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Kommentar zu RusslandDer Westen muss verstehen, dass er es mit einem Feind zu tun hat

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Wladimir Putin und Sergei Schoigu (l), russischer Verteidigungsminister.

Moskaus stellvertretender Verteidigungsminister stimmte zu Beginn dieser Woche verblüffend milde Töne an. Russland, sagte er, werde alle militärischen Aktivitäten rund um Kiew und Tschernihiw im Norden der Ukraine stark zurückfahren. Dies sei „eine Maßnahme, um vor weiteren Friedensgesprächen Vertrauen wachsen zu lassen“.

Frieden? Vertrauen? Im hyperaktiven Westen stiegen sofort die Börsenkurse. Politiker äußerten Hoffnungen, der Ölpreis gab nach. Doch schon in der folgenden Nacht erzitterte Kiew unter Detonationen wie selten zuvor. Tschernihiw erlebte laut Bürgermeister Viacheslav Chaus sogar eine „kolossale Attacke“, mit Bombern und Artillerie gleichzeitig.

„Wir wurden eiskalt angelogen“

In Deutschland freute man sich über einen russischen Teilabzug zuletzt am 15. Februar. Damals ging es um die noch vor den Grenzen der Ukraine stehenden Truppen. Kanzler Olaf Scholz hatte einen Termin bei Staatschef Wladimir Putin, und Moskau erlaubte sich einen kleinen Griff in die PR-Trickkiste. Prompt lobte SPD-Chefin Saskia Esken das vermeintlich von Scholz Erreichte. Außenministerin Annalena Baerbock stellte später klar: „Wir wurden eiskalt angelogen.“

Wie verhütet man heute eine Rückkehr dieser Naivität? Der Westen muss sich erstens einlassen auf den ungewohnten Gedanken, dass er es mit einem Feind zu tun hat, also mit jemandem, der ihm allen Ernstes schaden will, auch und gerade in Dialogsituationen. Zweitens ist mehr Respekt angebracht vor Moskauer Traditionen. Maskirovka – also Täuschung, Desinformation, Verwirrung – ist ein uraltes Prinzip in Russlands Militär, Geheimdienst und Staatsführung.

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Fliegt im Westen die Lüge eines Politikers auf, ist es peinlich, ein Skandal. In Russland dagegen betrachtet der Staatschef die Lüge als Zeichen seiner Stärke. Im Jahr 2014, bei der Annexion der Krim, stritt Putin die Präsenz russischer Soldaten vehement ab. Später, als ihm die Zeit reif erschien, verlieh er den an der Annexion beteiligten russischen Soldaten Orden, eigenhändig und vor der Weltöffentlichkeit. Die Lüge hatte seiner Machtausdehnung gedient, nun streifte Putin sie ab wie einen schmutzigen Handschuh: Alles hat seine Zeit.

In der Ukraine wird Putin natürlich jede Umgruppierung seiner Truppen als Teilabzug verkaufen. Doch niemand darf sich wundern, wenn schon bald noch wuchtigere Angriffe folgen. Schon in Syrien stöhnten Hilfsorganisationen immer wieder über Russlands zynischen Mix aus Kriegs verbrechen und diplomatischer Show. Auch wenn gerade Fass bomben geworfen und sogar Chemie waffen eingesetzt wurden: Stets strich sich Außen minister Lawrow schon den Schlips glatt fürs nächste gepflegte Friedens gespräch, mal in Genf, mal in Wien, mal in New York. Längst hätte auch Lawrow sich einen Orden von Putin verdient: als Meister der Maskirovka.