berlin – Eigentlich wollten Vertreter von Bund und Ländern erst am 9. Dezember wieder über die aktuelle Corona-Lage beraten. Doch angesichts immer weiter steigender Infektionszahlen wird das Treffen auf den heutigen Dienstag vorgezogen. Worüber wird beraten? Und welche Rolle spielt das Bundesverfassungsgericht? Das Wichtigste im Überblick.

Die vierte Corona-Welle wütet in Deutschland ungebrochen. Am Montag verzeichnete das Robert-Koch-Institut mehr als 29.000 Neuinfektionen, die Sieben-Tage-Inzidenz stieg erneut auf 452,4. Um den steigenden Infektionszahlen und einer drohenden Überlastung vieler Kliniken im Land entgegen zu wirken, wollen die geschäftsführende Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr designierter Nachfolger Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder über die Krise beraten. Worum wird es gehen? Die wichtigsten Antworten im Überblick:

Warum beraten Bund und Länder bereits heute?

Ursprünglich war das nächste Treffen zur Beratung über die aktuelle Corona-Lage erst für den 9. Dezember angesetzt. Allerdings reißt die Kette an neuen Höchstständen bei den Corona-Infektionszahlen nicht ab, auch die neue Virusvariante Omikron bereitet zahlreichen Fachleuten Sorgen. Länder mit hohen Inzidenzen hatten zudem gefordert, die Bund-Länder-Runde vorzuziehen. Das Treffen ist am heutigen Dienstag für 13 Uhr per Telefon angesetzt - wenige Stunden nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

Was hat das Bundesverfassungsgericht damit zu tun?

Bei den Beratungen soll es unter anderem um die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur „Bundesnotbremse“ gehen. Karlsruhe hat am Morgen über die Maßnahmen der Regierung in der dritten Pandemie-Welle entschieden. Das Gericht kam dabei zu dem Ergebnis, dass die Schulschließungen als auch die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen in der sogenannten Bundes-Notbremse verhältnismäßig waren.

Das Gericht stellte allerdings klar, dass erneute Ausgangsbeschränkungen künftig nur in einer äußersten Gefahrenlage in Betracht kämen. Bei Ausfällen des Präsenzunterrichts in Schulen müsse sichergestellt sein, dass die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen nicht gefährdet werde. „Die Länder haben dafür zu sorgen, dass bei einem Verbot von Präsenzunterricht nach Möglichkeit Distanzunterricht stattfindet“, so die Karlsruher Richter in ihrem Beschluss. Damit hat das Urteil Leitliniencharakter für künftige Änderungen im Infektionsschutz.

Welche Forderungen gibt es vor dem Treffen?

Aus Sicht der Gesundheitsminister der Länder sollen für mehr Tempo bei den Impfungen künftig auch Apotheken und Zahnärzte mit einbezogen werden. Laut einem einstimmigen Beschluss der Länder könnte dies über eine zeitlich befristete Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden. Bereits am Wochenende hatte die Leopoldina strikte Kontaktbeschränkungen und eine generelle Impfpflicht gefordert. Rückendeckung bekamen die Forscher dafür gestern: Auch die Gesellschaft für Virologie und die Deutsche Gesellschaft für Immunologie forderten die Politik zu einem schnellen Handeln auf.

Werden neue Maßnahmen beschlossen?

Das ist wahrscheinlich. Nach den Worten des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach will die geplante Ampel-Koalition die Corona-Maßnahmen kurzfristig verschärfen. Es werde „noch in dieser Woche“ entsprechende Vorschläge geben, kündigte Lauterbach im Fernsehsender Phoenix an.Wie könnten die Maßnahmen aussehen?

Auf dem Tisch liegen mehrere denkbare Optionen:

Sonderlage: Schnell zu bewerkstelligen wäre, dass der Bundestag die erst am 25. November ausgelaufene „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ doch wieder feststellt - mit einem einfachen Beschluss. Damit gäbe es auf einen Schlag eine Rechtsbasis für alle bisherigen Kriseninstrumente. Dies könnte bei der nächsten regulären Sitzungswoche ab 6. Dezember oder bei einer früheren Sondersitzung geschehen.

Infektionsschutzgesetz: Die von den Ampel-Fraktionen verkleinerte Maßnahmenliste unabhängig von der epidemischen Lage könnte erweitert werden. Vorerst sind etwa pauschale Schließungen von Gaststätten und Läden oder Inlands-Reisebeschränkungen in einem ganzen Bundesland ausgeschlossen. Nötig wäre dafür ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats.

Bund-Länder-Rahmen: Kritisiert wird zur Zeit oft die Uneinheitlichkeit der in den Bundesländern angewendeten Maßnahmen. Denkbar wären daher zum Beispiel neue oder niedrigere Schwellen für zusätzliche Auflagen und Beschränkungen bei hohen Infektionszahlen oder Klinikbelastungen.

Worüber sprechen Merkel und Scholz mit den Ministerpräsidenten noch?

Weitere Beschränkungen des öffentlichen Lebens sollen ebenfalls ein Thema sein: die 2G-plus-Regel für Veranstaltungen innerhalb und außerhalb geschlossener Räume, eine generelle Schließung von Clubs und Diskotheken sowie Kapazitätsgrenzen für die Spiele der Fußball-Bundesliga.Kehrt die Bundesnotbremse zurück?

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Die Forderung steht zumindest im Raum. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) forderte gegenüber dem RND am Montag „eine schnelle gesetzliche Konsequenz im Bundestag“. Er riet, „sofort einheitliche Maßnahmen analog der Bundesnotbremse vorzubereiten“. Ramelow fügte hinzu: „Die Thüringer Landesregierung würde jede Koordination der bundesweiten Maßnahmen aktiv unterstützen und auch umsetzen. Und wir würden es begrüßen, wenn es schnell zu dem einheitlichen Krisenstab im Kanzleramt käme. Den Bundesrat würde ich unmittelbar nach einer Sondersitzung des Bundestages einberufen.“

Und die epidemische Notlage?

Dafür, dass die Ampel die „epidemischen Lage nationaler Tragweite“ hat auslaufen lassen, sind SPD, Grüne und FDP von mehreren Seiten scharf kritisiert worden. Kommunalverbände und Leopoldina begrüßten zwar gegenüber dem RND das Vorziehen der Ministerpräsidentenkonferenz. Sie fordern aber auch die Wiedereinführung der epidemischen Lage nationaler Tragweite. Es brauche bundeseinheitliche Regeln, um die vierte Welle in den Griff zu bekommen.

Was ist mit einer möglichen Impfpflicht?

Es zeichnet sich ab, dass der Bundestag demnächst über eine allgemeine Impfpflicht beraten und ohne Fraktionszwang darüber abstimmen wird. So plädierte der designierte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dafür, die Abstimmung über die Einführung einer generellen Impfpflicht zur Gewissensfrage zu erklären und das Parlament über Fraktionsgrenzen hinweg entscheiden zu lassen: „Die allgemeine Impfpflicht berührt viele schwierige Fragen“, sagte er dem RND. „Bei solchen medizinethischen Themen hat es sich in der Vergangenheit bewährt, sie zur Gewissensfrage zu erklären. Das Parlament diskutiert dann anhand von Gruppenanträgen.“ Solche Gruppenanträge sind nach RND-Informationen bereits in Arbeit. (RND)