- Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali hat von „Kriegsbesoffenheit“ der deutschen Politik gesprochen.
- Für SPD und Grüne ist eine angemessene Reaktion auf den Krieg in der Tat eine moralische Herausforderung.
- Bei der Linken ist es allerdings noch schlimmer.
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag hat am Samstag ein Wort benutzt, das ins Bild passt. Amira Mohamed Ali sprach von „Kriegsbesoffenheit“ und meinte jene Parlamentsabgeordneten, die Ja sagen zum 100 Milliarden Euro schweren Sondervermögen für die Bundeswehr, das Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigt hat.
An der Äußerung sieht man: Der von Wladimir Putin befehligte Angriff russischer Soldaten auf die Ukraine stellt auch die Grundüberzeugungen jener Parteien auf eine harte Probe, die dem Spektrum links der Mitte zuzuordnen sind. Manche tragen ihre ideologischen Habseligkeiten aus den Trümmern des Krieges und stellen fest, dass sie in einen Kulturbeutel passen.
Die Grünen haben zwar eine ihrer Wurzeln in der westdeutschen Friedensbewegung, die sich einst gegen den Rüstungswettlauf zwischen Nato und Warschauer Pakt wandte. Vielen ging es neben Frieden aber auch um Demokratie und Menschenrechte. Das ist ein Grund, warum Außenministerin Annalena Baerbock nun keine Mühe damit hat, einer Stärkung der deutschen Rüstungsindustrie das Wort zu reden.
Sozialdemokraten kämpfen gegen Schröder und sein Erbe
Die Sozialdemokratie kämpft nicht allein mit Altkanzler Gerhard Schröder, sondern mit sich selbst. Nicht wenigen ist am Tag des Angriffs der Schreck in die Glieder gefahren. Darum ist das Schweigen der „Friedenspartei“ bisweilen laut. Zugleich bleibt das Verhältnis zur Ukraine distanziert. Es ist ja kein Zufall, dass Scholz auf die Videoansprache des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Parlament nicht reagiert hat und sich namhafte Parteivertreter unverändert am streitbaren Botschafter Andrij Melnyk abarbeiten. Der Glaube, man könne Putin mit einer Neuauflage der Entspannungspolitik Willy Brandts beikommen, liegt in Scherben. Der Zorn darüber richtet sich manchmal nicht gegen Moskau, sondern gegen Kiew.
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Bei der Linken ist es schlimmer. In der Fraktion gibt es zahlreiche Abgeordnete, die Putin unverändert rhetorisch zuarbeiten: Sahra Wagenknecht, Sevim Dagdelen, Andrej Hunko, der schon 2015 die russischen Separatisten in der Ostukraine besuchte, oder Klaus Ernst. Der Ex-Parteichef und Schröder-Freund zog zuletzt die Nato-Mitgliedschaft der baltischen Staaten in Zweifel. Im Kern hat sich die Linke von ihrer autoritär pro-sowjetischen Tradition nie ganz lösen können. Das tritt angesichts der täglichen Toten heute auf eine brutale Art und Weise zutage. Meinungen sind nicht mehr schuldlos. Weil die Partei bei Wahlen und Umfragen immer weiter absackt, beißt sie sich immer tiefer in ihre Irrtümer fest.
Der Angriff auf die Ukraine hat jedenfalls die Lebenslügen aller jener entlarvt, die glaubten, es reiche, irgendwie für Frieden einzutreten – und die die Freiheit vergaßen. Die Herausforderung wird sich auch nicht durch infame Warnungen vor einer „Kriegsbesoffenheit“ bewältigen lassen, die in Deutschland nirgends existiert.