Der letzte Diktator EuropasGreift auch Lukaschenko die Ukraine an?
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Alexander Lukaschenko gilt als eigenwilliger Despot. Schon früh suchte der Machthaber von Belarus, der letzten Diktatur Europas, die Nähe zu Russland, statt sich wie andere postsowjetische Staaten aus der Abhängigkeit des großen Bruders zu flüchten.
Dass Lukaschenko ein große Anhänger der Sowjetunion war, bringt er auch heute noch immer wieder stolz zum Ausdruck: Er sei nach eigenen Angaben der einzige Abgeordnete im Parlament gewesen, der damals gegen die Unabhängigkeit seines Landes von der Sowjetunion gestimmt habe.
Marionette oder Freund?
Heute ist die belarussische Wirtschaft in hohem Maß von russischen Subventionen abhängig und Lukaschenko ist im „nahen Ausland“ Russlands der einzige echte Verbündete von Kremlchef Wladimir Putin. Aber selbst diese Beziehung war immer wieder schwierig. Ist er wirklich Putins Freund oder vielmehr seine Marionette?
Seit seiner Wahl zum Präsidenten von Belarus im Jahr 1994 hat Lukaschenko mehrmals die Verfassung geändert, um seine Macht zu sichern. Als die Amtszeit des russischen Präsidenten Boris Jelzin endete, witterte Lukaschenko seine große Chance: Er wollte das Präsidentenamt übernehmen und die beiden Länder zu einem großen russisch-belarussischen Staat zusammenführen. Doch Jelzin machte Lukaschenko einen Strich durch die Rechnung und wählte Putin als seinen Nachfolger aus.
Putin trieb Eingliederung Weißrusslands immer voran
Die Integration von Belarus in die Russische Föderation blieb aus. Doch unter Lukaschenko trat das Land verschiedenen von Russland dominierten Organisationen bei, darunter der Eurasischen Wirtschaftsunion. Sie ist ein Zusammenschluss von drei weiteren Staaten mit Russland zu einem Binnenmarkt mit Zollunion und orientiert sich an der Europäischen Union. „Putin hat immer wieder erklärt, dass die Eingliederung von Belarus in Russland vorangetrieben werden soll“, betont Thomas Jäger, Professor für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln.
Obwohl Lukaschenko und Putin enge Beziehungen pflegen und inzwischen routinemäßig gemeinsame Militärmanöver abhalten, war die Verbindung der beiden nie frei von Konflikten. Ein Beispiel: Belarus ist sehr von russischem Gas und Öl abhängig und bezieht die Lieferungen zu stark subventionierten Preisen. Der Rabatt soll sich auf mehr als 5 Milliarden US-Dollar belaufen.
Schwierige Beziehung zwischen Putin und Lukaschenko
Immer wieder hat Putin jedoch die Öl- und Gas-Abhängigkeit als politisches Druckmittel gegen Belarus verwendet. 2004 setzte Russland seine Gaslieferungen vorübergehend aus, drei Jahre später auch die Öllieferungen. Hintergrund war die Unzufriedenheit Putins mit der Politik Lukaschenkos. Wenn es in dem Ex-Sowjetland nicht so läuft, wie der Kremlchef will, bekommt Lukaschenko das zu spüren.
Auf Druck des Kremls musste der belarussische Gaspipelinebetreiber Beltransgaz sogar nach und nach alle Anteile an Gazprom abtreten. Dass es in den Beziehungen beider Länder immer wieder fröstelt, verwundert unter diesen Umständen nicht. Lukaschenko sprach zwischenzeitlich sogar davon, dass die Beziehungen zu Russland „durch Gas vergiftet“ werden.
„Lukaschenko ist Putins Statthalter in Belarus“
Für Experte Jäger ist die Abhängigkeit von Russland längst so groß, dass Lukaschenko kaum eigenständig regieren kann. „Belarus hat schon lange aufgehört, als souveräner Staat zu existieren“, erklärt er im Gespräch mit dem RND. Er sieht in Lukaschenko nur noch eine Marionette im System Putins. „Lukaschenko ist Putins Statthalter in Belarus.“
In den Krieg gegen die Ukraine könnte Russlands nun auch Belarus hineinziehen. Auf belarussischem Boden waren schon vor Kriegsbeginn russische Militäreinheiten stationiert, die später von dort aus in die Ukraine einrückten. Auch vom belarussischen Luftraum aus feuern russische Bomber auf Ziele in der Ukraine, ein Iskander-M-Raketensystem will Russland ebenfalls in Kürze in Belarus stationieren.
Putins Vorgehen „vom ersten Tag an“ unterstützt
Lukaschenko hält sich mit eigenen Militärmanövern noch zurück und hat keine Soldaten in den Krieg geschickt, auch aus Angst vor Protesten in der eigenen Bevölkerung. Doch am Säbelrasseln spart der belarussische Machthaber nicht. „Wir haben praktisch eine Armee mit Russland“, sagte Lukaschenko, und er habe Putins Vorgehen in der Ukraine „vom ersten Tag an“ unterstützt.
Für den Militärstrategen Marcel Berni von der Militärakademie an der ETH Zürich ist klar: „Lukaschenkos Drohungen, in den Krieg einzugreifen, kommen nur, weil er Putin Gefolgschaft schuldet.“ Er selbst wolle eigentlich nicht mit eigenen Truppen in den Krieg eingreifen, sondern nur mit verbalen Mitteln unterstützen. „Es geht dabei darum, Putin zu signalisieren, dass er weiterhin auf der russischen Seite steht.“ Zuletzt drohte Lukaschenko sogar dem Westen, mit seinen Streitkräften „die Hauptstädte ins Visier zu nehmen“. Solche Drohungen seien vor allem Teil der belarussischen und russischen Propaganda, so der Experte im Gespräch mit dem RND.
Auch Ex-Nato-General Hans-Lothar Domröse glaubt, dass die Drohungen „nur Druckaufbau“ sind. Lukaschenko biedere sich nur an, beteilige sich ansonsten aber nicht am Krieg. „Er hatte sich auch beim Angriff auf Kiew nicht beteiligt – obwohl das nur 100 Kilometer gewesen sind –, weil er Sorge hatte, dass bei ihm wieder die Revolution ausbricht“, sagte er dem RND. „Die Aussagen sind nur lautes Bellen.“