Grünen-Haushaltsexperte Kindler stellt 100-Milliarden-Paket für Bundeswehr infrage Der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, will das geplante Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr so nicht mittragen. Er warnt unter anderem davor, „den Sicherheitsbegriff auf die Bundeswehr zu verengen“. Die Grünen würden sich die Pläne „im Bundestag sehr genau anschauen“, sagt Kindler.
Herr Kindler, die Bundesregierung will ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zur Verfügung stellen. Sind Sie damit einverstanden?
Kindler: Niemand bei uns bestreitet, dass die Bundeswehr angemessen ausgestattet werden muss. Mit dem schrecklichen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine stellt sich diese Aufgabe noch mal dringender. Bei dem vom Bundeskanzler angekündigten Sondervermögen gibt es aber noch mehrere kritische Fragen.
Haben Sie inhaltliche Bedenken?
Die Bundeswehr hat in den letzten Jahren massiv mehr Geld bekommen. Der Verteidigungsetat betrug 32 Milliarden im Jahr 2014, und dieses Jahr sollen es 50 Milliarden sein. Trotzdem frieren die Bundeswehrsoldaten in Litauen, weil warme Unterhosen und dicke Winterjacken fehlen. Wo sind die ganzen Milliarden geblieben? Das Verteidigungsministerium hat deutlich größere Probleme als fehlende finanzielle Mittel. Bei der Bundeswehr ist eine grundlegende Strukturreform mit klaren Prioritäten, deutlich mehr Effizienz und hartem Controlling notwendig, insbesondere beim Beschaffungswesen.
Was fehlt noch?
Es ist zudem falsch, den Sicherheitsbegriff einseitig auf die Bundeswehr zu verengen. Wir müssen in Deutschland so schnell wie möglich die Abhängigkeit von Putins Gas, Kohle und Öl beenden. Das geht am besten über schnelle Investitionen in Erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Energieeffizienz in allen Sektoren der Volkswirtschaft. Diese große Transformation müssen wir jetzt im Haushalt konkret absichern und dafür richtig Geld in die Hand nehmen. Außerdem sind zivile Krisenprävention, humanitäre Hilfe, Diplomatie und Entwicklungszusammenarbeit zentral für die Sicherheit und den Frieden in der Welt. Die Gelder dafür sind im Koalitionsvertrag gekoppelt an die Entwicklung des Verteidigungsetats.
Lassen sich die 100 Milliarden Euro denn aus Ihrer Sicht finanzieren? Und wenn ja: Wie?
Wir diskutieren über den Weg eines Sondervermögens. Investitionen in die Sicherheit beinhalten nicht nur das Militär, sondern auch Ausgaben für humanitäre und friedenspolitische Herausforderungen und für unsere Energiesouveränität weg von fossilen Ressourcen. Die Finanzierung eines breiten Pakets für militärische, energiepolitische und humanitäre Sicherheit sollten wir bei historisch niedrigen Zinsen über Kredite absichern.
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Die aktuelle Notlage mit dem Krieg in Europa hat massive Auswirkungen auf unsere Sicherheit, auf die Energieversorgung, auf die humanitäre Hilfe, auf die wirtschaftliche und soziale Situation im Land. Natürlich hat das auch Folgen für die Höhe der Neuverschuldung in den nächsten Jahren. Ich halte es für gut möglich, dass wir auch 2023 noch die Notfallregel der Schuldenbremse ziehen müssen. Seriös ausschließen kann man das jedenfalls nicht.Es sollen darüber hinaus künftig mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben werden.
Wie bewerten Sie das?
Wir sollten das für die Verteidigung ausgeben, was konkret notwendig ist und uns nicht an einer abstrakten Quote orientieren. Sonst müssten wir ja auch bei jedem Wirtschaftseinbruch die Mittel senken. Wir sind gut beraten, die Ausgaben des Staates am tatsächlichen Bedarf zu orientieren.
Was bedeuten Ihre Bedenken für das konkrete parlamentarische Verfahren? Werden die Grünen im Bundestag blockieren?
Wir werden uns das im Bundestag sehr genau anschauen. Das Parlament ist der Haushaltsgesetzgeber. Selten geht ein Gesetz so aus dem Bundestag raus, wie es reingekommen ist. Das wird hier auch gelten. (rnd)