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Kinderbuch-Figur „Conni”Zwischen großer Kinderliebe und „egoistischer Rotzgöre”

Lesezeit 7 Minuten
Conni Illu

Eine Szene aus einem „Conni hat Kummer”.

Kinder lieben sie, Eltern rollen mit den Augen: An „Conni“ scheiden sich die Geister. Im „ZDF Magazin Royale“ von Jan Böhmermann wurde die bekannte Kinderbuchfigur kürzlich sogar als „egoistische Rotzgöre“ bezeichnet. Auch viele Eltern finden: Die Mutter-Vater-Kinder-Darstellung von Conni bedient starke Rollenklischees. Doch gerade bei Kindern ist die Figur seit 30 Jahren sehr beliebt – warum? Ein Gespräch mit Conni-Erfinderin Liane Schneider.

Frau Schneider, ist Conni noch zeitgemäß?

Liane Schneider: Ich glaube, dass die einschneidenden Erlebnisse aus der Kindheit sehr konstant bleiben. Einschulung, Eingewöhnung in den Kindergarten, Streit mit der besten Freundin, Fußball, Rad fahren lernen oder schwimmen. Das bewegte Kinder vor 30 Jahren und tut es noch heute. Um vielen verschiedenen Kindern eine Geschichte anbieten zu können, die ihren Alltag widerspiegelt, probiert Conni natürlich sehr unterschiedliche Dinge aus. Außerdem passen wir die Bücher regelmäßig den gesellschaftlichen Veränderungen an. Im Kindergartenbuch gibt es heute beispielsweise eine Eingewöhnungsphase, mehr Erzieherinnen und einen männlichen Praktikanten. Auch Connis Vater ist heute viel präsenter als in den ersten Büchern und bringt Conni oft in den Kindergarten. Und in Sachen Vielfalt kamen auch in Connis „echtem“ Kindergarten viele Nationen zusammen. Das habe ich schon früh in die Bücher einfließen lassen. Inzwischen gibt es auch Kinder, die zum Beispiel im Rollstuhl sitzen. Die Kinder sollen ihre Realität mit allen Facetten wiedererkennen.

„Die Kinder sollen sich damit wohfühlen”

Aber gerade Frau Klawitter bedient ja alle Klischees eines überholten Mutterbildes – überengagiert, dauerpräsent, nie gestresst, immer sehr pädagogisch wertvoll handelnd, auch Scheitern kennt sie nicht – trotz ausfüllendem Beruf als Kinderärztin. Verstehen Sie, dass das Argwohn bei Eltern auslöst?

Conni Buch Liane Schneider

Autorin Liane Schneider.

Na ja, es ist immer noch ein Bilderbuch. Wir können uns doch nicht ernsthaft mit Bilderbuchcharakteren vergleichen. Natürlich ist Connis Mutter sehr geduldig und ausgeglichen, natürlich ist Connis Welt voll liebevoller Geborgenheit. Aber wie gesagt, es sind immer noch Bücher für Kleinkinder und nicht für die Erwachsenen. Es sind Bücher, die oft abends zum Einschlafen vorgelesen werden. Die Kinder sollen sich damit wohlfühlen. Darin können wir nicht alle Krisen des echten Familienlebens verhandeln, aber auch Conni ist ja mal wütend und Frau Klawitter ist auch manchmal zu sehr mit dem Handy beschäftigt, zum Beispiel in „Conni hat Kummer“. Auch sehe ich nicht die Notwendigkeit, eine Scheidung der Eltern herbeizuschreiben oder eine Patchworkfamilie Klawitter aufzubauen, zumal es dann ja auch mit der Reihe der größeren Conni wieder übereinstimmen muss. Wir thematisieren sowas eher beiläufig in Connis Freundeskreis, das ist auch ausreichend für das Alter der Bilderbuchleserschaft. In den Conni-Büchern für ältere Kinder sind solche Themen dann durchaus präsenter.

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Als Vater stört mich ehrlich gesagt die Darstellung des Vaters. Ist die Mutter nicht da, schwimmt er komplett und ist schnell überfordert. Im Zweifel springt dann die Oma ein.

Finden Sie ihn wirklich so tollpatschig? Ich finde, er macht das schon ziemlich gut und ist heute deutlich präsenter als in den ersten Büchern. Dieses höhere Engagement war übrigens ein großer Wunsch von mir, immerhin lesen auch viele Väter wie Sie die Bücher vor.

„Conni ist ein sympathisches Mädchen”

Kritik von den Großen, uneingeschränkte Begeisterung von den Kleinen. Was macht aus Ihrer Sicht denn den Erfolg von Conni bei Kindern aus?

Ich versuche, Geschichten zu erzählen, in denen Kinder sich und ihren Alltag wiederfinden können. Es sind Situationen, die sie selbst erlebt haben, oder eben Dinge, auf die sie sich noch freuen. Conni ist außerdem ein sympathisches Mädchen, das man gerne als Freundin hätte. Ich glaube, diese Kombination macht es aus.

Hatten Sie bei der ersten Conni-Geschichte vor 30 Jahren schon eine Reihe vor Augen?

Ach nein, ich habe eine kurze Geschichte geschrieben für ein Pixi-Buch. Da denkt man weder an Reihen noch an große, schriftstellerische Ambitionen.

Was gab 1990 den Impuls für die Geschichte zu Connis Kindergartenstart?

Meine eigene Tochter Conni kam gerade in den Kindergarten und ich empfand die Zeit als sehr spannend und intensiv. Aus diesen Erfahrungen entstand dann meine erste Geschichte. Ich hatte einfach das Gefühl, dass dieser Start in einen neuen Lebensabschnitt als Kindergeschichte interessant seien könnte.

Wie viel Ihrer Tochter Conni steckt denn in der Kinderbuchfigur Conni?

In den ersten Büchern stecken schon viele eigene Erlebnisse aus ersten Kindergartentagen, Urlauben am Meer oder Schwimmkursen. Inzwischen lasse ich mich natürlich woanders inspirieren. Ich besuche zum Beispiel ab und zu die alte Kita meiner Tochter und unterhalte mich mit Erzieherinnen und Erziehern. Auch Freundinnen und ihre Kinder und Enkel liefern mir Ideen für neue Geschichten. So halte ich den Kontakt zu meiner Leserschaft – jedenfalls indirekt.

War Ihrer Tochter die Roman-Conni jemals peinlich?

Eigentlich nicht. Als Kind war sie sehr stolz auf die Bücher und heute verschenkt sie die Bücher auch noch an befreundete Eltern. Das ist doch ein gutes Zeichen, oder? Ich verrate ja in den Büchern auch keine Peinlichkeit aus ihrer Kindheit. Gleichzeitig weiß sie, dass der Erfolg der Reihe für sich steht und nichts mit ihrem Leben zu tun hat.

Also wird sie nicht in Ihre Fußstapfen treten und Conni weiterführen?

Nein, ich denke nicht. Sie hat Naturwissenschaften studiert und bisher keine schriftstellerischen Ambitionen.

Das Conni-Universum ist ja inzwischen ziemlich groß. Es gibt auch Sachbücher von Conni oder Romane für ältere Leserschaft, in denen sie schon ein Teenager ist. Wie viele dieser Bücher stammen noch aus Ihrer Feder?

Die Bilderbuch- und Lesemausgeschichten sind weiterhin von mir, das sind etwa vier Bücher pro Jahr. Dabei kommen viele Themenideen von mir, zum Beispiel habe ich im letzten Jahr vorgeschlagen, ein Sachbuch über Nachhaltigkeit zu machen, in dem sich Conni für die Umwelt einsetzt. Die Geschichten der beiden älteren Connis stammen von anderen Autorinnen. Ich wollte immer bei der kleinen Conni bleiben – schon allein aus Respekt gegenüber meiner Tochter. Ihr Heranwachsen und ihre Teenagerzeit sollten eben keine Inspiration für Geschichten sein. Im Kleinkindalter erleben viel Kinder die gleichen Dinge – Kindergartenstart, Einschulung oder Streit mit Freunden. Aber die Zeit danach und die Pubertät ist doch etwas ganz Individuelles.

Gehen Ihnen nie die Ideen für Inhalte aus?

Nee, es gibt noch so viele Themen aus der Kindheit, über die ich schreiben möchte. Wir hatten vor einiger Zeit viele Bücher über Feste, inzwischen stehen die Gefühle stärker im Fokus. Im Juli erscheint zum Beispiel „Conni traut sich was“. Da geht es um Angst und Mut. Das stand lange schon auf der Themenliste. An Ideen mangelt es wirklich nicht.

Hatten Sie nie andere schriftstellerische Pläne?

Ich habe vereinzelt mal Bilderbücher mit anderen Hauptfiguren geschrieben – zum Beispiel „Bleib stehen, Bello“. Aber das ist das gleiche Genre wie bei Conni, nur eben nicht ganz so erfolgreich. Privat schreibe ich Gedichte, aber nur für mich und nicht für einen Verlag. Aber Conni war für mich nie eine Last, falls Sie das meinen. Conni schreibe ich gerne.

Warum hat es Sie nie in die Öffentlichkeit gezogen? Sie haben eine der erfolgreichsten Kinderbuchserien der letzten Jahrzehnte geschrieben, trotzdem machen Sie kaum Lesungen, geben kaum Interviews.

Der Mehrwert von Prominenz hat sich mir nie erschlossen. Ich habe deshalb auch lange als Lehrerin gearbeitet. Dieser Kontakt mit Kindern und die Erdung abseits von Verkaufszahlen waren mir sehr wichtig. So ist es eigentlich geblieben. Ich kann heute unter Leuten sein, Familien beobachten, Kindern zuhören, neue Ideen aufspüren, ohne direkt erkannt zu werden. Das ist doch schön und schützt auch.

Schützt?

Na ja, Prominenz geht oft mit einer Projektionsfläche für Kritik einher. Ich halte mich aus den sozialen Medien raus, bin selbst nicht medial präsent. So bekomme ich auch weniger von Kritiken mit, außer der Verlag schickt mir solche Sachen oder ich lese sie zufällig im Internet.