Nun soll es ganz schnell gehen mit der einheitlichen Corona-Notbremse für ganz Deutschland: Die Bundesregierung hat sie beschlossen, der Bundestag folgt sogleich, und auch der Bundesrat soll sie schnellstmöglich abnicken.
Das Erstaunliche: Vier mal „Bund“ in einem Satz, und trotzdem wird es den Ministerpräsidenten nicht zu Bund? Im Gegenteil, sie haben im Vorfeld an den Regelungen mitgewirkt und werden ihnen nun in der Länderkammer zustimmen. Das wirkt erst einmal erstaunlich, verlieren sie doch damit ihre alleinige Zuständigkeit für den Infektionsschutz - die ihnen doch ein Pandemie-Jahr lang oft wichtiger zu sein schien als der Infektionsschutz selbst.
Doch der Grund liegt auf der Hand: Die dritte Corona-Welle bringt die Krankenhäuser gerade an die Überlastungsgrenze, ein Rückgang der Infektionszahlen ist nicht in Sicht, kurz: Die Länder sind ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden.
Einige Ministerpräsidenten mosern nun, hinterher sei man immer schlauer - und unterschlagen, dass einige auch vorher schlauer waren: Virologen und Mediziner rufen seit Wochen nach schnellen, konsequenten Schritten gegen die Infektionsexplosion.
Vieles ist nicht vermittelbar
Nur scheuten die Landesregierungen offenbar die Verantwortung für die Kollateralschäden - das Leiden einiger Wirtschaftszweige, den reduzierten Schulunterricht, die hässlichen Bilder von den Demos lautstarker Minderheiten.
Angesichts manch schwieriger Güterabwägungen ist das nachvollziehbar - obwohl in Umfragen stets große Mehrheiten für schärfere Lockdowns bestanden.
Nicht vermittelbar war aber, dass die Ministerpräsidenten jene Schritte erst scheuten, die sie beim Gipfel mit der Kanzlerin dann beschlossen - um sie wenig später doch wieder zu ignorieren.
Was hielt denn zumindest jene Ministerpräsidenten, die lautstark die Abweichler in anderen Ländern rügten, von einem eigenen klaren, scharfen Corona-Kurs ab? Die Frage muss sich nicht zuletzt Markus Söder gefallen lassen, denn die Lage in Bayern weist ihn weder als Musterschüler aus, noch regierte er so rigoros durch, wie er es von anderen gern einforderte.
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So peinlich der vor-österliche Gipfel-Unfall von Merkel und den Länderchefs war, dass sie nun die Maßnahmen, die dort bereits für das Überschreiten des 100er Inzidenzwertes diskutiert wurden - von strikten Kontaktbeschränkungen bis zu Schul- und Geschäftsschließungen - gemeinsam in ein Bundesgesetz schreiben müssen, ist noch blamabler: Dass die Länder ihre Verantwortung erleichtert an den Bund abgeben, gleicht der Unterschrift unter die freiwillige Einlieferung in die Besserungsanstalt - und kommt zudem mit unnötiger Verspätung.
Ist die Bundesnotbremse nun also der Durchbruch in der Pandemie-Bekämpfung? Die Antwort ist ein klares Jein.
Erstens sind Maßnahmen umstritten - einige virologisch, andere rechtlich.Zweitens bleiben Länder und Landkreise in der Pflicht, den stumpfen Automatismus zwischen Lockern und Lockdown, den die Gesetzesbremse mit sich bringt, durch eine eigene, intelligentere Steuerung der Infektionszahlen zu ergänzen. Das erlaubt sie ihnen nämlich.
Die Retter sind zugleich die Versager
Vor allem aber sind klare Vorgaben zwar wichtig - für ihre Durchsetzbarkeit und als Signal, dass die Lage ernst und der Regelkatalog einzuhalten ist. Doch Lockdowns sind nur Zeitspiel und nie Ausweg. Sie legen das Virus auf Eis, besiegen kann man es nur ein erfolgreiches Impfprogramm.
Das ist Ironie der Bundesnotbremsung: Die Retter der Regeln sind zugleich die Versager der langfristigen Planungen, vom Freitesten bis zum Durchimpfen.
Insofern kann man nur hoffen, dass Bund und Länder die Energie, die sie nicht mehr ans Streiten und Feilschen um einheitliche Auflagen verschwenden müssen, ab sofort dafür nutzen, gemeinsam das Impfprogramm und damit den wahren Austieg aus der Pandemie zu beschleunigen.