Der Bundespräsident sei „überraschend“ in Kiew eingetroffen, hieß es am Dienstagmorgen. Dabei kam selten ein Staatsbesuch so wenig überraschend wie dieser von Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine, die allerdings seit Monaten aus verschiedensten Gründen verschoben worden war.
Nun kam Steinmeier ausgerechnet in einer ukrainischen Hauptstadt an, deren Einwohner sich so unsicher fühlen müssen wie lange nicht mehr: Wochenlang hatte die russische Armee sie aus der Luft angegriffen, gezielt Infrastruktur, zivile Ziele und Wohngebiete zerstört - wohl als brutalen Versuch, der Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskyj die Angst einzujagen, dass Russland die ukrainischen Städte nur in Schutt und Asche aufgeben wird.
Steinmeier verhandelte Minsker Abkommen
Steinmeier erklärte seinen Besuch nun vor allem zum Symbol deutscher Solidarität. Das ist wichtig und lobenswert, ebenso die mitgebrachte humanitäre Hilfe. Doch wenn man sich die Laufbahn des einst international anerkannten Diplomaten Steinmeier vor Augen führt, ist es am Ende traurig, dass auch seine Reisen nur noch für Symbolik taugen.
Wer die Geschichte, die Steinmeier mit der Ukraine verbindet, aufblättert, dem werden Erinnerungen an Zeiten kommen, die nicht mehr zur heutigen Sicht auf diesen Krieg passen: Da wurde er als Außenminister dafür gelobt, einen Bürgerkrieg zwischen westlichen Maidan-Anhängern und pro-russischen Ukrainern abgewendet zu haben; da galt er als Friedensstifter, weil er half, Russland und Ukraine zum Minsker Abkommen zu bewegen; und bei dessen Blockade ersann er einen Ausweg, mit dem sogar Selenskyj einst über Frieden in der Ostukraine verhandeln wollte.
Immerhin hat sich Steinmeier für Russland-Nähe entschuldigt
Was davon übrig ist: Immerhin habe sich Steinmeier für seine jahrelange Russland-Nähe entschuldigt, und konnte sich mit Selenskyj nach dem Eklat vom Frühjahr wieder vertragen. Das aber ist zu holzschnittartig für die komplexe Lage in der Ukraine.
So wahr es ist, dass sich Deutschland mit viel gutem Glauben und Naivität in die Abhängigkeit von russischem Gas begeben hat, so absurd scheint doch, dass Steinmeier sich heute für seine Bemühungen entschuldigen muss, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden.
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Richtig ist, dass Putins mit allen völkerrechtlichen Regeln brach. Richtig ist aber auch, dass selbst US-Präsident Biden inzwischen nach einem gesichtswahrenden Ausstieg sucht, den man Putin ermöglichen kann. Und richtig ist auch, dass die alte Verhandlungsregel, zuerst müssten die Waffen schweigen und dann eine Gesprächsgrundlage gefunden werden, heute kein Verrat an westlichen Idealen ist.
Es wäre auch für die Ukraine gut, wenn man ihr aus der Sackgasse des Nicht-Verhandelns helfen könnte.
Deutschland und sein Bundespräsident scheiden als Vermittler inzwischen leider aus. Man kann nur hoffen, dass sie hinter den Kulissen Wege suchen und finden, die nötigen Gespräche dennoch anzubahnen.