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Deutscher FleischkonzernSoll Tönnies verkauft werden?

Lesezeit 4 Minuten
Tönnies

Tönnies war zuletzt wegen mangelhafter Arbeits­bedingungen und übler Zustände bei der Unterbringung von Arbeitern in die Schlagzeilen geraten.

  1. Der Großschlachter Tönnies sucht laut Medien­informationen einen Käufer.
  2. Rund 4 Milliarden Euro soll das Unternehmen demnach wert sein.
  3. Als mögliche Käufer kämen Firmen wie Tyson Foods (USA), JBS (Brasilien) oder die WH Group (China) infrage – alle drei gehören zu den ganz großen Fleisch­produzenten weltweit.

Berlin – Käufer für den Fleischkonzern Tönnies gesucht – so meldete es am Freitag die Finanznachrichten­agentur Bloomberg. Rund 4 Milliarden Euro soll die Gruppe wert sein. Mögliche Interessenten seien international agierende Firmen aus der Branche. „Marktgerüchte kommentieren wir prinzipiell nicht“, heißt es in einem internen Brief an die Mitarbeiter des Unternehmens.

Tönnies war im vorigen Jahr wegen eines massenhaften Covid-Ausbruchs in die Schlagzeilen geraten. Ursache waren mangelhafte Arbeits­bedingungen in Schlacht­betrieben und üble Zustände bei der Unterbringung von Arbeitern, die fast ausschließlich aus Südosteuropa kamen. Massive Kritik gab es auch an Niedriglöhnen, die Tönnies mittels Werksverträgen zahlte.

Bringen neue Eigner höhere Standards?

Katja Mast, Fraktionsvizin der SPD im Bundestag, sagte dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND), es bleibe zu hoffen, dass potenzielle neue Eigentümer „höhere Standards in Sachen Bezahlung und guter Arbeits­verhältnisse“ hätten. „Ich möchte nie wieder von Fällen lesen, dass Arbeit­nehmerinnen und Arbeit­nehmer im Wald zelten müssen. Wir brauchen verantwortungs­volle und keine ruppigen Feudal­unternehmer. Dann müssen wir auch nicht die politische Notbremse ziehen wie mit unserem Gesetz gegen die schäbigen Arbeitsverhältnisse in der Fleischindustrie.“

Große Fleisch­produzenten interessieren sich für Tönnies

Laut Bloomberg könnten die Verhandlungen über eine Veräußerung in den nächsten Wochen beginnen. Als mögliche Käufer kämen Firmen wie Tyson Foods (USA), JBS (Brasilien) oder die WH Group (China) infrage – alle drei gehören zu den ganz großen Fleisch­produzenten weltweit. Finale Entscheidungen seien noch nicht getroffen worden. Es sei auch nicht sicher, dass Verhandlungen zu einer Transaktion führten. Unter anderem die US-Investment­bank Goldman Sachs soll in die Angelegenheit involviert sein. Das Geldhaus wollte dazu keinen Kommentar abgeben.

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Die verschachtelte Unternehmens­gruppe gehört zu 45 Prozent Clemens Tönnies, Ex-Aufsichts­ratschef des Fußballklubs Schalke 04, sein Sohn Maximilian hält 5 Prozent. Die übrigen 50 Prozent liegen in den Händen von Robert Tönnies. Er ist der Neffe von Clemens. Die beiden Familienstämme sind seit Jahren verfeindet, sie haben sich über den Kurs des Unternehmens zerstritten.

Tönnies nach eigenen Angaben „kerngesundes Unternehmen“

In einem internen Brief an die Mitarbeiter, der von Clemens und Maximilian Tönnies unterzeichnet wurde, heißt es: „Der Erfolg der vergangenen Jahrzehnte lässt uns nicht müde werden, weiterzumachen und in die nächste Generation zu starten.“ Tönnies sei ein kerngesundes Unternehmen, das weltweit expandiere.

„Wir investieren aktuell stark in Deutschland, Dänemark, Großbritannien, China und Spanien“, so steht es in dem Schreiben vom Freitag, das dem RND vorliegt. Neue Sortimente würden aufgebaut und neue Haltungs­systeme für Schweine entwickelt. „Diesen Kurs wollen wir mit euch gemeinsam fortsetzen.“ Und abschließend: „Wir lassen uns von Gerüchten nicht beeinflussen, sondern beweisen mit unserer täglichen Arbeit, dass wir bereit sind für die Zukunft im Unternehmen.“

Familienstreit könnte Verkauf auslösen

Dieses Statement lässt nach Einschätzung von Branchenkennern verschiedene Interpretationen zu. Clemens und Maximilian Tönnies könnten sich darum bemühen, die 50 Prozent von Robert Tönnies zu übernehmen. Dieser könnte aber auch einen Verkauf seiner Anteile an fremde Investoren oder den Erwerb der 45 plus 5 Prozent von seinen Verwandten erwägen. Selbst einen Verkauf der gesamten Gruppe wollen Insider nicht ausschließen.

Der Hintergrund: Die Streitigkeiten innerhalb der Familie gipfelten 2019 in einer sogenannten Zerrüttungs­klage von Robert Tönnies gegen seinen Onkel und dessen Sohn vor einem Schiedsgericht. Schon damals war von einem möglichen Verkauf die Rede. In dem Verfahren ist bislang keine Entscheidung bekannt. Sollte das Schiedsgericht die Zerrüttung unter den Anteilseignern feststellen, könnten Verkäufe oder Teilverkäufe auf den Weg gebracht werden. Sicher ist in jedem Fall, das mit dem Corona-Skandal bei Tönnies der Dauerstreit unter den Verwandten wieder aufgebrochen war.

Auch Gutfried gehört zum Konzern

Tönnies hat eine lange Phase der Expansion hinter sich. Der Schlachthaus­betreiber hat hierzulande ein System perfektioniert, mit dem die Belieferung von Supermarkt­ketten mit großen Mengen billigen Fleischs garantiert wurde. Zu dem Konzern gehören unter anderem auch die Wurstmarken Böklunder und Gutfried. 2019 machte das Unternehmen, das zu den größten Fleisch­produzenten in Europa gehört, einen Umsatz von 7,3 Milliarden Euro.

In der Branche wird gemutmaßt, dass im vorigen Jahr deutliche Einbußen bei Umsatz und Ertrag eingefahren wurden. Renditen könnten künftig weiter schrumpfen, weil die Bundesregierung arbeitsrechtliche Regelungen verschärft hat. Damit sollen die Werkvertrags­konstruktionen abgeschafft werden, die auch bei Tönnies Niedriglöhne möglich machten. Im Januar meldete das Unternehmen, dass seit dem Jahreswechsel keine Werkvertrags­arbeiter mehr „in den Kernbereichen der Produktion“ beschäftigt würden.

Hinzu kommt, dass die hiesige Fleischindustrie gerade in schwierigen Verhandlungen mit der Gewerkschaft NGG über einen Tarifvertrag steckt. Die Arbeitnehmer­vertreter verlangen einen Mindestlohn von 12,50 Euro branchenweit. Die Arbeitgeber bieten bislang 10 Euro. Die entscheidende Verhandlungsrunde ist für den 29. März geplant.