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Kofferchaos am FlughafenFrau sucht wochenlang nach verlorenem Gepäck

Lesezeit 5 Minuten
Koffer Flughafen (1)

Koffer, verzweifelt gesucht.

Hannover – Was tun, wenn der Koffer verloren geht und einfach nicht wieder auftaucht? Susanna Bauch hat ihn tagelang im Auftrag einer Freundin gesucht. Protokoll eines verzweifelten Bemühens.

Es sollte eigentlich ein ganz normaler Rückflug werden. Meine Freundin Caro lebt mit ihrer Familie in Amerika, seit 20 Jahren schon. Sie kommt mehrmals im Jahr aus Charlotte, North Carolina, nach Hannover. Freunde besuchen und die Eltern. Caro ist das Fliegen gewohnt, diesmal gab es vor der Feier zum 90. Geburtstag des Vaters noch eine kleine Frankreich-Rundreise. Wenn Amerikaner nach Europa reisen, reicht ja nie ein Land.

Caro ist seit drei Wochen wieder zu Hause. Genauso lange wartet sie auf ein Zeichen von ihrem Koffer. Oder von einer Fluggesellschaft. Ich werde eingeschaltet, gewissermaßen für die Vor-Ort Recherche. Und bekomme natürlich Nachweise und Informationen. Der Koffer ist türkisfarben, nicht gerade unauffällig – dachte ich. Caros Flug sollte von Hannover über München nach Charlotte gehen, mit der Lufthansa. Den Flug morgens gen Süden hat sie verpasst, zu lange Schlangen an der Sicherheitsschleuse, wir kennen das hier ja schon.

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Unüberschaubares Chaos am Flughafen

Sie wurde umgebucht auf einen Abendflug. Ob ihr Gepäck den Airport Hannover bereits morgens nach dem Check-In verlassen hatte, konnte schon zu diesem Zeitpunkt niemand mehr verlässlich nachvollziehen. Caro ist zuversichtlich, sie hat ein Namensschild und eine Lufthansa-Flugnummer am Koffer. Ihr Tag am Flughafen Hannover hat dann gereicht, um bis abends durch eine Sicherheitskontrolle zu gelangen, der Anschlussflieger in die Staaten war in München natürlich schon weg. Sie wurde umgebucht auf American Airlines, an ihren Koffer hat sie nicht mehr gedacht.

Später dann beginnt die Suche. Das Stück ist nicht in Charlotte, soll angeblich mal in Hannover oder wahlweise in München herumstehen. Caro hat viel telefoniert, leider nie einen echten Menschen an den Apparat bekommen. Sie hat auch viele E-Mails verschickt – ohne Erfolg. Auf ihre Bitte versuche ich es ein erstes Mal in Langenhagen. Das Chaos mit liegen gebliebenen Koffern ist hier schier unüberschaubar. Es gibt zudem wirklich viele türkisfarbene Koffer. Ich darf nicht durch die Reihen gehen und selber suchen, man werde sich um das Ausliefern der Gepäckstücke kümmern, sagt ein freundlicher Mitarbeiter – ja, wovon eigentlich? Ich gehe davon aus, er gehört zum Reinigungsteam.

Koffer weg: Stattdessen trifft ein Fernsehgerät ein

Caro wartet unterdessen weiter, es ist längst Woche zwei. Sie hat, ganz ausnahms- und natürlich dummerweise, Dokumente ihres Vaters als Luftfracht mit aufgegeben. Sie ist zudem ein wenig nervös. In Frankreich hat sie ordentlich Käse eingekauft. Und Eierlikör. Sie fragt sich, ob da irgendwann etwas implodiert bei steigender Hitze. Eine kritische Mischung. Ich bereite mich auf einen weiteren Weg zum Flughafen vor, sowohl Lufthansa als auch American Airlines haben nämlich auf elektronischem Wege versichert, dass der Koffer Hannover nie verlassen habe. Es ist Woche drei. Caro stoppt meine Koffermission in Langenhagen. Es sei eine Lieferung von American Airlines avisiert. Sie ist voller Hoffnung. Drei Stunden später bekomme ich ein Foto von ihr via Whatsapp: In dem Paket war ein Fernseher. Warum auch immer. Das Gerät ist offenbar eine Woche zuvor zwar mit Caro über den Atlantik geflogen, die Adresse allerdings ist nicht korrekt.

Angucken, aber nicht aufmachen

Ich fahre also doch wieder zum Flughafen. Stehe in der Ankunftsebene vor einem Schild, das baldige Unterstützung bei der Koffersuche verspricht. Ein junger Mann kommt, sehr freundlich, und schließt mir das Tor zur Gepäckglückseligkeit auf. Zwischen Transportbändern für wirklich angekommenes Gepäck stehen Koffer, soweit das Auge reicht. Nein, viel weiter. Es sind mehrere Hundert. In einer Ecke stapelt sich Sperrgepäck. Surfbretter, Kindersitze, Buggys. Junge Frauen mit adretten Fluggesellschaftsuniformen und Halstüchern stehen unbeholfen dazwischen und versuchen zu sortieren. Ein System ist nicht erkennbar.

Der junge Mann ist sehr hilfsbereit. Türkisfarben sage ich. Lufthansa. Könnte nach Käse riechen. Und vorne sind Dokumente drin. Er hilft suchen. Ein paar Mal bin ich ganz sicher, das muss er sein. Der türkisfarbene Koffer. Die Klebeschilder vom Check-In, auf denen die Flugnummer, Gesellschaft und Destination codiert sind, fehlen in den meisten Fällen. Oft klebt ein Zettel an der Rückseite eines Gepäckstückes: „Nicht zuzuordnen.“ Aber deswegen bin ich ja da. Und zuversichtlich. Ich darf die Koffer angucken, aber nicht aufmachen. Auch das Kontrollpersonal dürfe Koffer nicht öffnen, erfahre ich. Dafür gebe es ausgewiesene Kofferknacker. Aha, ist mir nach eineinhalb Stunden ziemlich egal, ich mache alles auf, was türkisfarben ist und kein Schloss hat. Keine Dokumente, kein Käse, nur Kinderzahnbürsten, Gummischlappen und Nagelfeilen. Nicht von Caro.

Stinkende Koffer werden entsorgt

Ich gebe auf. Genauso wie die vier jungen Männer, die zum wiederholten Male nach Mallorca-Gepäck suchen und die ältere Dame, die schon zum sechsten Mal vergebens am Flughafen ist. Manche also vermissen ihr Gepäck, sehr viele andere offensichtlich nicht. „Alles falsch eingeladene Gepäckstücke“, sagt ein weiterer Mitarbeiter mit Blick auf die Kofferreihen. Er ist so freundlich und macht sich im Computer noch einmal auf die Suche nach Caros Koffer. Stößt auf eine Nummer, die ihn München vermuten lässt. Sei aber vage, da der Koffer „On-Hand“, also ohne Code und Zuordnung, weitergegeben wurde. Ich erwähne den Käse. Dann sei nach drei Wochen wohl alles klar, sagt der Mann. Gepäckstücke, die ausliefen oder sehr strenge Gerüche verbreiteten, würden schlicht entsorgt, in Hannover sei das schon mehrfach geschehen. Das gelte natürlich auch für München.

Das wird wohl nichts mehr mit dem türkisfarbenen Koffer aus Hannover. Jetzt muss sich Caro nur noch um Erstattung kümmern. Könnte dauern.